Freitag, 20 Jumada al-awwal 1446 | 22/11/2024
Uhrzeit: (M.M.T)
Menu
Hauptmenü
Hauptmenü
  •   |  

بسم الله الرحمن الرحيم

Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen

Antwort auf eine Frage

Die Ereignisse in Kirgistan

Frage:

(…) Zu einem früheren Zeitpunkt am Freitag hatte das kirgisische Parlament dem Rücktritt des Präsidenten Sooronbay Jeenbekov zugestimmt und den vor einer Woche in der Hauptstadt Bischkek ausgerufenen Ausnahmezustand aufgehoben. (Yenisafak arabi, 16.10.2020) In der kirgisischen Hauptstadt kam es zu gewalttätigen Protesten, bei denen die Demonstranten die Kontrolle über das Regierungsgebäude erlangten und den Rücktritt des prorussischen Präsidenten Sooronbay Jeenbekov verlangten. Ihre Forderung wurde erfüllt. Was ist der Hintergrund der Ereignisse in Kirgistan? Wird Russlands Vormacht gerade aus diesem islamischen Land verdrängt? Und spielen die USA eine Rolle in diesem Konflikt? Ğazāk Allāhu ḫairan!

Antwort:

Um eine klare Antwort zu erhalten und die Realität der Geschehnisse in Kirgistan zu verstehen, muss Folgendes dargelegt werden:

Erstens: Die allgemeine Situation in Kirgistan

1. Kirgistan (oder Kirgisistan) ist eines der islamischen Länder Zentralasiens. Es grenzt heute an China, genauer an Ostturkestan, ebenso wie an die anderen zentralasiatischen islamischen Länder Kasachstan, Usbekistan und Tadschikistan. 1876 musste sich Kirgistan dem russischen Zarenreich unterwerfen. Es kam zu zahlreichen Rebellionen gegen die russische Besatzung. Russland gelang es jedoch, sie alle auszuzehren. Später wurde es zu einer Unionsrepublik der Sowjetunion, was bedeutet, dass das Land von 1876 bis 1991 direkt von Moskau regiert wurde. Nach dem Zerfall der Sowjetunion erklärte Kirgistan seine Unabhängigkeit. Doch da die politische Elite Kirgistans ihre Loyalität zu Russland im Grunde schon mit der Muttermilch aufgesogen hatte, blieb Russlands Hegomonie auch nach der Unabhängigkeit weiter vorhanden.

2. Kirgistan wurde seit seiner Unabhängigkeit von den Führern der dortigen Kommunistischen Partei weiterregiert, nachdem diese andere Masken aufgesetzt und Parteien unter diversen anderen Namen gegründet hatten. Sie unterstanden dem direkten Befehl Moskaus. Doch die Schwächephase, die Russland in den 1990er Jahren befiel und in der sich das Land zurückzog, verschaffte den USA die Möglichkeit, einen gewissen Zugang zu den politischen Vertretern Kirgistans zu finden. Und mit dem Aufstieg der Neokonservativen in der Bush Junior-Ära sowie dem von den USA proklamierten Krieg gegen den Islam und des Beginns der US-geführten Kriege gegen Afghanistan und den Irak, gelang es den Amerikanern, einen Fuß in Zentralasien zu setzten und Beziehungen zu dessen Regenten und politischen Kräften aufzubauen. Im Zuge dessen errichteten sie zur Unterstützung der US-Armee in ihrem Krieg gegen Afghanistan den Militärstützpunkt Manas nahe der Hauptstadt Bischkek.

3. Zwischen 2003 und 2009 versanken die USA im irakischen Morast. Gleichzeitig kehrte, nachdem Wladimir Putin in Moskau die Macht übernahm, eine gewisse Vitalität in die Regierung Russlands zurück. Dadurch waren die USA 2014 gezwungen, ihre Militärbasis Manas nahe Bischkek aufzugeben. Russland hingegen baute seine Militärbasis in Kirgistan weiter aus, die 2003 errichtet worden war. 2015 kündigte Kirgistan seine Vereinbarungen mit den USA auf. Der kirgisische Regierungschef Temir Sarijew wies seine Regierung an, die 1993 geschlossene bilaterale Vereinbarung mit den USA aufzulösen. In einer Erklärung teilte die Regierung mit, dass das Abkommen vom 20. August an seine Gültigkeit verliert. (Aljazeera.net, 22.07.2020) Und somit gelang es Russland, den US-Einfluss aus Kirgistan vollständig zu entfernen. Russland hatte Kirgistan in die Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS, engl. CSTO) bereits seit dessen Entstehung auf den Ruinen der Sowjetunion 1992 aufgenommen. Es blieb dort auch Mitglied, selbst in den Phasen, in denen die USA Einfluss auf Bischkek nehmen konnten. Zudem ist Kirgistan seit 2014 Mitglied in der Eurasischen Wirtschaftsunion.

