Germanische Mythen
- |
Aufgrund der gegenwärtigen Terrorgefahr sinnieren deutsche Politiker eifrig über wirkungsvolle Maßnahmen, um der diffusen Bedrohungslage endlich Herr zu werden. Mit Hilfe einer recht fundierten Analyse hinsichtlich der Terrorursachen und einer möglichen Prävention konzipierten die Unions-Innenminister kürzlich einen ersten Lösungsansatz in Form eines Sicherheitspakets.
Wilayat Syrien: Stille demonstration in Sahmata gegen die feindlichen Kampftruppen als auch gegen die Ahrar
- |
Wilayet Syrien:Wochenrückblick für die letzten 2 Wochen in September 2016
- |
Die Türkei und ihre Beziehungen zu den Nachbarn
- |
Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen
Antwort auf eine Frage
Die Türkei und ihre Beziehungen zu den Nachbarn
Frage
Am 13/7/2016 erklärte der türkische Premierminister, dass die Türkei ihre Beziehungen zu Syrien normalisieren werde. So brachte „Zaman-Arabi“ am 13/7/2016 folgende Nachricht heraus: Der türkische Premierminister erklärte, dass die Türkei seine Beziehungen zu Syrien normalisieren werde. Was ist nun das Motiv hinter dieser plötzlichen Änderung der türkischen Politik gegenüber Syrien ins vollständige Gegenteil? Ist es eine türkisch-syrische Versöhnung? Oder ist es die amerikanische Politik, die die türkische steuert?
Antwort:
Damit die Antwort auf die gestellten Fragen klar wird, führen wir folgende Punkte an:
Erstens: Die Rede von einer türkisch-russischen Versöhnung begann, als Binali Yildirim die Ministerpräsidentschaft übernahm und Davutoğlu zurücktrat bzw. abgesetzt wurde. So erwähnt „turkey-post.net“ am 4/6/2014, also ungefähr 10 Tagen nachdem Erdogan Yildirim am 22/5/2016 mit der Regierungsführung beauftragt hatte, Folgendes: Binali Yildirim erklärte, dass die neue Regierung die Bemühungen fortsetzen werde, um die Beziehungen zu Russland zu normalisieren. Auch werde sie die Zusammenarbeit mit dem Iran intensivieren. Im Regierungsprogramm heißt es wörtlich: Die Türkei wird die Bemühungen zur Normalisierungen der Beziehungen zu Russland auf dem Wege des Dialogs fortsetzen. Im Juni 2016 intensivierten sich dann die Kontakte. Anschließend begannen sich die Dinge in einer erstaunlichen und verdächtigen Weise zu offenbaren. Ein Aufsehen erregendes Tempo war zu beobachten und widersprüchliche Erklärungen wurden vernommen. Nun zu den Einzelheiten:
1. Das Aufsehen erregende Tempo bei der Kehrtwende: Wie in deiner Frage erwähnt, hat sich die türkische Position ins Gegenteil gekehrt. Und zwar ganz offen und unverblümt:
a) Nachdem die Türkei erklärt hatte, dass der russische Kampfjet in den türkischen Luftraum eingedrungen sei und Russland deshalb keine Entschuldigung verdiene, kam es dennoch am 27/6/2016 zur türkischen Entschuldigung: Kremlsprecher Dimitri Peskov sagte, dass „der türkische Präsident sein innigstes Mitgefühl und sein tiefstes Beileid der Familie des russischen Piloten ausgedrückt und sich entschuldigt habe“. Er fügte hinzu, dass Erdogan erklärt habe, „sich nach Kräften für die Wiederherstellung der traditionell freundschaftlichen Beziehungen der Türkei zu Russland einsetzen zu wollen.“ (Quelle: al-Arabiyya, 27/6/2016)
b) Nachdem Putin der Feind war, der unser muslimisches Volk - insbesondere auf dem Turkmenen-Berg - bombardiert, wird jetzt das Gespräch mit ihm in einer „freundschaftlichen Atmosphäre“ geführt! So hat Erdogan Putin am 29/6/2016 angerufen, und „gemäß Quellen im türkischen Präsidentenamt“ fand das Telefongespräch „in einer sehr freundschaftlichen Atmosphäre“ statt. (Newarab, 29/6/2016)
c) Nachdem die Türkei hinsichtlich der Einstufung der bewaffneten Gruppen in Syrien mit Russland völlig uneinig war, befinden sich nun beide Länder zu dieser Frage in harmonischem Konsens: Beim Treffen des russischen Außenministers Lawrow mit seinem türkischen Amtskollegen in Sotchi am 1/7/2016 war das Thema Syrien das wichtigste Thema im Versöhnungsprozess beider Länder. Über den „Krieg gegen den Terror“ sind sie sich einig gewesen.So dementierte Lawrow, dass es zwischen Moskau und Ankara bei der Einstufung der Terroristen in Syrien Meinungsverschiedenheiten gebe. Er unterstrich, dass die bilaterale Kooperation im Bereich der Terrorbekämpfung fortgesetzt werde. (Russia Today, 1/7/2016)
Der russisch-türkische Konsens bei der Einstufung der „Terrororganisationen“ in Syrien lässt aufhorchen. So war die erklärte Position der Türkei über Jahre hinweg die, dass sie die syrische Opposition unterstützen würde. Dieser Standpunkt ist also neu und bedeutet eine Abkehr von der früheren Position.
