Samstag, 17 Shawwal 1445 | 27/04/2024
Uhrzeit: (M.M.T)
Menu
Hauptmenü
Hauptmenü
  •   |  

بسم الله الرحمن الرحيم

Antwort auf eine Frage

Was hat es mit den Protesten im Sudan auf sich?

Frage:

Die Protestwelle, die vor mehr als zwei Monaten im Sudan begann, dauert bis zum heutigen Tag an. Kam es spontan zu den Demonstrationen als Resultat der miserablen Wirtschaftslage? Oder liegen die Ursachen in einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Khartum und Washington, nachdem der amerikanische Vize-Außenminister John Sullivan den Sudan im November 2017 besucht hatte? Es heißt, dass zu den Themen, die Sullivan mit der sudanesischen Seite diskutierte hatte, auch gehörte, dass al-Bashir zu den Wahlen 2020 nicht wieder antreten sollte. Bashir sei darüber empört gewesen und aus Trotz gegenüber den USA nach Russland gereist, um der Errichtung russischer Militärbasen im Sudan zuzustimmen. Bedeutet es, dass die USA sich dazu entschlossen haben, Umar al-Bashir auszuwechseln und deswegen der Sudan wirtschaftlich in die Zange genommen wurde, indem sie ihre Vasallen, vor allem Saudi-Arabien, angewiesen haben, die Unterstützung für den Sudan einzustellen? Und schließlich: Wie ist es zu erklären, dass Sadiq al-Mahdi sich hinter die Proteste stellt? Bedeutet es, dass die Briten ihre Finger im Spiel haben? Entschuldige die zahlreichen Fragen!

Antwort:

Zum Verständnis sollen folgende Punkte ausgeführt werden:

1. Der amerikanische Vize-Außenminister John Sullivan besuchte in der Tat den Sudan am 16.11.2017, wo er sich mit dem Außen- und Finanzminister, mit dem Stabschef der Armee, mit Vertretern des sudanesischen Innenministeriums, mit dem nationalen Sicherheits- und Nachrichtenapparat sowie mit dem sudanesischen Botschaftsbeauftragten der USA traf. Daneben führte er hinter verschlossenen Türen auch Gespräche mit religiösen Führern. Sodann hielt er eine Vorlesung im Märtyrersaal der Quran-al-Karim Universität, wo er über Amerikas Sudan-Politik sprach. Der US-Verantwortliche, so sickerten Berichte durch, die von „Sudan Times“ verbreitet wurden, forderte im Rahmen dieser Begegnung die sudanesische Regierung dazu auf, einige Gesetze zu revidieren und zu modifizieren bzw. sie ganz außer Kraft zu setzen. Primär ging es um die Todesstrafe für Apostasie. Ebenso rief er dazu auf, den Artikel bezüglich der Kleidungsvorschrift aus der Öffentlichen Ordnung zu nehmen, der das Auspeitschen der Frauen vorsieht, sollten sie sich nach Ermessen der Exekutivpolizei ungebührlich kleiden. Er rief zu religiösen Freiheiten auf, die für alle gelten sollen, wenn es um die Neuformulierung der Verfassung des Sudan geht. (Sudan Tribune, 18.11.2018)

2. Richtig ist auch, dass laut einiger gestreuter Berichte, Sullivan von Bashir verlangt habe, sich für die Wahlen 2020 nicht mehr aufstellen zu lassen und al-Bashir damit nicht einverstanden gewesen sei, woraufhin sich die Beziehungen verschlechtert hätten. Doch das ist unwahrscheinlich, denn Bashir ist überhaupt nicht in der Lage, sich den Anweisungen seines Herrn - den USA - zu widersetzen. Als Kandidat tritt er ohnehin erst dann an, wenn die USA es wollen. Selbst wenn wir davon ausgingen, dass er sich den Anweisungen widersetzt und darauf besteht, bei den Wahlen 2020 zu kandidieren und im Amt zu bleiben, würden die USA ihn mit einem Putsch aus dem Amt jagen, so, wie sie ihn am 30. Juni 1989 ins Präsidentenamt hineingeputscht hatten. Als sich über die sozialen Medien verbreitete, dass der US-Verantwortliche von al-Bashir gefordert habe, bei den Präsidentschaftswahlen 2020 nicht mehr anzutreten, ging der sudanesische Außenminister Ibrahim Ghandur hin und dementierte dies mit den Worten: „Die USA haben uns keinerlei Bedingungen auferlegt, die festlegen, dass der sudanesische Präsident al-Bashir für die Wahlen 2020 nicht mehr kandidieren soll, damit der Sudan im Gegenzug von der Liste der Terror unterstützenden Staaten gestrichen wird “ Er erklärte weiter: „Alles, was wir mit John Sullivan, dem stellvertretenden US-Außenminister während seines letzten Besuches in Khartum besprochen haben, waren Themen zu Menschenrechten und Religionsfreiheit.“ (Al-Quds al-Arabi, 14.11.2017)