4. Was die lokalen Verhältnisse betrifft, so ist in der politischen Kaste Kirgistans die Korruption stark verbreitet, wie es für die meisten Nachfolgerepubliken der Sowjetunion typisch ist. Der Konkurrenzkampf um die Macht schlägt daher schnell in schwere Auseinandersetungen um, bei denen es den Rivalen darum geht, die Reichtümer der Umma abzusahnen. Jegliches Verantwortungsempfinden für die Bürger verschwindet dabei völlig. Das lässt das Volk verwirrt und führerlos zurück. Und da Korruption so tief verwurzelt ist, revoltierte es 2005 gegen den damaligen Präsidenten Akajew, der dort seit der Unabhängigkeit regiert hatte und anschließend nach Russland floh. 2010 rebellierte das Volk abermals, angetrieben von einer starken Welle des Zorns, diesmal gegen Präsident Bakijew. Es kam zu gewalttätigen Ausschreitungen, die zum Tod dutzender Menschen führten. Die Protestwelle endete mit einem Putsch der Sicherheitskräfte gegen Präsident Bakijew, der in den Süden des Landes floh und anschließend das Land in Richtung Kasachstan verließ. Daraufhin wurde Otunbajewa zur Interimspräsidentin ernannt.

5. Obwohl Russland in Zentralasien eine aufgehetzte Atmosphäre gegen den Islam und die Muslime schuf und die verlängerten Arme Moskaus und noch dazu Zöglinge aus der Sowjetzeit an der Macht waren, verbreitete sich nichtsdestotrotz in Kirgistan erneut das islamische Denken, und zwar kurz vor der Unabhängigkeit und dann danach. Besonders aktiv war dabei Hizb-ut-Tahrir mit seinem Aufruf zur Einführung der Herrschaft des Islam und zur Errichtung des islamischen Kalifats. Seine Aktivitäten erregten Aufmerksamkeit, besonders in den südlichen, geographisch zum Ferghanatal gehörenden Regionen. Und das, obwohl die kirgisischen Behörden auf Weisung des islamfeindlichen Staates Russland mit extremer Härte gegen die Aktivitäten von Hizb-ut-Tahrir vorgingen, wie auch der Tyrann Usbekistans und die Despoten der übrigen Ländern Zentralasiens. Trotzdem blieb der islamische Einfluss sowohl in Kirgistan als auch in zahlreichen anderen Gebieten Zentralasiens auffallend groß, obwohl Russland und seine Erfüllungsgehilfen den Islam massiv angriffen.

Zweitens: Die jüngsten Unruhen in der Hauptstadt Bischkek

1. Präsident Sooronbay Jeenbekov, der das Land seit 2017 anführte, hatte den Plan geschmiedet, bei den Parlamentswahlen die Mehrheit der Sitze zu gewinnen. Damit wollte er eine Verfassungsänderung erwirken, um nach Ablauf seiner regulären Amtszeit ein zweites Mal kandidieren zu können. Denn nach derzeitiger Verfassung gilt nur eine einzige, sechsjährige Amtszeit für den Staatspräsidenten. Nach den letzten Parlamentswahlen vom 04.10.2020 wurde dann auch ein überragender Sieg der Jeenbekov-nahen und ihm gegenüber loyalen Parteien verkündet. Lediglich vier von sechzehn Parteien schafften die Sieben-Prozent-Hürde zum Einzug ins Parlament. Das heißt, das neue Parlament mit 120 Sitzen sollte sich, so Jeenbekovs Plan, vornehmlich aus den ihm nahestehenden Parteien zusammensetzen. Die zentrale Wahlkommission in Kirgistan gab bekannt, dass vier von sechzehn politischen Parteien, die an den Wahlen teilgenommen hatten, ins neue Parlament mit 120 Sitzen, einziehen werden. Das führte dazu, dass die zwölf nicht im Parlament vertretenen Parteien aus Protest gegen die Ergebnisse demonstrierten. (Daily Sabah, 06.10.2020) So sah der Plan aus, der die übrigen gescheiterten Parteien ihrer politischen Rechte berauben sollte. Die zwölf unterlegenen Parteien gaben ein gemeinsames Statement ab, in der sie mitteilten, dass sie die Wahlergebnisse nicht anerkennen. (TRT Arbabic, 06.10.2020)