d) Man beeilte sich, ein Gipfeltreffen zwischen den beiden Präsidenten Putin und Erdogan zu vereinbaren, was ursprünglich während des G20-Treffens in China im September 2016 geplant war. So erklärte der türkische Außenminister, dass das Gipfeltreffen zwischen den beiden Präsidenten vorverlegt werde und es bereits im August in Russland stattfinden könnte. Die Nachrichtenagentur Interfax zitierte den türkischen Außenminister mit den Worten, dass der russische Präsident Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan vielleicht schon im August in Sotchi zusammentreffen könnten. Der russische Außenminister meinte seinerseits: „Wir hoffen, dass zwischen der russischen und der türkischen Armee bezüglich Syrien Kontakte stattfinden werden.“ (alarabiyya.net, 2/7/2016)
e) Nach einem Telefongespräch zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem türkischen Amtskollegen regte der russische Präsident die Aufhebung des Türkeiboykotts im Tourismusbereich an und gab die Anweisung, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern wieder zu normalisieren.Putin verlangte von Premierminister Dimitri Medwedew Vorschläge für die notwendigen rechtlichen Änderungen vorzubereiten, welche die Grundlage zur Normalisierung der Beziehungen bilden werden. (Russia Today, 11/7/2016)
2. Was die widersprüchlichen Erklärungen anlangt:
a) Am 4/7/2016 erklärte der türkische Außenminister, dass sein Land keine Einwände habe, wenn Russland die Flugbasis Incirlik in Adana zur Bombardierung der „Terroristen in Syrien“ benützt. Das anschließende türkische Dementi viel kleinlaut aus: Nach der Möglichkeit gefragt, ob die russischen Kampfbomber den Luftwaffenstützpunkt Incirlik benützen dürften, antwortete der türkische Außenminister: „Ich erinnere mich an keine Bemerkung, die auf die Ankunft russischer Flugzeuge auf dem Stützpunkt hinweisen würde.“ (aljazeera.net, 4/7/2016)
b) Der türkische Premierminister Binali Yildirim erklärte, dass sein Land bereit sei, Russland den Schaden zu ersetzen, den es durch den Abschuss des russischen Kampfbombers „Su-24“ verursacht habe.Auch hatte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin für den Vorfall entschuldigt und dazu aufgerufen, die türkisch-russischen Beziehungen auf das frühere Niveau zurückzuführen. (alghad.com, 28/6/2016) Danach folgte das Dementi: Währenddessen zog der türkische Premierminister Binali Yildirim seine Erklärung über das Leisten von Schadenersatzzahlungen an Russland wieder zurück.Nachrichtenmedien zitierten Yildirim mit den Worten: „Schadenersatzzahlungen an Russland stehen nicht zur Debatte.“Dies, nachdem Yildirim vor laufenden Kameras erklärt hatte, dass Ankara bereit sei, für den Vorfall, der die Beziehungen beider Länder schwer erschütterte, Schadenersatzzahlungen zu leisten. (Quelle: BBC, 28/6/2016).
