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بسم الله الرحمن الرحيم
Antwort auf eine Frage
Die Frage:
Die Presseagenturen berichteten über ein Treffen zwischen pakistanischen bzw. afghanischen Regierungsverantwortlichen auf der einen und afghanischen Stammesführern auf der anderen Seite. Das Treffen soll am 28.10.2008 stattgefunden haben. Es wurde zudem erwähnt, dass die Teilnehmer am Treffen sich auf eine Kontaktaufnahme mit den Taliban-Kämpfern geeinigt hätten. Bedeutet dies nun, dass Kontakte mit den Taliban bereits aufgenommen wurden bzw. aufgenommen werden? Wohin sollen diese Kontakte führen? Sollen sie dazu führen, dass die USA sich aus Afghanistan zurückziehen; ihr dortiger Einfluss beendet wird und die Taliban zurück an die Macht gelangen? Oder sollen die Taliban dazu verleitet werden, sich an einer Regierung zu beteiligen, die in direkter oder indirekter Weise Amerika loyal gegenübersteht?
Die Antwort:
Bevor die Frage beantwortet wird, muss man sich über folgende Punkte im Klaren sein:
Erstens: Das stattgefundene Treffen konnte nur mit Einverständnis der USA erfolgen. Mit anderen Worten standen die Vereinigten Staaten dahinter, denn die wesentlichen Akteure bei diesem Treffen waren die pakistanische und afghanische Regierung. Sogar die Stammesführer, die daran teilnahmen, stehen den beiden Regierungen nicht feindlich gegenüber. Insbesondere fand das Treffen auch in Islamabad statt, wobei kein politischer Beobachter daran zweifelt, dass die beiden Regime in Pakistan und Afghanistan den USA vollkommen loyal gegenüber stehen.
Zweitens: Die USA befinden sich in Afghanistan in einem echten Dilemma. So waren sie trotz ihrer über 30.000 Mann starken Armee und den mit ihr verbündeten NATO-Truppen nicht in der Lage, die Sicherheit im Land zu gewährleisten. Ihr Dilemma nahm zu, als ihre Verbündeten es ablehnten ihrer Forderung nach zusätzlichen Truppen nachzugeben. Sogar diejenigen unter ihnen, die zu einer Truppenaufstockung bereit waren, schickten nur wenige, unzureichende Zusatzkontingente. Andere beantworteten die amerikanische Forderung gar mit der Erklärung, ihre Truppen überhaupt aus Afghanistan abziehen zu wollen, wie es beispielsweise der kanadische Premierminister tat. Manche zeigten schon fast Schadenfreude an der amerikanischen Situation, wie z.B. der britische Truppenkommandant, der offen verkündete, dass ein klarer militärischer Sieg in Afghanistan nicht möglich sei. General Peter Wall, der Einsatzkommandant der britischen Armee, warnte sogar davor, zusätzliche Kontingente nach Afghanistan zu entsenden und erklärte während einer Beweisvorlange vor dem Parlamentsausschuss für Verteidigungsangelegenheiten, dass der Vorschlag zur Entsendung zusätzlicher Truppen nach Afghanistan „irreführend" sei. Auch die deutsche Regierung erklärte, die Zahl ihrer stationierten Soldaten reduzieren zu wollen, anstatt sie zu erhöhen. Linke Politiker fordern sogar, die Beteiligung deutscher Spezialeinheiten an der Operation „Enduring Freedom" zu beenden.
Die USA befinden sich also in einem echten Dilemma in Afghanistan und niemand kann diese Tatsache negieren. Karsai selbst erklärte sogar vor einer Frauengruppe in Kabul am 30. 10. 2008: „Wir haben Erfolge verbucht ... wir waren aber nicht imstande die Sicherheit zu gewährleisten, die für das Volk eine der wichtigsten Forderungen war. Unsere Straßen sind heute nicht mehr sicher. So ist es z.B. unmöglich mit dem Auto von der Stadt Kandahar im Süden nach Herat im Westen zu fahren oder von Kabul in die Provinz Baktia, die nur 100 km südlich der Hauptstadt liegt." (Bericht: Reuters)
Drittens: Die Taliban sind harte Kämpfer und kontrollieren heute zahlreiche Sicherheitsstellen im Land. Von diesem Aspekt her zeichnen sie sich durch einen hohen Grad an Stärke aus. Ihr Problem ist aber, dass sie, was ihr politisches Bewusstsein anlangt, nicht so stark sind. Vielmehr ist ihr Politikverständnis von Schwäche befallen. So waren sie während ihrer Regierungszeit in Afghanistan stark mit Musharrafs Pakistan verbunden. Und als man sie fragte, wie sie sich an Musharrafs Herrschaft in Pakistan binden konnten, wo dieser doch vollkommen loyal zu den Vereinigten Staaten steht, und ob sie sich nicht fürchteten, von den USA über Pakistan in den Untergang getrieben zu werden, war ihre Antwort, dass die Bindung Afghanistans an Musharrafs Regime trotz seiner Loyalität zu den Vereinigten Staaten ihnen nicht schaden würde, vielmehr würden sie diese für ihr Interesse ausnützen. Später zeigte sich, dass Musharraf den pakistanischen Boden und Luftraum den Vereinigten Staaten für ihren Überfall auf die Herrschaft der Taliban in Afghanistan zur Verfügung stellte.