2. Schließlich strömten die Unterstützer der politischen Parteien, die die Wahlergebnisse nicht akzeptierten, bereits in den frühen Morgenstunden auf den Ala-Too-Platz und in die Umgebung des Hauptregierungsgebäudes. Daraufhin begannen wütende Menschenmengen die Regierungsgebäude zu stürmen und schafften es tatsächlich, das Parlamentsgebäude und das Präsidialbüro zu beschlagnehmen. Darüberhinaus stürmte ein Teil der Massen die Gefängnisse und ließen bestimmte Gefangene frei. Auch das Hauptquartier des Nationalen Sicherheitskomitees in Bischkek wurde angegriffen und Ex-Präsident Atambajew befreit, der wegen Korruptionsvorwürfen eine elfjährige Haftstrafe absaß. Auch Sadyr Japarov wurde freigelassen, den ein Gericht im Eilverfahren vom Vorwurf der Geiselnahme aus dem Jahr 2013, wegen dem er im Gefängnis saß, freisprach. Parallel zu den Protesten in der Hauptstadt brachen ebenfalls in den Zentren der verschiedenen Regionen Massenproteste aus, in denen die Regierung verurteilt und der Präsident zum Rücktritt aufgefordert wurde. In den südlichen Regionen des Landes gingen einige pro-Jeenbekow Demonstranten auf die Straße, die jedoch nicht an den Umfang der Demonstrationen herankamen, die den Rücktritt des Präsidenten forderten.

3. Die Heftigkeit der Proteste versetzte den Staat in Angst. Sowohl der Premierminister als auch der Parlamentspräsident reichten daraufhin ihren Rücktritt ein ebenso wie die Regierungschefseiniger Regionen. Präsident Jeenbekov verschwand von der Bildfläche und mit ihm verschwanden auch die Kräfte der Sicherheitsdienste von den Straßen. Über das Internet und von unbekanntem Ort meldete sich der Präsident dann immer wieder zu Wort. Er habe die Sicherheitsdienste angewiesen, sich den Demonstranten nicht entgegenzustellen, lautete seine Erklärung. Die Opposition bezichtigte er des Umsturzes und der Ergreifung der Macht. Doch er sei zu Kompromissen bereit und forderte die zentrale Wahlkomission auf, die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen zu untersuchen und, falls nötig, die Wahlergebnisse zu annullieren, was die Kraft der Proteste aufzeigt, die sich gegen ihn richteten. Die politischen Parteien forderte Jeenbekov auf, Geduld zu zeigen und an die jungen Menschen wandte er sich mit den Worten: „Ihr habt gezeigt, dass der Wert Kirgistans größer ist als der Kampf um die Macht, und das durch Handlungen und nicht durch Worte. Unser Ziel ist die Bewahrung von Frieden und Sicherheit in unserem Land. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit geeinten Kräften aus dieser Krise herauskommen werden.“ Dann ergänzte er: „Ich danke den jungen Leuten, die nicht aufgehört haben, ihrer Verantwortung für das Land gerecht zu werden.“ (AR Haberler.com, 07.10.2020)

4. Schließlich erklärte die zentrale Wahlkommission das Wahlergebnis für ungültig. Die Oppositionsparteien bildeten daraufhin den Koordinationsrat der Oppositionskräfte in einer Dringlichkeitssitzung des Parlaments, die in einem Hotel der Hauptstadt abgehalten wurde. Dort wurde Sadyr Japarov zum neuen Premierminister ernannt. Es handelt sich um jenen Mann, der während der Proteste aus dem Gefängnis befreit wurde. Sadyr Japarov wurde nach einer Abstimmung in einer Dringlichkeitssitzung zum neuen Regierungschef ernannt. Er ersetzt den vorangegangenen Premierminister Kubatbek Boronov, der seinen Rücktritt eingereicht hatte. Der Rat fügte hinzu, dass das jetzige Parlament seine Arbeit so lange fortsetzen werde, bis ein neues Parlament gewählt wird. (RT, 07.10.2020) Am heutigen Mittwoch nahmen mehr als 80 der 120 Abgeordneten an einer Sondersitzung des Parlaments teil, in der sie einstimmig für die Ernennung Jabarovs ins Amt mit seiner vorgeschlagenen Regierung votierten. Anschließend unterzeichnete Jeenbekov das Dekret, die die Ernennung Jabarovs als Premierminister und seine Regierung bestätigte, so die Erklärung des Präsidialamtes. (Al-Mayadin, 14.10.2020)