Der Besuch deutete auch eher auf ein harmonisches denn auf ein angespanntes Verhältnis hin. Im Laufe des Besuches kam Sullivan mit Vertretern unterschiedlicher Sektoren des Staates zusammen, wo ihm ein herzlicher Empfang bereitet wurde! Das alles spielte sich ab, nachdem am 26.09.2017 die US-Regierung das Einreiseverbot für sudanesische Staatsbürger aufgehoben und am 06.10.2017 einen Teil der gegen den Sudan verhängten Wirtschaftssanktionen beendet hatte, die fast zwanzig Jahre lang bestanden. Bei dem Besuch ging es daher nicht um eine Kandidatur al-Bashirs, sondern in erster Linie darum, den Sudan aus der Liste „Terror unterstützenderStaaten“ zu entfernen. Um das zu tun, haben die USA - wie oben in der „Sudan Tribune“ erwähnt - einige Bedingungen gestellt. Dies von einer Seite. Von anderer Seite hatte Umar al-Bashir bereits zehn Tage vor dem Sudan-Besuch Sullivans sein früheres Versprechen erneuert, nicht mehr als Präsident zu kandidieren: Sudans Präsident Umar al-Bashir hat am Montag sein früheres Versprechen wiederholt, auf eine weitere Amtszeit als Präsident nach 2020 zu verzichten. (…) Das sagte al-Bashir in einer Ansprache vor einer Versammlung junger Leute anlässlich der siebten Generalkonferenz der Nationalen Union Junger Sudanesen. (al-Khaleej online, 06.11.2017) Wenngleich es solchen Staaten in keinster Weise schwerfällt, Versprechen zu brechen. Die Äußerungen und Kontakte der Amerikaner zum Sudan machen es unwahrscheinlich, dass der Zweck der Reise darin bestand, eine erneute Kandidatur Bashirs zu verhindern. Die amerikanisch-sudanesischen Kontakte wurden auch nach dem Besuch und nach Beginn der Proteste aufrechterhalten. Es ging nämlich darum, den Sudan von der Liste „Terror unterstützender Staaten“ zu entfernen, auf der er seit 1993 aufscheint. Denn der Name des Sudan steht noch immer auf der Liste, obwohl die von den USA (seit 1993) verhängten Wirtschafts- und Finanzsanktionen durch die Trump-Regierung aufgehoben wurden. Um nun mit der zweiten Phase, nämlich der Streichung des Sudan von der Terrorliste, fortzufahren, stellten die USA die Bedingung, dass der Sudan in der „Terrorismusbekämpfung“ breiter kooperieren sowie die Menschenrechte und die religiösen und politischen Freiheiten einhalten solle.

3. Es war nicht Sullivans Besuch (vom 16.11.2017), der den Anstoß zu den Protesten am 19.12.2018 gab. Denn die USA haben sich nach dem Besuch und auch während der Proteste auf die Seite des Regimes und nicht auf die der Demonstranten gestellt, was durch die Kontakte und Äußerungen belegt wird. So traf der Staatssekretär des US-Präsidenten und Chefberater in Afrika-Angelegenheiten, Cyril Sartre, in Begleitung des Direktors der Afrika-Behörde im Nationalen Sicherheitsrat, Darren Seraile, am Sonntag (17.02.2019) in Khartum ein und beendete seine Gespräche im Sudan am Mittwoch (20.02.2019). In einem seiner Statements betonte der Staatssekretär: „Ich hatte ein fruchtbares und konstruktives Meeting mit einem Vertreter des Präsidenten der Republik. Ich bin gekommen, um den Dialog zwischen beiden Seiten aufrechtzuerhalten, was dazu führen soll, den Sudan von der Liste Terror unterstützender Staaten zu entfernen.“ Sartre betonte, dass „mit weiterer Geduld“, es der Regierung gelingen werde, eine politische Lösung zu finden und dass keinerlei Lösung von außen dem Sudan diktiert werden würde. Er verwies darauf, dass durch die gemeinsame Arbeit beide Länder einen Weg für eine starke Partnerschaft finden würden. (Shuruq News, 18.02.2019) Das alles belegt, dass nicht der Besuch die Protestwelle ausgelöst hat, sondern vielmehr, dass al-Bashir von den Amerikanern unterstützt wird und ihm laut Amerikanern keine Lösung von außen aufgezwungen würde. Und es zeigt, dass die USA Bedingungen stellen, um den Sudan aus der „Terrorliste“ zu streichen.