Diese drei Punkte müssen gut verstanden werden, um die stattfindenden Zusammenkünfte, Gespräche und Kontakte mit den Taliban begreifen zu können. Diese Kontakte stellen kein Geheimnis mehr dar und finden auch nicht in heimlichen, geschlossenen Sitzungen statt. Vielmehr wurden sie bereits öffentlich gemacht. So hat Karsai selbst offen darüber gesprochen, ebenso der afghanische Botschafter zu den Vereinten Nationen und der saudische Außenminister. Schließlich kam es zur letzten Zusammenkunft am 30. 10. 2008 in Islamabad.
Obwohl die Taliban durch einige ihrer Verantwortlichen erklärten, dass sie keine Verhandlungen führen würden, solange die Besatzungskräfte noch im Lande sind, haben sie Zusammenkünfte mit der Karsai-Regierung nicht dementiert, auch wenn sie diese nicht als „Gespräche", „Verhandlungen" oder „politische Diskussionen" bezeichneten, sondern als „Treffen" und „normale Zusammenkünfte zum Abendessen". So hat der frühere Taliban-Botschafter in Pakistan Abdussalam Zaif der Nachrichtenagentur Reuters erklärt, dass vergangenen Monat Vertreter der Taliban nach Saudi-Arabien reisten und dort den saudischen König und afghanische Regierungsverantwortliche trafen. Er fügte hinzu, dass zwischen 15 und 16 Personen am Treffen teilnahmen, 7 bis 8 von ihnen waren ehemalige Verantwortliche der Taliban. Sie trafen auch mit König Abdullah zusammen, wobei sie bei dieser Zusammenkunft keine der politischen Themen Afghanistans besprachen. Auch der ehemalige Außenminister der Taliban, Wakil Ahmad Mutawakkil, erklärte: „Es fanden keine Friedensverhandlungen mit der afghanischen Regierung statt, obwohl es im letzten Monat zu einem Treffen in Saudi-Arabien kam, an dem auch afghanische Regierungsverantwortliche teilnahmen. Kein Taliban-Vertreter war dort anwesend. Es war nur eine normale, natürliche Zusammenkunft und ein Abendessen."
Obwohl die Vereinigten Staaten versuchten sich im Hintergrund zu halten, kam es doch zu einigen Berichten in der Presse, die auf die eine oder andere Weise offenlegen, dass sich die USA Richtung Verhandlungen bewegen. So erwähnte das „Wall Street Journal" am selben Tag des besagten Treffens, also am 30. 10. 2008, dass die Vereinigten Staaten über eine Teilnahme an den Gesprächen mit den Taliban nachdächten. Die Zeitung fügte hinzu: „Die neue Ausrichtung im amerikanischen Standpunkt wurde in einem Empfehlungsentwurf zusammengefasst, der aus einer geheimen Bewertung des Weißen Hauses für die amerikanische Strategie in Afghanistan hervorgegangen ist." Die Zeitung betonte auf ihrer Webseite, dass mit einer aktiven Teilnahme der Vereinigten Staaten zu rechnen sei.
Kurz gesagt fanden und finden Treffen statt. Bei der Zusammenkunft in Islamabad wurde erklärt, dass man sich auf die Aufnahme von Kontakten zu den Taliban geeinigt habe. Es sei geplant, dass das nächste Treffen in ca. zwei bis drei Monaten in Kabul stattfinden soll.
Wo werden diese Gespräche aber hinführen? Zu einem Rückzug der USA aus Afghanistan, zu einem Ende ihrer Hegemonie und der Rückkehr der Taliban an die Macht? Oder werden die Taliban zur Beteiligung an einer Regierung verleitet, die direkt oder indirekt loyal zu den Amerikanern steht?