5. Am heutigen Freitag stimmte das kirgisische Parlament dem Rücktritt des Präsidenten Soornabai zu und hob den vor einer Woche in Bischkek ausgerufenen Ausnahmezustand auf. An der Sitzung, in der der Rücktritt des Präsidenten und die Aufhebung des Ausnahmezustandes einstimmig beschlossen wurden, nahmen neben Jeenbekov und Premierminister Sadyr Jabarev auch Parlamentspräsident Kanatbek Isajew teil. Vor der Abstimmung hielt Jeenbekov seine letzte Rede vor den Parlamentsabgeordneten. Dort erklärte er, dass sein Verzicht auf das Amt dazu diente, den Frieden im Land zu bewahren und die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. (Yenisafak Arabic, 16.10.2020) Und so konnte Kirgistans Premierminister Sadyr Japarov seine Macht festigen, nachdem Sooronbay Jeenbekov gestern seinen Rücktritt „eingereicht“ hatte. Er versprach, die Außenpolitik des Landes aufrechtzuerhalten. Japarov sagte am heutigen Freitag vor dem Parlament: „Ich danke Allah, dass der Machtwechsel friedlich erfolgt ist. (…) Ich werde mich höchstmöglich anstrengen, die Außenpolitik und andere wichtige Richtungen zu bewahren.“ (Sputnik, 16.10.2020)

Drittens: Der russische Einfluss in Kirgistan

1. Der Einfluss Russlands in Kirgistan gilt als stark und weit verzweigt. Moskau baute in Kirgistan einen Militärstützpunkt zur gleichen Zeit auf, zu der auch die USA ihre Militärbasis in dem zentralasiatischen Staat errichteten. Moskaus Einfluss war also nie verschwunden, auch nicht in der Phase, in der es den Amerikanern gelungen war, einen gewissen Einfluss auf Kirgistan auszüben. Russland hatte seinen Militärstützpunkt 2003 errichtet. Die russische Air Base Kant in Kirgistan wurde im Oktober 2003 als Flugkomponente der gemeinsamen schnellen Eingreiftruppe der Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (CSTO) eröffnet. Ihre Hauptaufgabe ist die Luftdeckung der Bodenoperationen des CSTO. Der Stützpunkt ist ausgestattet mit Kampflugzeugen des Typs Suchoi Su-25 und Hubschraubern des Typs Mi-8. (RT, 28.03.2020) Am selben Tag, dem Donnerstag, unterzeichneten Moskau und Bischkek während des Besuchs des russischen Präsidenten Wladimir Putin in der kirigisischen Hauptstadt ein Protokoll, mit dem Modifizierungen an dem bilateralen Abkommen bezüglich der russischen Militärbasis in Kirgistan vorgenommen werden sollen. Der Berater des russischen Präsidenten Juri Uschakow sagte dazu: „Es wurden mehrere Vereinbarungen unterzeichnet, darunter die Unterzeichnung eines Papieres zur Modifizierung der Übereinkunft von 2012 über den Status und die Bedingungen der Stationierung der russischen Militärbasis in Kirgistan.“ Der russische Präsident Wladimir Putin sagte seinerseits: „Die russische Militärbasis in Kirgistan ist ein wichtiger Faktor für Sicherheit und Stabilität in Zentralasien und trägt zur Verteidigungsfähigkeit Kirgistans bei.“ Dieser Stützpunkt umfasst Suchoi-Kampfflugzeuge und Mi-8-Hubschrauber. (Zeitung Al-Dustur, 28.03.2020) So war Kirgistans ehemaliger Präsident Jeenbekov gegenüber Russland durch und durch loyal. Er kooperierte mit Moskau im Rahmen des Vertrages über kollektive Sicherheit und war den Russen in allem zu Willen, was die Weiterentwicklung der Militärbasis betraf.