4. Was die US-Vasallen betrifft, so haben sie sich ebenfalls hinter Umar al-Bashir gestellt und nicht hinter die Demonstranten. Es stellt sich also anders dar, als die gestellte Frage suggerieren lässt.

Dazu folgende Erläuterung:

a) Was Saudi-Arabien betrifft: Seitdem die Saudis mit der Allianz die Militäroffensive gegen den Jemen begonnen haben, investieren sie fortlaufend in die Agrarwirtschaft des Sudan:

- 2016 war Saudi-Arabien der größte arabische Investor im Sudan. Die Summe der Investitionen wird auf eine Höhe von rund fünfzehn Milliarden Dollar geschätzt. Der Fokus liegt hauptsächlich auf Viehfutter, Weizen und Mais, was die Wirtschaft Khartums fördert. (al-Khaleej online, 17.07.2017) Der Botschafter des Königreichs betonte, der tatsächliche Wert saudi-arabischer Investitionen belaufe sich auf mehr als zwölf Milliarden Dollar. (al-Bawwaba, 03.12.2018) Und: Am Montag, den 07.05.2018, gab der Sudan bekannt, mit Saudi-Arabien ein Erdöl-Abkommen mit einer Laufzeit von fünf Jahren erreicht zu haben. (Sudan Tribune, 07.05.2018)

- Eine Delegation saudischer Minister besuchte am 24.01.2019 die Hauptstadt Khartum und diskutierte mit Sudans Präsident Umar al-Bashir die Lage, in der sich das Land befindet. Majed al-Qasbi, Handelsminister Saudi-Arabiens, sagte in einer Pressemitteilung: „Der Sudan-Besuch der Delegation erfolgte auf Weisung des Hüters der beiden Heiligtümer, König Salman bin Abdulaziz, zur Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen zum Sudan und zur Verstärkung des Handelsaustauschs.“ Er ergänzte: „König Salman hob außerdem hervor, dass die Sicherheit des Sudan auch die Sicherheit Saudi-Arabiens bedeute und die Stabilität des Sudan auch die Stabilität Saudi-Arabiens. Der Sudan habe mehr Anspruch auf Beziehungen zu Saudi-Arabien als jedes andere Land.“ (al-Watan al-Masriya, 26.01.2019) Das alles belegt die Tatsache, dass Saudi-Arabien nicht davon abgerückt ist, den Sudan zu unterstützen.

b) Ägypten als weitere Stütze: Am 27.01.2019 war Umar al-Bashir in Ägypten zu Besuch, wo al-Sisi ihn am Flughafen mit allen Ehren empfing. Und das beweist, dass vonseiten Amerikas keine Absetzung al-Bashirs vorgesehen ist. Andernfalls hätte Ägyptens Machthaber al-Sisi, die loyale Stütze Amerikas, so etwas nicht veranstaltet. Sudans Botschafter in Ägypten beschrieb den Besuch gar als den zeitlich und inhaltlich wichtigsten Besuch. (al-Sabah al-Masriya, 27.01.2019) Umar al-Bashir hatte Ägypten bereits am 06. November 2018 besucht und sich mit Präsident al-Sisi getroffen, nachdem dieser, begleitet von zwölf Ministern, den Sudan schon am 25. Oktober 2018 bereist und dort zwölf Abkommen unterzeichnet hatte. Unmittelbar nach Ausbruch der Proteste besuchten der ägyptische Außenminister Samih Shukri und sein Geheimdienstchef den Sudan, wo sie sich mit Umar al-Bashir und ihren sudanesischen Amtskollegen trafen. Nach dem Meeting betonte Shukri: „Ägypten hat Vertrauen darin, dass der Sudan die gegenwärtigen Umstände überwinden wird. Ägypten ist jederzeit bereit, dem Sudan Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Die Sicherheit und Stabilität des Sudan ist die Sicherheit und Stabilität Ägyptens.“ (al-Bawwaba al-Masriya, 27.12.2018) Das zeigt, dass Ägypten auch weiterhin hinter dem Sudan steht.

