In einer Rede vor der Evangelischen Akademie Tutzing rief Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag, den 8. 7. 2007 die Europäer dazu auf, die europäischen Werte gegenüber den „Extremisten" und den „Feinden der Demokratie" zu verteidigen. Man muss keine große Phantasie besitzen, um zu erkennen, dass die Bundeskanzlerin mit dieser Aussage die Muslime gemeint hat, und zwar insbesondere jene, die sich zum Islam als Lebensordnung bekennen. Ebenso forderte Wolfgang Schäuble in einem Interview mit dem Spiegelmagazin eine Änderung im Grundgesetz, die so genannten „Gefährdern" die Nutzung von Internet und Mobiltelefonen untersagt. Auch dachte er laut über die Möglichkeit der gezielten Tötung (targeted killing) nach, um - wie er meint- den Sicherheitskräften zu ermöglichen, den „Krieg gegen den Terror" führen zu können.
Dies sind nur einige der neuesten Erklärungen europäischer Politiker. Nicht zu vergessen sind die bereits früher gegen Muslime ergriffenen Maßnahmen, wie das Verbot von Kopftuch oder Gesichtsschleier an einigen Orten. Ebenso wurden in manchen Ländern Diskussionen über ein Fremdsprachenverbot und die Legalisierung der Folter zum Erhalt von Informationen geführt. Auch werden Gesetze erlassen, um den Integrationsdruck auf Migranten zu erhöhen, und Anderes mehr.
Kehren wir aber mit unserem Gedächtnis in die Vergangenheit zurück. Genau genommen nach Spanien, wo mit den verschiedensten Maßnahmen und Mitteln eine brutale Inquisition betrieben wurde, um die islamische Präsenz dort ein für alle mal auszulöschen.
So ergingen im Jahre 1501 einige Erlässe mit folgendem Inhalt: In Granada mussten die Moscheen in Kirchen umgewandelt und alle islamischen Bücher verbrannt werden. Später wurde dies auf alle anderen Regionen des Landes ausgedehnt. Die arabische Sprache wurde verboten und die Waffen der Muslime konfisziert.
Im Jahre 1502 erging ein königlicher Erlass, der den Muslimen nur zwei Monate gewährte, um das Christentum anzunehmen oder das Land zu verlassen. Auf den öffentlichen Plätzen Granadas wurden tausende arabische Bücher verbrannt und Muslime aus dem Bayazin-Bezirk gegenüber der Alhambra zwangschristianisiert.
1508 wurde der königliche Erlass zum Verbot der islamischen Kleidung erneuert, und 1510 wurde den Muslimen, die als Mauren bezeichnet wurden, eine Sondersteuer auferlegt.
Im Jahre 1511 erneuerte die Regierung den Waffenverbotserlass, befahl die Verbrennung der restlichen islamischen Bücher und verbot das Schächten von Tieren.
Am 15.03.1524 wurde ein neuer Erlass bekannt gegeben, der die Zwangschristianisierung jedes Muslims anordnete, der noch an seinem Glauben festhielt. Wer sich der Christianisierung verweigerte, hatte unverzüglich das Land zu verlassen. Jeder, der sich dem Christianisierungsbefehl widersetzte oder das Land nicht verließ, wurde mit lebenslanger Leibeigenschaft bestraft. Ebenso wurde der Erlass zur Zwangsumwandlung jeder Moschee in eine Kirche erneuert.
Danach folgten weitere Erlässe. Einige verboten den Muslimen mit Gold, Silber und Edelsteinen sowie mit Seide zu handeln. Andere zwangen jeden Muslim, der weiter an seinem Glauben festhielt, ein blaues Zeichen an seiner Kappe zu tragen. Auch mussten sich Muslime anderen Erlässen zufolge auf der Straße niederwerfen, sobald ein Bischof vorbeizog. Ein weiterer Erlass befahl die Konfiszierung aller arabischen Bücher, ein andere das Verbot, Arabisch zu sprechen. Noch ein Erlass untersagte den Muslimen das Kopftuch zu tragen (kommt uns das etwa bekannt vor?). Auch ergingen Erlässe zur Schließung der öffentlichen Bäder, zum Verbot der islamischen Tracht, die durch die spanische zu ersetzen war, und die Änderung arabischer Namen in spanische. Es ergingen auch andere Erlässe, die jedes Zeichen islamischer Präsenz in Spanien auslöschten.
Diese Gesetze, die heute von westlichen Staaten erlassen werden, erinnern uns an die spanischen Erlässe, denn meistens beginnt die Verfolgung mit der Änderung von Verfassung und Gesetzen, um dafür eine legale Grundlage zu schaffen.
Was wir heute an Bestrebungen westlicher Länder erleben, Verfassungen und Gesetze zu ändern, sind Zeichen, die bei uns Fragen über die Zukunft der Muslime in diesen Ländern aufwerfen. Wird sich die spanische Inquisition wiederholen oder ist der Westen heute klüger als er es damals war?
Wir würden gerne glauben, dass der Westen klüger geworden ist, dass im Westen Menschenrechtsorganisationen existieren, die eine Wiederholung der spanischen Inquisition verhindern, und dass die meisten Erklärungen westlicher Politiker bloß Meinungen bleiben und nicht zu angewandten Gesetzen mutieren.
Dies könnte aber leicht passieren. Denn eine Erklärung heute kann morgen schon zu einem Gesetz werden. Dazu bedarf es nur eines Anschlags hier oder dort und schon ist aus der Erklärung ein implementierungspflichtiges Gesetz geworden.
Was garantiert uns eigentlich die Verhinderung einer neuerlichen Inquisition?
Haben uns etwa die rechtsstaatlichen Institutionen die Skandale von Guantanamo und Abu Ghreib erspart? Haben sie etwa das Verschleppen von Menschen verhindert und ihren Geheimtransport an Orte, wo sie gefoltert werden?
Wir wollen noch kein endgültiges Urteil treffen. Wir wollen nur die Öffentlichkeit zum Nachdenken bringen und uns fragen: Welche Richtung haben manche Politiker im Westen eingeschlagen? Wird sich die spanische Inquisition aufs Neue wiederholen?
DI Shaker ASSEM
Mediensprecher von Hizb-ut-Tahrir
im deutschsprachigen Raum