2. Doch Russland hatte die starke Befürchtung, dass die eine oder andere Oppositionspartei mit Kontakten zu den USA in Bischkek die Zügel in die Hand bekommt und so der alleinige Einfluss Russlands unterminiert wird. Obgleich Moskau zu den meisten Oppositionsparteien Kirgistans Beziehungen pflegt, um sicherzustellen, dass sich keine gegen Moskau wendet, und trotz der Tatsache, dass einige dieser Parteien Russland-treu sind und sich nicht außerhalb der russischen Einflusssphäre bewegen, observiert Russland den dortigen Machtkampf sehr genau. Es versucht, eine Einmischung externer Kräfte zu verhindern und hält die Zügel im Bereich der Sicherheitsdienste, die in kritischen Momenten eingreifen könnten, fest in der Hand. Russlands Präsident Wladimir Putin erklärte am heutigen Mittwoch, dass Moskau mit allen Konfliktparteien in Kontakt stehe und sich die baldige Rückkehr des demokratischen Prozesses erhoffe. (Aljazeera.net, 07.10.2020). Was die Ängste Russlands zusätzlich verstärkt, ist, dass es auch unter den Moskau-treuen Kräften phasenweise zu schweren Auseinandersetzungen kommt, besonders zuletzt , nachdem Präsident Sooronbay Jeenbekov, der das Land seit 2017 führte, versucht hat, die Wahlergebnisse zu manipulieren, um ein zweites Mal nach Ablauf der regulären Amtszeit, zu kandidieren. Russland fürchtet die Unruhen, besonders dann, wenn Wahlmanipulationen an die Öffentlichkeit gelangen. Eine solche Entwicklung könnte von Amerikas Gefolgsleuten, auch wenn es sich um relativ wenige handelt, instrumentalisiert werden und Russland in Verlegenheit bringen.

3. Die grundsätzliche Position Russlands ist, Proteste abzulehnen, die sich gegen Moskau-treue Präsidenten richten. Das ist die prinzipielle Position. Es sei denn, Russland ist gezwungen, sich zur Wahrung seiner Interessen gegensätzlich zu verhalten. Denn Russland würde es nie zulassen, dass ihm die Kontrolle über die Situation entgleitet. Nach Ansicht des Kremls heute durchlebt dieses Land einen Zustand von Chaos. Der Sprecher des russischen Präsidialamtes Dmitri Peskow erklärte, Russland habe die Verpflichtung, den vollständigen Zusammenbruch der Lage in Kirgistan zu verhindern. (Aljazeera.net, 08.10.2020) Und Russland, das die kirgisischen Sicherheitsdienste kontrolliert, würde es nicht zulassen, dass Parteien mit Kontakten zu den USA und deren Gefolgsmänner die Szenerie in Bischkek beherrschen. So hielt Russland Präsident Jeenbekovs Zepter in der Hand. Dieser stellte den Verzicht auf sein Amt in Aussicht, ohne wirklich zurückzutreten, bis Russland dies nach eigenen Interessen beschloss. Daher entsandte es den stellvertretenden Chef der Präsidialverwaltung des Kreml, Dmitri Kozak, diese Woche nach Kirgistan, um mit Jeenbekov und Japarov Gespräche zu führen und die Lage genau zu erörtern. Die russische Botschaft erklärte am gestrigen Dienstag, „die wesentliche Rolle des Staatsoberhauptes“ sei die Sicherung der künftigen Entwicklung Kirgistans. Dies wurde während des Besuchs Kozaks bekräftigt. (Al-Mayadin, 14.10.2020) All das geschah, damit Russland die nötigen Maßnahmen ergreifen kann. Doch trotz allem ist es unwahrscheinlich, dass Russland direkt militärisch interveniert. Es ist nach wie vor der Meinung, dass seine Gefolgsmänner durchaus imstande seien, die Lage in den Griff zu bekommen. Auch seien die Sicherheitskräfte in seiner Hand, die – wenn gewünscht - auf ein Zeichen Russlands hin einen Präsidenten durch einen anderen, Moskau-nahen Präsidenten austauschen können. Schließlich zählen viele der politischen Kräfte zu Russlands Getreuen!