c) Was intern den Sudan betrifft, so stellt die Armee die wichtigste lokale Kraft für die USA dar. Das sudanesische Militär stellte sich, was die Proteste betraf, hinter Umar al-Bashir und hinter sein Regime. In einem Statement gab das Militär bekannt, dass es sich um Bashirs Führerschaft schare und dahinter stehe, wie er auf die Verdienste des Volkes sowie auf den Schutz und die Sicherheit des Bürgers bedacht ist, was sein Blut, seine Ehre und sein Vermögen betrifft. (Arabi Post, 23.12.2018). Der Stabschef der bewaffneten Streitkräfte des Sudan, Kamal Abdelmaruf, sagte in einer Ansprache vor Offizieren: „Die Armee wird das Land nicht dubiosen, geschei­terten Rebellenführern und Vertretern suspekter ausländischer Organisationen überlassen.“ (Masr al-Arabiya, 30.01.2019) Das alles zeigt: Das Militär unterstützt nach wie vor Staatschef Umar al-Bashir. Die Positionen anderer Militär- und Sicherheitsabteilungen sehen ähnlich aus. Generalleutnant Muhammad Hamdan Daglo Himaidti, Chef der schnellen Eingreiftruppe des Sudan, drohte, seine Einheiten stünden bereit, sich den „Habgierigen“ in den Weg zu stellen, wie er sie nannte. (al-Masira.net, 26.12.2018) Ferner erklärte der Chef des sudanesischen Sicherheits- und Geheimdienstapparates, Salah Qosh, in einem kurzen Statement vor dem Parlament: „Es gibt am Boden zahlreiche Initiativen. Doch alle müssen wissen, dass jede Initiative, die sich außerhalb der Grenze der Legitimität bewegt, keinen Platz hat.“ (al-jazeera.net, 21.02.2019) Das Militär wird von den USA für Umstürze missbraucht. Denn seit dem Numairi-Putsch von 1969 haben die USA ihren Einfluss innerhalb des Militärs festigen können.

5. Was die Opposition betrifft: Sadiq al-Mahdi, Führer der Umma-Partei, hat am vierten Tag der Proteste zur Bildung einer neuen Einheitsregierung aufgerufen. An ihr sollen alle Seiten beteiligt werden. Er betonte zwar, dass er die Massenproteste im Land unterstütze, hob jedoch hervor, dass seine Partei sich nicht an den Protesten beteiligen werde. (BBC, 22.12.2018) Allerdings, nachdem ihm klar wurde, dass die Proteste unaufhaltsam weitergingen, gab er bekannt, sich ihnen anzuschließen: Der Vorsitzende der Nationalen Umma-Partei und Führer der Allianz „Sudan's Call“, Sadiq al-Mahdi, verkündete öffentlich seine Unterstützung für die Massenproteste, die nach einem Sturz des Regimes rufen. Er forderte, das Töten der Demonstranten zu unterlassen, bevor er dann auch Bashir zum Rücktritt aufforderte. (Sudan Tribune, 25.01.2019) Dieser Sinneswandel al-Mahdis vollzog sich, nachdem die Protestwelle schon mehr als einen Monat lang am Laufen war, und zwar, um aus ihr Profit schlagen zu können. Sadiq al-Mahdi ist bekannt für seine Loyalität zu den Briten. Von 1986 bis 1989 führte er als Premierminister die Regierung des Sudan an, bevor er von Umar al-Bashir gestürzt wurde. Des Weiteren gründete sich der Arbeitnehmer­verband „Sudanese Professionals Association“ (SPA) als Gegenorganisationen zu den offiziellen, der Regierung nahestehenden Gewerkschaften. Dieser Arbeitnehmerbund ist durch Sadiq al-Mahdi europäisch beeinflusst. Er gilt als Versuch, eine Alternativorganisation zu den vom Regime durchdrungenen offiziellen Verbänden zu schaffen. Die Führungsriege der SPA, die sich im Ausland aufhält, sitzt in Europa: Als Anführer und SPA-Sprecher im Ausland werden Muhammad al-Asabat in Frankreich und Dr. Sarah Abduljalil in Großbritannien genannt. (BBC, 24.12.2019)