Anschließend wurde dann doch wieder eine Art Schadensersatz verlautbart: Der Bürgermeister des türkischen Ferienorts Kemer schlug während eines Treffens, das früher am Freitag mit dem russischen Konsul in der Stadt Antalya stattgefunden hatte, vor, der Familie des getöteten Piloten eine Wohnung zu schenken. (Russia Today, 1/7/2016)
Zweitens: Nach genauer, umfassender Untersuchung kann man das eigentliche Motiv hinter all dem erkennen: Diese Eile und Widersprüchlichkeit deuten darauf hin, dass die Schritte nicht selbstgesteuert waren, sonst hätten sich die Positionen nicht in dieser eigenartigen, befremdlichen Geschwindigkeit ins diametrale Gegenteil gekehrt. Die Eile und Widersprüchlichkeit lassen vielmehr erahnen, dass die Agenda eines „Außenstehenden“ durchgeführt werden soll, der sein Interesse erfüllt sehen möchte. Dieser „Außenstehende“, dessen Interesse erfüllt werden soll, sind die USA. Und das zu erfüllende Interesse ist die politisch-säkulare Lösung mit dem syrischen Regime. Belege dafür sind u. a. die folgenden:
1. Die USA haben alles in ihrer Macht Stehende getan, um das syrische Regime zu stützen und die Aufständischen dazu zu zwingen, mit dem Regime über eine gemeinsame Regierungsbildung auf der gegenwärtigen säkularen Basis zu verhandeln. Ihre Werkzeuge waren dabei der Iran, seine Hisbollah und seine Milizen. Doch sie scheiterten. Dann instrumentalisierten sie Russland, mit seinen Raketen, Bombern und Zerstörern. Doch sie scheiterten erneut. Danach versuchten sie es auf dem Wege Saud-Arabiens, indem eine Delegation zusammengestellt wurde, die auch einige kämpfenden Verbände umfasste. Dennoch blieben auch diese Versuche erfolglos. Nun glauben die USA, dass die türkische Rolle darin erfolgreich sein könnte, worin ihre früheren Instrumente versagten.
2. Der hervorstechendste Titel bei der türkisch-russischen Versöhnung war Syrien. So unterstrichen beide Seiten während all ihrer neuen Kontakte und Zusammenkünfte die Wichtigkeit einer Lösung der Syrienkrise. Auch erklärten sie, dass es keinen Meinungsunterschied darüber gebe, welche der Gruppen als „Terrororganisation“ einzustufen sei: Beim Treffen des russischen Außenministers Lawrow mit seinem türkischen Amtskollegen in Sotchi am 1/7/2016 war das Thema Syrien das wichtigste im Versöhnungsprozess beider Länder. Über den „Krieg gegen den Terror“ sind sie sich einig gewesen. So dementierte Lawrow, dass es zwischen Moskau und Ankara bezüglich der Einstufung der Terroristen in Syrien Meinungsverschiedenheiten gebe. Er unterstrich, dass die bilaterale Kooperation im Bereich der Terrorbekämpfung fortgesetzt werde. (Russia Today, 1/7/2016) Der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte seine Hoffnung, dass der Diskurs mit Ankara über eine Lösung der Syrienkrise sich nach der Normalisierung der russisch-türkischen Beziehungen durch noch mehr Offenheit auszeichnen werde.Der Sender „Russia Today“ zitierte Lawrow mit den Worten:„Ich hoffe, dass dies uns dabei helfen wird, nach gemeinsamen Standpunkten zu suchen, um die Syrienkrise mit größerer Effektivität zu überwinden (...).“Bei seiner Stellungnahme zu seinem letzten Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Çavuşoğlu Ende vergangenen Monats wies Lawrow darauf hin, dass das Gespräch während des Treffens von Offenheit geprägt war. Er fügte hinzu: „Wir werden in noch größerer Offenheit Beratungen führen, um zu einer Übereinkunft bezüglich der Umsetzung der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und der internationalen Syrien-Gruppe zu gelangen.“ (Quelle: alnabanews.com, 12/7/2016)
3. In einer äußerst Aufsehen erregenden Erklärung, die das Ausmaß des türkischen Kniefalls offenlegt, verkündete die Türkei ihre Absicht, ihr Freundschaftsnetzwerk auszudehnen, sodass es auch das syrische Regime umfasst. So erklärte der türkische Premierminister Binali Yildirim, dass „eine Lösung der Syrienkrise möglich“ sei. „Jedoch müssten alle die notwendigen Opfer dafür erbringen.“ Yildirim ergänzte: „Unsere strategischen Partner sowie unsere Partner in der internationalen Koalition müssen sich dafür einsetzen, die Wunden Syriens zu heilen.“ Er machte klar, dass die Türkei darauf hinarbeiten würde, „den sie umgebenden Sicherheitsring zu festigen und zu stärken und ebenso das Freundesnetzwerk auszudehnen.“ In diesem Zusammenhang wies er auf die türkischen Bemühungen hin, „die Beziehungen mit allen zu entwickeln, inklusive Russlands, des Iraks, Syriens, Ägyptens, „Israels“, den USA und den Staaten der Europäischen Union.“ (Quelle: aljazeera.net, 4/7/2016)
Nachdem die erste Erklärung allgemein gehalten war, folgte am 13/7/2016 eine weitere, die im Hinblick auf die Normalisierung der Beziehungen zum syrischen Regime klare und deutliche Worte fand. So erwähnte das Nachrichtenportal „zamanarabic.com“ am 13/7/2016: Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim erklärte, dass die Türkei ihre Beziehungen zu Syrien normalisieren werde. Auch andere Nachrichtenmedien, u. a. Reuters und al-Arabiyya, brachten diese Meldung.
