Montag, 21 Jumada al-thani 1446 | 23/12/2024
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بسم الله الرحمن الرحيم

Ersuchen wir Schutz vom System oder von Allah?

Das vergangene Jahr war für muslimische Minderheiten auf der ganzen Welt ein schwieriges Jahr. Wir konnten beobachten wie die offenkundigen Anfeindungen der Regierungen einiger Länder gegenüber den Muslimen zunahmen. Dies trifft beispielsweise auf Länder wie China und Indien zu. Gleichzeitig war zu beobachten, wie der Hass und die Angst gegenüber Muslimen in Europa und Nordamerika anstiegen. In Kanada konnten wir miterleben, wie die Feindseligkeiten gegenüber Muslimen zunahmen. So nahmen die Hassverbrechen gegen in Ontario lebende Muslime um etwa 207% zu. Viele Politiker auf der ganzen Welt bedienen sich einer nationalistischen und fremdenfeindlichen Rhetorik, um dadurch ihre politische Machtposition zu festigen. In solch schwierigen Zeiten finden wir einige innerhalb der muslimischen Gemeinschaften, die die Muslime dazu ermutigen, das Wohlergehen und die Interessen unserer Umma durch Partizipation und Engagement am politischen Prozess des Säkularismus zu schützen.

Während der ersten Zwischenwahlen nach Donald Trumps Amtseinführung kandidierten zwei muslimische Frauen, die sich infolgedessen einen Sitz im US-Repräsentantenhaus sichern konnten, indem sie von vielen Moscheen, islamischen Organisationen und den muslimischen Gemeinschaften unterstützt wurden.

In Kanada haben einige muslimische Organisationen die Muslime dazu ermutigt, sich ebenfalls „am demokratischen Prozess zu beteiligen“. Dieser Wunsch nach Engagement scheint darauf zu beruhen, dass man der Mehrheitsgesellschaft beweisen möchte, wie „kanadisch“ die Muslime in Kanada sind. Auf den Parkplätzen vieler Moscheen wurden Flaggenhiss-Zeremonien von den Moscheeverwaltungen organisiert. Weiterhin setzten sich die Moscheegemeinden für die Besänftigung von Lokalpolitikern ein. So bekam der Premier Ontarios, Doug Ford, während einer muslimischen Veranstaltung in Mississauga den Community Service Award überreicht. Was sind die Resultate derartiger Bemühungen durch die Muslime?

Es ist von vornherein schwierig zu behaupten, dass eine statistische Minderheit wie die Muslime in Kanada – die etwas mehr als 3% der kanadischen Bevölkerung ausmacht und in nur zwei oder drei Städten konzentriert angesiedelt ist – überhaupt konkret Auswirkungen auf die Wahlen hat. Jedoch sollte sich die eigentliche Diskussion rund um die politische Partizipation am demokratischen System nicht um diese Frage drehen.

Die Frage nach dem Schutz der Interessen der islamischen Umma ist, ebenso wie die Frage nach dem politischen Engagement der Muslime keine neutrale Frage, die losgelöst vom Glauben und religiösen Praktiken beantwortet werden kann. So sind die Interessen der islamischen Umma vom Islam klar definiert worden. Auch hat der Islam klar festgelegt zu welchen Mitteln die Muslime greifen dürfen, um sich selbst oder ihre Interessen zu schützen. Daher muss folgende Frage gestellt werden: Steht das Unterstützen säkularer Politiker, sowie das Vertrauen in diese im Einklang mit dem, was der Islam von uns fordert?

Zu den Grundüberzeugungen des Muslims gehört, dass nur Allah (t) zu schützen vermag und, dass er allein es ist, der uns unterstützt. So sprach der Gesandte Allahs (s):

«وَاعْلَمْ أَنَّ الأمة لَوْ اجْتَمَعَتْ عَلَى أَنْ يَنْفَعُوكَ بِشَيْءٍ لَمْ يَنْفَعُوكَ إِلاَّ بِشَيْءٍ قَدْ كَتَبَهُ اللَّهُ لَكَ وَلَوْ اجْتَمَعُوا عَلَى أَنْ يَضُرُّوكَ بِشَيْءٍ لَمْ يَضُرُّوكَ إِلاَّ بِشَيْءٍ قَدْ كَتَبَهُ اللَّهُ عَلَيْكَ»

“Und wisse, dass wenn die ganze Menschheit sich versammeln würde um dir zu helfen, so würde sie dir in keiner Angelegenheit helfen, außer in dem, was Allah für dich geschrieben (bestimmt) hat. Und wenn sie sich zusammentun würde, um dir zu schaden, so würde sie dir nur in dem Schaden zufügen, was Allah schon für dich geschrieben (bestimmt) hat. Die Stifte wurden hochgehoben und die Blätter sind getrocknet.” (at-Tirmiḏī)