Ebenso mischten sich in die Proteste säkular ausgerichtete Kräfte und weitere Randorganisationen, die keinen Einfluss auf einen Wandel hätten. Auch wenn britische Einflüsse in diesen Verbänden vorhanden sind, insbesondere in der Partei Sadiq al-Mahdis, so sind sie nicht stark genug, um eine tatsächliche Veränderung herbeiführen zu können. Doch die Fortdauer der Demonstrationen stärkt al-Mahdi aufgrund der Erfahrung der Briten, Protestbewegungen zu instrumentalisieren. Daher verzögerte sich die öffentliche Unterstützung der Proteste durch die Mahdi-Partei um fast einen Monat. Denn er war davon ausgegangen, dass Umar al-Bashir sie binnen weniger Tage niedergeschlagen würde. Nachdem dies jedoch nicht der Fall war, sprang er auf den Zug der Proteste auf! Zwei Monate später war al-Mahdi dann so weit gestärkt, dass er seinen Forderungen nach einem Rücktritt Umar al-Bashirs Nachdruck verlieh: Er (al-Mahdi, Anm.) signalisierte seine Bereitschaft, sich mit Vertretern der Opposition zu treffen, um sich auf Details für die Bildung einer neuen Regierung zu verständigen. (Sputnik, 02.03.2019) Je länger sich also das Regime als unfähig erweist, die Proteste zu stoppen, desto stärker kommt der Einfluss der Briten zum Tragen. Und das wird in der Kalkulation der Amerikaner mitberücksichtigt. Als Vorsichtsmaßnahme - sollte etwas Unvorhergesehenes passieren - haben die Amerikaner mit Bashir das Arrangement getroffen, diese Massenversammlungen zu durchdringen, indem sich einige der Parteien aus der Regierungskoalition zurückziehen und zur Opposition werden: Der Vorsitzende der Umma-Partei Mubarak al-Fadil kündigte den Bund seiner Partei mit der regierenden Nationalen Kongresspartei auf und kündigte den Rückzug aus der Regierung an. (al-Nilain, 28.12.2018) Auch Ghazi Salah al-Din erklärte seinen Rückzug aus der Regierung: Die Reformbewegung hat soeben auf einer Pressekonferenz, an der ihr Vorsitzende Ghazi Salah teilnahm, den Rückzug all ihrer Vertreter innerhalb der Legislativräte beschlossen. (Nachrichtenagentur Sawa, 01.01.2019) Ebenso wurde Ghazi Salah zum Chef der „Nationalen Front für Veränderung“ gewählt: Die Vollversammlung der „Nationalen Front für Veränderung“ wählte gestern Dr. Ghazi Salah zum Chef des Präsidialrates der Nationalen Front. (al-Khaleej 365, 14.02.2019) Neben dieser „Durchdringung“ der Proteste und um deren Verschärfung und Instrumentalisierung durch Europa zuvorzukommen, erteilten die Amerikaner Umar al-Bashir grünes Licht, den landesweiten Notstand auszurufen, was am 22. Februar 2019 geschah. Zuletzt zog sich am 27.02.2019 die Partei al-Merghanis, der für seine Kontakte zu den USA bekannt ist, aus der Regierung zurück: Die Demokratische Unionspartei unter Führung Muhammad Uthman al-Merghanis kündigte am Donnerstag alle Vereinbarungen mit der Regierung auf, die die Partei für eine Allianz mit der Nationalen Kongresspartei unterzeichnet hatte und erklärte den Rückzug aus der sudanesischen Regierung. (al-Ain al-Ikhbariya, 28.02.2019) Anschließend ging man zum nächsten Schritt über, nämlich die Opposition ruhigzustellen. Al-Bashir erklärte sich als „neutral“ und verkündete, weder auf der einen noch auf der anderen Seite zu stehen! Um die Flucht nach vorn zu ergreifen, übertrug er seine Vollmachten als Präsident der Nationalen Kongresspartei auf seinen Stellvertreter, wobei die möglichen Optionen darauf beschränkt sind, die schlimmste Krise der letzten dreißig Jahre seiner Herrschaft in den Griff zu bekommen. Die Partei erklärte in einem Statement, dieser Entschluss sei in „Erfüllung der Worte des Präsidenten gefallen, die er vor der Nation sprach, nämlich zu allen politischen Kräften die gleiche Distanz zu wahren“. (Middle East online, 01.03.2019) Doch Bashir belügt sich damit selbst, bevor er andere belügt. Wie kann er die Neutralität wahren, wenn er der Präsident des Staates ist und seine Partei in der Regierung steht? Auch wenn er anderen die Führung der Partei übertragen hat; so ist es nicht mehr als eine kosmetische Veränderung!