4. Nun, da sich die Proteste verstärkt hatten, war Russland der Meinung, dass der kirgisische Präsident zur „Beruhigung der Lage“ der Ernennung Japarovs zum neuen Regierungschef zustimmen müsse, nachdem das Parlament für Japarovs Rückkehr an die Macht am 14.10.2020 votiert hatte. Das geschah kurz nachdem er von seinen Anhängern aus dem Gefängnis befreit wurde. Dort saß er wegen einer elfjährige Haftstrafe ein. Am heutigen Mittwoch kamen 80 von 120 Abgeordneten zu einer außerplanmäßigen Parlamentssitzung zusammen, in der sie einstimmig für die Ernennung Japarovs und der von ihm vorgeschlagenen Regierung votierten. Anschließend unterzeichnete Jeenbekov laut Präsidialerklärung das Dekret der Ernennung Japarovs zum Premierminister und der Einsetzung seiner Regierung. (Al-Mayadin, 14.10.2020)

5. Am heutigen Freitag stimmte das kirgisische Parlament dem Rücktritt des Präsidenten Sooronbay zu und hob den vor einer Woche in Bischkek ausgerufenen Ausnahmezustand auf. An der Sitzung, in der der Rücktritt des Präsidenten und die Aufhebung des Ausnahmezustandes einstimmig beschlossen wurden, nahmen neben Jeenbekov und Premierminister Sadyr Japarov auch Parlamentspräsident Kanatbek Isajew teil. Vor der Abstimmung hielt Jeenbekov seine letzte Rede vor den Parlamentsabgeordneten. Dort erklärte er, dass sein Verzicht auf das Amt dazu diene, den Frieden im Land zu wahren und die Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. (Yenisafak Arabic, 16.10.2020) Und so konnte Kirgistans Premierminister Sadyr Japarov seine Macht festigen, nachdem Sooronbay Jeenbekov gestern seinen Rücktritt „eingereicht“ hatte. Er versprach, die Außenpolitik des Landes aufrechtzuerhalten. Japarov sagte am heutigen Freitag vor dem Parlament: „Ich danke Allah, dass der Machtwechsel friedlich erfolgt ist. (…) Ich werde mich höchstmöglich anstrengen, die Außenpolitik und andere wichtige Richtungen zu bewahren.“ (Sputnik, 16.10.2020)

Viertens: Die Rolle der USA

1. Der Standpunkt der USA war deutlich, nämlich die Ereignisse rund um die Wahlen auszunutzen, um Russland und die kirgisischen Autoritäten zu kompromittieren. So haben die USA alle Seiten in Kirgistan eindringlich zur Zurückhaltung und zu einer friedlichen Lösung aufgerufen. Sie äußerten sich besorgt angesichts von Praktiken, die die Wahlen trübten und zu großen Protesten führten. Der Sprecher des US-Außenministeriums sagte gegenüber der französischen Nachrichtenagentur: „Wir rufen alle Parteien dazu auf, auf Gewalt zu verzichten und den Konflikt um die Wahlen mit friedlichen Mitteln zu lösen.“ Das US-Außenministerium gab an, dass eine von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa unterstützte Beobachtungskommission zu dem Schluss gekommen sei, dass es glaubwürdige Informationen über den Kauf von Wahlstimmen gebe, der die Wahlen trübt. (Aljazeera.net, 07.10.2020) Das bedeutet, dass die neuen Umstände in Kirgistan, die politisch noch nebulös sind, den USA das passende Ambiente schaffen, um einen Fuß ins Land zu setzen. Die Amerikaner haben zweifellos Kontakte zu einigen Oppositionskräften. Anfang dieses Jahres wurde den USA vorgeworfen, 60 Millionen Dollar zur Unterstützung von Parlamentskandidaten und Verbänden in bar gezahlt zu haben, damit ihre Gefolgsmänner einen gewissen Einfluss erlangen. Daneben wurden weitere Finanzmitteln von der George Soros-Stiftung ausgegeben, um das Land, in dem der russische Einfluss dominiert, zu destabilisieren. All diese Gelder flossen ohne das Wissen der Regierung Jeenbekovs, wie es die Website von al-waqt Enterprise am 10. 01.2020 berichtete.