Tatsache ist, dass die USA aus dem afghanischen wie auch aus dem irakischen Sumpf herauskommen möchten, nachdem sie in beiden Ländern Niederlagen und schwere Verluste hinnehmen mussten. Insbesondere werden auch ihre Bündnispartner zusehends nervös und äußern bereits lautstark ihren Unmut über einen unnützen Weiterverbleib in Afghanistan mit den damit verbundenen schlimmen Verlusten. Auch wird der Krieg im pakistanischen Waziristan und in den Stammesgebieten für die USA zusehends härter. Ein Friede mit den Taliban würde den Krieg gegen sie und ihre Agenten in Pakistan möglicherweise stoppen. Gleichzeitig wollen sie aber eine ihnen loyale Regierung in Afghanistan, mit der sie Abkommen schließen können, die ihnen ihren Einfluss und ihre Interessen wahrt und sie von der Last der Sicherheitsgewährleistung befreit. Und so haben die USA ihren Agenten in Pakistan und Afghanistan die Aufgabe übertragen, in ihrer Vertretung mit den Taliban zu verhandeln, um ihnen im Zuge dieser Verhandlungen das Gift in den Honig zu mischen.
Was die Taliban betrifft, so haben sie ihren Kampf gegen die Besatzungstruppen unter amerikanischer Führung mit dem Ziel begonnen, das Land von ihnen zu befreien und Afghanistan weit ab von jeder Gefolgschaft und Abhängigkeit ungläubiger Staaten gegenüber - allen voran den Vereinigten Staaten - zu regieren.
Der Eintritt der Taliban in Verhandlungen ist jedoch ein Eintritt in verschlungene Manöver, die sie nicht so gut beherrschen wie die USA mit ihren afghanischen und pakistanischen Vasallen. Es ist zu befürchten, dass sich die Taliban durch diese Mischung aus Gift und Honig, die ihnen im Zuge der Verhandlungen angeboten wird, ködern lassen. Sie könnten von den afghanischen und pakistanischen Unterhändlern Gutes annehmen und in die Verhandlungen mit dem Glauben eintreten, die Unterhändler seien anders als die Amerikaner selbst.
Der Eintritt der Taliban in Verhandlungen mit den afghanischen und pakistanischen Vasallen Amerikas, insbesondere unter Vermittlung der saudischen Herrscher, ist der erste Schritt auf gefährliches Pflaster. Sie nehmen von den saudischen Herrschern Gutes an, weil diese vorgeben, dem Islam nahe zu stehen, obwohl sie in Wirklichkeit dem Westen näher stehen und ihm gegenüber loyaler sind als dem Islam. Mit ihrem Eintritt in Verhandlungen treten die Taliban in die Gefilde von Abtretungen und Zugeständnisse ein, egal, wie man diese Verhandlungen bezeichnen mag. Ob es sich nun um „Treffen", „normale Zusammenkünfte", „Abendessen" oder Ähnliches handelt. All das stellt den Eintritt in Verhandlungen dar und die oben erwähnten Erklärungen des ehemaligen Botschafters sowie des Außenministers der Taliban weisen deutlich darauf hin. Beide Erklärungen räumen ein Treffen ein, nur nennen sie es nicht Verhandlungen oder Gespräche, sondern versuchen es durch eine bessere Wortwahl schöner darzustellen, um die Akzeptanz zu erleichtern.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die Taliban durch den Eintritt in Verhandlungen noch vor dem Rückzug der USA aus Afghanistan zu einer Beteiligung an einer Regierung verleitet werden sollen, die direkt oder indirekt mit den USA verbunden ist. Dabei ist es irrelevant, ob diese Verhandlungen direkt mit den USA oder über ihre Agenten geführt werden.
Wir bitten Allah, den Erhabenen, dass sich die Taliban nicht zu solchen Verhandlungen im Schatten der Besatzungsmacht verleiten lassen und dass sie durch die ihnen angebotene Mischung aus Gift und Honig nicht getäuscht werden. Die Taliban müssen die afghanischen und pakistanischen Regierungsverantwortlichen in derselben Weise betrachten wie die USA selbst. Sie müssen das Sicherheitsdilemma, das die USA umgibt, genau erkennen und es auch richtig ausnützen. Sie dürfen aber nicht zu Verhandlungen im Schatten der Besatzungsmacht verleitet werden, abgesehen davon unter welcher Bezeichnung diese geführt werden.