Nichtsdestotrotz; all das sind Maßnahmen, um der Proteste Herr zu werden! Und es sind Versuche, Einfluss auf die Opposition zu nehmen und die Proteste zu vereinnahmen, zumal das Regime inzwischen über Akteure verfügt, die die Opposition infiltriert haben. Sollten diese Kräfte es nicht schaffen, die Demonstrationen zu vereinnahmen, werden sie versuchen, sich an die Spitze der Proteste zu stellen bzw. sich auf einflussreiche Weise an der Führung zu beteiligen. Und somit würde die US-Hegemonie weiter bestehen bleiben.

6. Umar al-Bashir besuchte am 22.11.2017 vier Tage lang die russische Hauptstadt Moskau, also sechs Tage, nachdem Sullivan im Sudan war. Doch er war nicht dort, um sich bei den Russen über die USA zu beklagen. Es war vielmehr ein Besuch auf Geheiß und mit dem Segen Amerikas. Der Beweis dafür ist, dass eine sudanesische Zeitung am heutigen Mittwoch Berichte über einen Deal zwischen Washington und Khartoum veröffentlichte, der die Sicherung des Fluges von Sudans Präsident Umar al-Bashir nach Russland zum Inhalt hatte. Als Gegenleistung soll Bashir der Abschaffung umstrittener von der US-Regierung beanstandeter Gesetze zustimmen, was zeitlich mit der ersten Reise Bashirs nach Moskau zusammenfällt. Gut informierte Quellen berichteten der Zeitung „Al-Rakuba“, das sudanesische Regime habe vonseiten des Vize-Außenministers John Sullivan während seines Aufenthaltes in Khartoum die Garantie erhalten, den Flug Bashirs (nach Moskau) nicht abzufangen, wenn amerikanische Vorschläge angenommen würden, religiöse Freiheiten zuzulassen und umstrittene Gesetzestexte zu streichen, die „die Apostasie, das Erbrecht und freizügige Kleidung“ betreffen. (Masrawi, 22.11.2017) Denn wenn es nicht auf Geheiß der Amerikaner erfolgt wäre, so hätte al-Bashir unmöglich saudischen Luftraum überfliegen können. Schließlich ist es stets jene Kolonialmacht, unter deren Hegemonie das saudische Regime gerade steht, die über den saudischen Luftraum wacht. So war es auch während der Ära König Abdullahs, dem damaligen Vasall Großbritanniens, als die Briten 2013 gegen eine Reise Umar al-Bashirs in den Iran waren. Die Briten wollten damals nicht, dass das iranische Regime an Popularität gewinnt, indem allzuviele Staatsoberhäupter den Feierlichkeiten der Amtseinführung des iranischen Präsidenten beiwohnen. Daher verwehrte Saudi-Arabien auf britische Anweisung hin dem Flieger Bashirs die Nutzung saudischen Luftraums: Das Präsidialamt des Sudan gab bekannt, dass Saudi-Arabien dem Präsidentenflugzeug, das auf den Weg zu den Feierlichkeiten der Amtseinführung des iranischen Präsidenten nach Teheran war, den Luftraum verweigert hat. Daher war der sudanesische Präsident gezwungen, zurückzukehren. (France 24, 04.08.2013)

7. Die vorangegangenen Ausführungen machen deutlich, dass es unwahrscheinlich ist, dass Amerika hinter den Protesten steckt. Die Briten ihrerseits sind nicht in der Lage, solche Proteste auszulösen. Wie haben sie also begonnen und wie entwickelten sie sich weiter?

Die Antwort darauf ist, dass die Proteste spontan begonnen haben und die Ursache darin liegt, dass sich die Versorgungslage der sudanesischen Bevölkerung immer weiter verschlimmert hat. Der Sachverhalt stellt sich insgesamt folgendermaßen dar:

a) Al-Bashir und seine Clique bildeten sich ein, dass nach Abtretung des Südsudan – womit sie dem Befehl Amerikas nachkamen - künftig Ruhe und Sicherheit im Lande einkehren würden. Und die USA würden ihn, so dachte Bashir, ihre Unterstützung zukommen lassen, nachdem schon die Sanktionen gegen ihn aufgehoben wurden. Doch genau das Gegenteil passierte. Die wirtschaftliche Lage verschärfte sich zusehends. Zu Beginn des Jahres 2018 eskalierte sie noch weiter, und das, nachdem die Amerikaner die Sanktionen gegen den Sudan aufgehoben hatten! Daraufhin hob die Regierung die Brotpreise an ebenso wie die in Dollar zu entrichtenden Zollgebühren, und zwar um das Dreifache. Der Wert der Landeswährung fiel hingegen, was wiederum zu Preissteigerungen führte, gefolgt von Treibstoffkrisen. Das Brot wurde um ein Vielfaches teurer, bis es zur Knappheit kam und die Menschen stundenlang für ein Laib Brot anstehen mussten, der obendrein kaum noch zu bezahlen war. Die Inflationsrate stieg auf rund 70%. Im Versuch, den Verfall der sudanesischen Währung und den Anstieg des Dollarpreises zu stoppen, blockierte die Zentralbank die Geldausgabe an die Geldinstitute, bis sie gezwungen war, den Wert der Landeswährung um 60% zu senken, sodass der Wechselkurs des Dollar bei 47,50 Sudanesischen Pfund lag. Der Wertverfall ging sogar so weit, dass der Dollar am 20.02.2019 auf dem freien Markt 75 Sudanesische Pfund kostete.