2. Zwar haben die USA ihre Gefolgsmänner innerhalb der kirgisischen Opposition. Doch sind sie von geringer Zahl, die bis heute keinen Einfluss auf die Beendigung der russischen Hegemonie in Kirgistan hat. Allerdings sind sie aktiv dabei, jede Unstimmigkeit unter Moskaus Gefolsgleuten, die um die Macht ringen, auszunutzen. Und fast wären sie erfolgreich gewesen, hätten die Russen nicht Jeenbekov befohlen, abzutreten, damit sich die Lage beruhigt. Die Russen sind bestrebt, jemand anderen von ihrem Männern einzusetzen, und das nach Wahlen, die unter den Augen und Ohren Moskaus abgehalten werden!

Fünftens: Schlussbetrachtung

1. Der Machtkampf in Kirgistan ist in erster Linie ein lokaler Konflikt und auf mangelnde Reife in der Herrschaftsmentalität der politischen Akteure in diesem muslimischen Land zurückzuführen. Aufgrund dessen brechen Streitigkeiten und Konflikte aus, die im Wesentlichen ethnisch, regional oder tribal begründet sind. Die Oppositionsparteien und die Loyalitäten, auch wenn ihnen allgemeine Namen gegeben werden, lassen sich von Kennern unterscheiden, sodass man zwischen deren Tendenzen differenzieren kann. Über einen ethnischen, regionalen oder tribalen Kern gehen sie nicht hinaus. Dieser Konflikt, wie er sich in diesem Zustand darstellt, bezweckt nicht, den übergroßen Einfluss Russlands aus dieser kleinen Republik zu verdrängen. Russland fürchtet sich vielmehr vor den Kontakten Amerikas zu einigen oppositionellen Seiten im Schatten der chaotischen Lage, die nach der Verkündung der Wahlergebnisse entstanden war und davor, dass die Amerikaner erneut einen Fuß ins Land bekommen, nachdem es Russland mit größter Kraftanstrengung gelungen war, die USA aus Kirgistan heraus zu drängen. Moskau wollte nicht, dass die USA wieder an Einfluss gewinnen, der ihnen ermöglichen könnte, in Kirgistan und Umland gegen Russland vorzugehen.

2. Der Zustand der Muslime in Kirgistan und anderswo wird so bleiben wie er ist, solange die Herrscher des Bösen regieren, die die Umma von einem Abgrund in den nächsten stürzen und sich um nichts anderes kümmern, als um ihre persönlichen Interessen. Herrschaft betrachten sie als Beute und sie haben nicht den geringsten Blick für die Betreuung der Umma, die sie ja aufstellt oder zu ihrer Aufstellung durch den ungläubigen Kolonialisten schweigt. Dieser Zustand wird so lange anhalten, bis sich die Umma gemeinsam mit dem stärkeren Teil von ihr erhebt, diese Herrscher hinausjagt, die Wurzeln des kolonialistischen Ungläubigen aus den muslimischen Ländern herausreißt, ihren Staat, das Kalifat, auf Grundlage ihres dīn, ihrer Lebensordnung, erbaut und einen Führer einsetzt, der sie mit dem regiert, was Allah herabgesandt hat, und ihr beisteht, um ein würdevolles Leben zu führen und mit Allahs Erlaubnis ins Paradies einzukehren.

(يَغْفِرْ لَكُمْ ذُنُوبَكُمْ وَيُدْخِلْكُمْ جَنَّاتٍ تَجْرِي مِنْ تَحْتِهَا الْأَنْهَارُ وَمَسَاكِنَ طَيِّبَةً فِي جَنَّاتِ عَدْنٍ ذَلِكَ الْفَوْزُ الْعَظِيمُ * وَأُخْرَى تُحِبُّونَهَا نَصْرٌ مِنَ اللَّهِ وَفَتْحٌ قَرِيبٌ وَبَشِّرِ الْمُؤْمِنِينَ)

Er wird euch eure Sünden vergeben und euch in Gärten führen, durch die Bäche fließen, und in gute Wohnstätten in den Gärten Edens. Das ist wahrlich der große Gewinn! Und dazu noch etwas, das ihr liebt: Beistand von Allah und naher Sieg! So verkünde den Gläubigen die Frohbotschaft! (61:12-13)

1. Rabīʿ al-Auwal 1442 n.H.
18.10.2020 n.Chr.
Nach oben

Seitenkategorie

Links

Die westlichen Länder

Muslimische Länder

Muslimische Länder