Ist sich der Muslim dieser Überzeugung bewusst, so wird er sich in seinem Leben darauf konzentrieren, was ihm zu wahrem Schutz verhilft, nämlich die Beziehung zu seinem Schöpfer. Es gibt keine Kraft, die derart mächtig ist, dass sie etwas gegen Allah (t) ausrichten könnte, wenn Er sich dazu entschieden hat uns zu schützen. Demgegenüber können wir keinen Schutz erwarten, wenn Allah (t) entschieden hat, dass wir einen Schaden erleiden sollen.

Das bedeutet nicht automatisch, dass wir uns nicht praktischer Mittel bedienen um uns selbst zu schützen, da dies ein Teil unserer Verpflichtungen als Muslime ist. Uns Muslimen wurde anbefohlen unser Leben, unsere Familien und unser Eigentum vor Schaden zu bewahren. Ferner wurde uns anbefohlen die Schwachen und Unterdrückten zu schützen. Jedoch dürfen wir dies nur auf Wegen, die uns Allah (t) für erlaubt erklärte. Es wäre töricht auf den Schutz von Allah (t) zu hoffen, diesen Schutz jedoch gleichzeitig durch einen Akt des Ungehorsams Ihm gegenüber zu suchen.

Es muss auch unbedingt angemerkt werden, dass sich die Interessen der islamischen Umma nicht nur auf den Schutz unseres materiellen Vermögens oder den Schutz unseres Wohlbefindens beschränken. Vielmehr muss das Hauptinteresse der Muslime allerorts darin bestehen, das Rechte zu gebieten, das Verwerfliche zu verbieten und zur Botschaft des Islam aufzurufen.

Allah (t) sprach:

﴿كُنْتُمْ خَيْرَ أُمَّةٍ أُخْرِجَتْ لِلنَّاسِ تَأْمُرُونَ بِالْمَعْرُوفِ وَتَنْهَوْنَ عَنِ الْمُنْكَرِ وَتُؤْمِنُونَ بِاللَّهِ

Ihr seid die beste Gemeinschaft, die für die Menschen hervorgebracht worden ist. Ihr gebietet das Rechte und verbietet das Verwerfliche und glaubt an Allah. Und wenn die Leute der Schrift glauben würden, wäre es wahrlich besser für sie. Unter ihnen gibt es Gläubige, aber die meisten von ihnen sind Frevler.(3:110)

Damit wir aus Sicht Allahs (t) zur besten Gemeinschaft gehören, die für die Menschen hervorgebracht worden ist, müssen wir die von ihm beschriebenen Eigenschaften tragen. So erklärte ʿUmar b. al-Ḫaṭṭāb (r):

«مَنْ سَرَّهُ أَنْ يَكُونَ مِنْ تِلْكَ الْأُمَّةِ، فَلْيُؤَدِّ شَرْطَ اللَّهِ فِيهَا»

„Wer immer sich wünscht zu dieser gepriesenen Umma gehören zu dürfen, der soll jene Bedingungen erfüllen, die Allah (t) in ihr (dem Vers) beschreibt.“ (Ibn Kaṯīr)

Entspricht unser Verhalten in dem Moment, wo wir säkulare Politiker wählen und Kampagnen für sie ausrichten, dem islamischen Verständnis vom Schutz? Ist es zulässig, dass wir den Anordnungen unseres Schöpfers zuwiderhandeln, sofern wir dies zu unserem eigenen Schutz tun? Können wir die Interessen der islamischen Umma auf diese Weise effektiv durchsetzen? Können wir die Botschaft von der Gerechtigkeit und Rechtleitung des Islams durch derartige Handlungen vermitteln?

Es ist Politikern in einem säkularen System verboten, sich in Hinblick auf ihre politischen Entscheidungen auf das zu beziehen, was uns von Allah (t) als Offenbarung herabgesandt wurde. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei ihnen um muslimische oder nichtmuslimische Politiker handelt. Stattdessen haben sie sich auf Verfassungen, Rechtstheorien und ökonomische Konzepte zu beziehen, die den Launen und Wünschen des Menschen entsprangen.