b) Die Armutsrate unter der sudanesischen Bevölkerung erreichte eine Rekordmarke. Das zentrale Statistikinstitut bestätigte, „dass Zweidrittel der Bevölkerung von Armut betroffen sind. Die Angabe basiert auf Ergebnissen einer statistischen Untersuchung, die im Jahr 2014 durchgeführt wurde. Es handelte sich um die ersten Studien nach der Abspaltung des Südsudan 2011.“ All das passierte, nachdem der IWF, wie er es immer und überall tut, seine Empfehlungen – besser gesagt, seine Befehle – ausgesprochen hatte. Er verlangte von der Regierung, die Landeswährung freizugeben und Subventionen für Treibstoff, Strom und Weizen zu streichen. Dafür verpflichtete sich der IWF in Kooperation mit der Weltbank, dem Sudan technische Hilfe für die Umsetzung eines wirtschaftlichen Reformprogramms zur Verfügung zu stellen! Diese Abmachung wurde am Rande der IWF-Weltbank-Tagung auf der Insel Bali in Indonesien im Oktober 2018 getroffen. Der IWF hatte die Regierung bereits in seinem Jahresbericht von Dezember 2017 zu einer Währungsfreigabe aufgefordert. Dort wird betont, dass dies notwendig sei, um die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, Investoren anzulocken und für ein Wirtschaftswachstum im Lande zu sorgen. Darüber hinaus wurde von der Regierung gefordert, zwischen 2019 und 2021 die Subventionen für Strom und Weizen aufzuheben, nachdem die Währung freigegeben sein würde. Und nachdem sich das sudanesische Regime diesen Befehlen gebeugt hat, kam es zu dieser Situation und zu dieser dramatischen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Menschen.

c) Der Sudan hatte sich so zu einem Pulverfass entwickelt, das jederzeit explodieren konnte. Und so kam es, dass die Menschen spontan aufgrund grassierender Armut auf die Straße gingen. Dies als Folge von Preiserhöhungen, steigenden Lebenshaltungskosten, wachsender Arbeitslosigkeit und der ungerechten Verteilung der Reichtümer. All das ist das Resultat von Bashirs Umsetzung des kapitalistischen Systems und der Befolgung der Empfehlungen der Finanzinstitutionen, wie die des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, und nicht zuletzt, weil er sich dem Druck der USA gebeugt hat. Es ist ein Regime, dessen Loyalität den Amerikanern gilt; ein Regime, das - insbesondere als es um die Abspaltung des Südsudan ging – die US-Politik umsetzt. Der Sudan war dadurch gezwungen, auf gewaltige Erdöleinnahmen zu verzichten: Durch die Loslösung des Südens vom restlichen Sudan im Jahr 2011 verlor Khartoum dreiviertel seiner Erdöleinkünfte, die der Staatskasse 80% der ausländischen Devisen eingebracht hatten. (al-jazeera.net, 26.12.2018) Und so verschlechterte sich die

 

Versorgungssituation der Menschen zunehmend. Der Funke der sudanesischen Revolution entzündete sich am 19.12.2018 in der nördlichen Provinz Nahr al-Nil in der Stadt Atbara und sprang auf die gesamten Städte des Sudan über. Noch immer dauern die Proteste an, und deren Feuer lodert weiter. Die einzige Forderung der Menschen dabei lautet: „Weg mit dem Regime!“

Die Demonstrationen haben also spontan begonnen, woraufhin sich andere Kräfte einmischten, um sie für sich auszunutzen und eigene Interessen zu verwirklichen und um darüber hinaus die Protestbewegung - wie bereits ausgeführt - vom Weg abzubringen.