Drittens: Die USA wollen von der Türkei, dass sie einen Druck - und zwar einen starken - auf die syrische Opposition ausübt, damit diese zu den Genfer Verhandlungen und zu einer Friedenslösung zurückkehrt. Dies beinhaltet auch den Zwang, die gemeinsame russisch-amerikanische Erklärung vom 27/2/2016 über „die Einstellung der feindlichen Handlungen“ in Syrien zu akzeptieren.
Auch soll die Türkei durch ihre erklärte Zusammenarbeit mit Russland der syrischen Opposition die Drohung vermitteln, dass sie bereit sei, sie fallen zu lassen, sollte sie den Anschluss an den Verhandlungsprozess ablehnen. So erklärte der russische Außenminister: „Wir hoffen, dass zwischen der russischen und der türkischen Armee bezüglich Syrien Kontakte stattfinden werden.“ (alarabiyya.net, 2/7/2016)
Auch steht die türkische Regierung der russischen Intervention in Syrien nicht mehr ablehnend gegenüber. Und da die Türkei selbst terroristischen Angriffen ausgesetzt ist, soll sich nun die syrische Opposition am Kampf gegen die „terroristischen Organisationen“ beteiligen, und zwar so, wie die USA, Russland und die Türkei es wünschen.
Diese türkische Drohung gegen die syrische Opposition hat eine Wirkung auf jenen Teil von ihr, der sich noch immer von der Türkei eine Hilfe erhofft, der glaubt, dass Erdogan ein zweites Hama nicht erlauben wird und der sich weiterhin in einer Abhängigkeitsbeziehung zur Türkei befindet. So spekulieren die USA, dass sich diese Gruppen zu Verhandlungen mit dem Regime hinreißen lassen würden. Es ist auch nicht abwegig, dass die Türkei über die Anwendung politischer Druckmittel hinaus zu militärischen Mitteln greift, und zwar unter dem Vorwand, dass sie den IS-Terror bekämpfe, dieser von der restlichen bewaffneten Opposition nicht zu trennen sei und sich von ihr nicht abhebe. Das bedeutet, dass sie zu demselben Vorwand greifen kann, den Russland zur Bombardierung der Opposition benützt. Und die Erklärung des russischen Außenministers bezüglich Kontakten zwischen der russischen und der türkischen Armee weist auf diese Möglichkeit hin.
Viertens: Obama will etwas Ähnliches erreichen, wie es sein demokratischer Vorgänger Clinton erreicht hat. So hat dieser im letzten Jahr seiner Amtszeit alles in seiner Macht Stehende getan, um die PLO und die Zionisten hinsichtlich der Palästinafrage zu einer entscheidenden Verhandlungslösung zusammenzuführen. Obwohl er dies nicht schaffte, ist es ihm doch gelungen, Abū ʿAmmār (Yaser Arafat) und Ehud Barak zusammenzubringen. Heute versucht Obama ebenso alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die syrische Opposition und das Regime zu einer Verhandlungslösung zu drängen, damit gesagt wird, er habe am Ende seiner Amtszeit etwas erreicht, was ihn im Gedächtnis der Menschen verewigt.