Allah (t) warnte uns im Koran:

﴿وَمَنْ لَمْ يَحْكُمْ بِمَا أَنْزَلَ اللَّهُ فَأُولَئِكَ هُمُ الظَّالِمُونَ

Und wer nicht nach dem waltet, was Allah (als Offenbarung) herabgesandt hat, das sind die Ungerechten.(5:45)

Und auch sprach Er (t):

﴿وَمَنْ لَمْ يَحْكُمْ بِمَا أَنْزَلَ اللَّهُ فَأُولَئِكَ هُمُ الْفَاسِقُونَ

Und wer nicht nach dem waltet, was Allah (als Offenbarung) herabgesandt hat, das sind die Frevler.(5:47)

Diese Politiker bei ihrem Akt des Ungehorsams gegenüber Allah (t) zu unterstützen, indem man sich für sie einsetzt oder für sie abstimmt, bedeutet, dass man an ihrer Sünde – von Menschenhand gemachte Gesetze zu erlassen – teilhat. Welcher Schutz ist es wert, dass man dafür den Zorn Allahs (t) auf sich zieht? Welche Art von Sicherheit wäre es wert, dass wir für sie vor Allah (t) in Verruf geraten?

Wie können wir die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit des Islams angemessen vermitteln, und gleichzeitig jene unterstützen, die sich aktiv gegen die Verbreitung unserer Botschaft einsetzen? Wie können wir zum Beziehungssystem des Islam aufrufen, welches auf einer starken Familieneinheit und einer kompromisslosen Sittlichkeit aufbaut, gleichzeitig aber mit Politikern zusammenarbeiten, die egoistischen Individualismus, homosexuelle Beziehungen und Transgenderismus unterstützen? Wie können wir die islamische Vision einer Wirtschaft teilen, zu deren Zielen die gerechte Umverteilung der Reichtümer und wirtschaftliche Transaktionen im erlaubten Rahmen gehören, während wir uns gleichzeitig für Politiker einsetzen, die das rücksichtlose Wirtschaftssystem des Kapitalismus unterstützen. Dies, obwohl dieses System auf Schuldsklaverei, der Herrschaft von Spitzenunternehmen und der zunehmenden Konzentration der Reichtümer in den Händen einiger weniger basiert?

Wenn sich die Muslime für wahrhaftige Gerechtigkeit einsetzen wollen, dann sollten die Kanzeln (manābir) in den Moscheen ein Podium für die Vision des Islams von einer funktionierenden Gesellschaft sein, und keineswegs eine Bühne für säkulare Politiker, die ihrerseits nur versuchen Stimmen zu sammeln. Unsere Moscheen (masāǧid) sollten Zufluchtsorte für unsere Jugendlichen sein; Orte, an denen sie eine imanerfüllte Atmosphäre erwartet, und an denen sie etwas über die Rechtleitung Allahs (t) und die Sunna Seines Gesandten (s) lernen können. Keineswegs sollte man in ihnen die politischen Pläne jener präsentiert bekommen, die sich von der Rechtleitung Allahs (t) abwenden. Wir sollten uns für all jene aussprechen, die keine Stimme haben, und gleichzeitig die Abschaffung der Dienerschaft dem Menschen gegenüber fordern. Dies geschieht, indem wir sie durch die Dienerschaft gegenüber Dem Allerbarmer, Dem Allweisen Schöpfer ersetzen.

Diese Politiker sind nicht einmal imstande dazu, die offensichtlichsten unserer Interessen zu wahren. Sie sind viel eher ein Teil dieses ungerechten kapitalistischen Systems, welches die Waffen seines militärischen Industriekomplexes und seine finanziellen Sklaveninstrumente auf den Rest der Welt ausgerichtet hat – insbesondere aber auf die muslimischen Länder. Ilhan Omar wurde kürzlich als erste kopftuchtragende Frau ins Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten gewählt, wo sie den Kongresswahlbezirk von Minnesota vertritt. Vor wenigen Wochen sprach sie sich gegen die BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) aus, eine transnationale politische Bewegung, die sich dem Boykott der zionistischen Besatzer wegen ihrer Verbrechen an den Muslimen Palästinas widmet.

Allah (t) warnte uns:

﴿مَثَلُ الَّذِينَ اتَّخَذُوا مِن دُونِ اللَّهِ أَوْلِيَاءَ كَمَثَلِ الْعَنكَبُوتِ اتَّخَذَتْ بَيْتًا وَإِنَّ أَوْهَنَ الْبُيُوتِ لَبَيْتُ الْعَنكَبُوتِ لَوْ كَانُوا يَعْلَمُونَ

Das Gleichnis derjenigen, die sich anstatt Allahs Schutzherren nehmen, ist das der Spinne, die sich ein Haus genommen hat; das schwächste Haus ist fürwahr das Haus der Spinne, wenn sie (es) nur wüssten! (29:41)