8. Abschließend sollten zwei Punkte genau betrachtet und ins Auge gefasst werden:

Der erste Punkt: Das Erste, was die Amerikaner ihren Vasallen stets auferlegen, ist, größtmögliche Anstrengungen aufzuwenden, wenn es darum geht, amerikanischen Interessen zu dienen. Umar al-Bashir hat genau das getan. Es ging sogar so weit, dass er selbst seinen eigenen Eid verraten hat und den Südsudan vom Rest des Landes abtrennte. Bis heute wird al-Bashir von den USA unterstützt, was - wie wir oben aufgezeigt haben - die Kontakte, die sie zu ihm und seinem Regime pflegen, beweisen. Doch sollten sich die Proteste fortsetzen und sollte al-Bashir sie in absehbarer Zeit nicht in Griff bekommen, wird er bei den Amerikanern in Ungnade fallen. Dann wird er nämlich nicht mehr imstande sein, amerikanischen Interessen zu dienen. Sollte es so kommen, werden die Amerikaner ihn sehr wahrscheinlich auswechseln und möglicherweise einige ihrer Gefolgsmänner aus der Regierung abziehen, um sie auf der Welle der Opposition reiten zu lassen. Hier sei besonders die Partei Merghanis genannt, einer ihrer Getreuen. Es könnte also darauf hinauslaufen, eine Alternative vorzubereiten. Denn eine Auswechslung Bashirs setzt voraus, dass man eine von den Menschen akzeptierte Alternative parat hat. So gehen die Amerikaner stets mit ihren Vasallen um. So gingen sie auch im Falle des gestürzten Präsidenten Mubarak vor. Nachdem er die Demonstrationen nicht in den Griff bekam, befahl Amerika ihm, zurückzutreten. Und er tat wie ihm geheißen und machte Platz für Tantawi und den Militärrat. Das ist die typisch amerikanische Methode. Allein: Eine Alternative muss zur Stelle sein, bevor Amerika ihrem Vasallen den Befehl erteilt, seinen Hut zu nehmen. Denn ein Wechsel noch bevor eine Alternative herangereift ist, so die Furcht der Amerikaner, würde eventuell Personen an die Macht bringen, die womöglich aufrichtig und rechtschaffen sind und ihnen wie ein Stachel im Halse stecken bleiben könnte - oder mehr noch: wie ein Dolch in ihrer Brust. Das Festhalten an Umar al-Bashir bis zum heutigen Tage ist daher aus dieser Warte zu betrachten.

Der zweite Punkt: Zu befürchten ist, dass das Blut der Toten und Verletzten umsonst geflossen sein wird und dass die Zerstörungen in den Straßen und an den öffentlichen Anlagen umsonst waren. Es ist ebenfalls zu befürchten, dass die Proteste am Ende dahin führen, dass ein Vasall durch einen anderen ersetzt wird und dass die positivistische Verfassung, die Seelen zugrunde richtet und Menschen auszehrt, weiterhin im Lande Bestand haben wird. Davor warnen wir, denn bis heute hat man noch keine Forderungen nach dem Islam gehört. In den Protesten vernimmt man keinen Ruf nach Implementierung der islamischen Gesetze, auch wird nicht der rechtschaffenen, aufrichtigen Führung gefolgt, die für die Wiederaufnahme des islamischen Lebens durch Errichtung des Rechtgeleiteten Kalifats arbeitet. So würde die politische Krise bleiben, wie sie ist, ja sich sogar noch verschlimmern. Gleiches gilt für die Wirtschaftskrise. Und die Worte Allahs (t) sind die offenkundige Wahrheit, wenn Er (t) sagt: ]فَمَنِ اتَّبَعَ هُدَايَ فَلَا يَضِلُّ وَلَا يَشْقَى * وَمَنْ أَعْرَضَ عَنْ ذِكْرِي فَإِنَّ لَهُ مَعِيشَةً ضَنْكا]„Und wer Meiner Rechtleitung folgt, der wird nicht in die Irre gehen noch wird er Unglück erleiden. Dem jedoch, der sich von Meiner Ermahnung abkehrt, wird ein Leben in Drangsal beschieden sein.“(20:123-124)

Auch spricht Allah, der Allwissende und Allweise, die Wahrheit, wenn Er (t) sagt:] فَاعْتَبِرُوا يَاأُولِي الْأَبْصَارِ]„Darum zieht eine Lehre daraus, ihr, die ihr Einsicht besitzt.“ (59:2)

27. Ğumādā l-Āḫira 1440 n. H.
04.03.2019 n. Chr.
Nach oben

Seitenkategorie

Links

Die westlichen Länder

Muslimische Länder

Muslimische Länder