Das Vertrauen in Allah (t) gehört zu den grundlegenden Eigenschaften eines Muslims und ist gleichzeitig eine Voraussetzung für den Glauben (īmān). Allah (t) sprach:

﴿وَعَلَى اللَّهِ فَتَوَكَّلُوا إِنْ كُنْتُمْ مُؤْمِنِينَ

Und vertraut auf Allah, wenn ihr gläubig seid.(5:23)

Ein Herz, welches sich nur auf seinen Schöpfer verlässt, hat keinen Platz für die Gier, die Doppelzüngigkeit, den Opportunismus und die Duckmäuserei, die für die säkulare Politik und ihre Politiker charakteristisch ist. Vielmehr verpflichtet sich das Herz eines Gläubigen zur Selbstlosigkeit, Aufrichtigkeit, Beständigkeit und zu einer unerschütterlichen Sittlichkeit. Dies sind Wesenszüge, die für den Gesandten Allahs (s), die rechtgeleiteten Kalifen und die Erneuerer (muǧaddidīn) dieser Umma charakteristisch sind. Sie alle setzten sich für die Wahrheit ein, selbst dann, wenn die Mehrheit der Menschen dagegen war. Kündigte der Gesandte Allahs (s) den Vertrag von Ḥudaibiya auf, nur weil dieser unbeliebt war? Änderte Abū Bakr seine Einstellung zu jenen, die sich weigerten die Zakāt zu entrichten, weil er sich davor fürchtete, dass er seine Machtposition hätte verlieren können? Im Gegensatz zu säkularen Politikern standen sie alle für die Wahrheit ein. Dies ist es, wofür Allah sie – und uns – zur Rechenschaft ziehen wird.

Eine Gemeinschaft, die sich in Sachen der Gesetzgebung stets auf das bezieht, was uns Allah (t) als Offenbarung herabgesandt hat – selbst dann noch, wenn skeptische Stimmen in Zeiten der Angst Zugeständnisse in Hinblick auf unsere Prinzipien fordern – baut auf guten Manieren (adab), guten Tugenden (aḫlāq), der Rechtleitung des Gesandten Allahs (s) und auf dem Vorbild seiner Gefährten (s) auf, die schlimmster Folter und dem Tod mit Mut, Standhaftigkeit, Mitgefühl und Überzeugung begegneten. Eine solche Gesellschaft wird in der Lage sein, als Kompass der Gerechtigkeit für die kanadische Gesellschaft als Ganzes zu fungieren, da sie aus den unterdrückerischen Systemen keinen Nutzen zieht. Vielmehr versucht sie sowohl den Unterdrücker, als auch den Unterdrückten rechtzuleiten.

Die Botschaft einer Umma, die sich in Hinblick auf das Lösen ihrer grundlegenden Probleme einzig auf ihren Herrn, und nicht etwa auf eine künstliche Lösung verlässt, wird in alle Ecken dieser Welt gelangen. Diese Botschaft ist ein Aufruf zur Wiederaufnahme der islamischen Lebensweise, die für die Gläubigen wie ein Schild, und zugleich ein Heiligtum für die Unterdrückten und Wahrheitssuchenden überall auf der Welt sein wird. Möge Allah die Rückkehr des Kalifats beschleunigen.

﴿وَلَنَبْلُوَنَّكُم بِشَيْءٍ مِّنَ الْخَوْفِ وَالْجُوعِ وَنَقْصٍ مِّنَ الْأَمْوَالِ وَالْأَنفُسِ وَالثَّمَرَاتِ وَبَشِّرِ الصَّابِرِينَ * الَّذِينَ إِذَا أَصَابَتْهُم مُّصِيبَةٌ قَالُوا إِنَّا لِلَّهِ وَإِنَّا إِلَيْهِ رَاجِعُونَ * أُولَٰئِكَ عَلَيْهِمْ صَلَوَاتٌ مِّن رَّبِّهِمْ وَرَحْمَةٌ وَأُولَٰئِكَ هُمُ الْمُهْتَدُونَ

Und Wir werden euch ganz gewiss mit ein wenig Furcht und Hunger und Mangel an Besitz, Seelen und Früchten prüfen. Doch verkünde frohe Botschaft den Standhaften, die, wenn sie ein Unglück trifft, sagen: "Wir gehören Allah, und zu Ihm kehren wir zurück." Sie sind es, denen Segnungen von ihrem Herrn und Erbarmen zuteilwerden, und sie sind die Rechtgeleiteten. (2:155-157)

Samstag, der 13. Rabīʿ al-Āḫir 1440 n. H.
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