Der Unterschied zwischen dem Versuch Clintons und dem Obamas liegt darin, dass ersterer in seinen Bemühungen offen vor seine Handlanger trat, während Obama seine Handlanger und Mittel benützt und seine persönlichen Bemühungen dahinter versteckt. In seiner Amtsperiode zeigen die USA, dass sie sich stärker auf ihr Gefolge verlassen. So haben sie - nach der Einbindung Irans und seiner Anhänger sowie Russlands und nach ihrem erneut entstandenen Dilemma in Syrien - Erdogan nahegelegt, sich mit Russland zu versöhnen. Das soll Russland als Ansporn dienen und ihm die Bombardierung der Aufständischen erleichtern. Der Druck auf die Aufständischen soll dadurch erhöht werden, um sie schließlich in eine Verhandlungslösung mit dem Regime zu zwingen.
Fünftens: Deswegen ist das Lospreschen der Türkei zu einer Versöhnung mit Russland und ihre immer stärkere Umkehr in der Syrienpolitik sowie das Eröffnen von Verhandlungen mit dem Assad-Regime nichts Anderes als die eilige Umsetzung der amerikanischen Syrienpolitik. Denn nachdem die iranischen und russischen Interventionen in Syrien zu einem Dilemma geführt haben, beeilen sich die USA, die Türkei auf deren Seite in die Schlacht zu werfen, um den amerikanischen Einfluss in Syrien zu wahren und die islamische Beschaffenheit der syrischen Revolution zu vernichten.
Die Enthüllung des türkischen Regimes in dieser radikalen Form und dessen nunmehrige Zusammenarbeit mit Russland, das seine Bombardierung Aleppos und Umgebung sowie zahlreicher anderer Orte in Syrien mit aller Vehemenz fortsetzt, sollte all jenen, die durch Erdogan und sein Regime irregeleitet und verblendet wurden, die Augen öffnen. Sie sollten sich von ihm abwenden und sich von den Verschwörungen der ungläubigen Amerikaner und ihrer Handlanger, den türkischen Herrschern, fernhalten.
Die Falschheit der irreführenden Behauptungen dieser Herrscher, dass sie die syrische Revolution unterstützen und Hama und Aleppo beistehen würden, ist nun in hohem Maße offenkundig geworden. Auch ihre Kritik an der Aggression Russlands und anderer hat sich als Lüge entlarvt. Heute sind all ihre Beteuerungen wie vom Winde verweht, sie selbst haben sie mit Füßen getreten!
Nicht nur das! Sogar mit dem Zionistengebilde, das die ehrwürdige al-Aqṣā-Moschee und das restliche Gesegnete Land usurpiert hält, hegt das türkische Regime nun freundschaftliche Beziehungen: Ankara/Jerusalem - Reuters: Die Türkei und Israel haben am Dienstag vereinbart, die bilateralen Beziehungen wiederaufzunehmen, nachdem sie sechs Jahre lang unterbrochen waren.Die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel waren nach einem Angriff israelischer Marinesoldaten auf ein Schiff, das mit türkischen Aktivisten an Bord im Mai 2010 versucht hatte, den Blockadering um den Gazastreifen zu durchbrechen, auf Eis gelegt worden.Gemäß dem Abkommen bleibt die Seeblockade um den Gazastreifen trotz der türkischen Forderung, ihn aufzuheben, aufrecht. Gleichzeitig wird der anhaltende Transport von Hilfsgütern nach Gaza über die israelischen Häfen gewährleistet.
Israel - das sich für die Enterung des Passagierschiffs Mavi Marmara im Jahr 2010 entschuldigt hat - erklärte sich damit einverstanden, 20 Millionen Dollar an Wiedergutmachung für die Verletzten und die Familien der Getöteten zu zahlen.Des Weiteren fordert das Abkommen vom türkischen Parlament, ein Gesetz zu erlassen, das die an der Enterung beteiligten israelischen Soldaten vor Strafverfolgung schützt. (Quelle: Reuters, 28/6/2016) Dieses Aussöhnungsabkommen wurde also gemäß den jüdischen Bedingungen ausgehandelt. So wurde die Gaza-Blockade nicht aufgehoben, obwohl es die Türkei zur Bedingung gemacht hatte. Um den Palästinensern Sand in die Augen zu streuen, willigte die Türkei ein, eine Ladung Hilfsgüter in den Gazastreifen zu schicken - allerdings über den Hafen Ashdod, also unter vollkommener jüdischer Überwachung. Danach werden die Hilfsgüter mit LKWs über den Karam-Abu-Salem-Übergang nach Gaza gebracht.
So konnte das Zionistengebilde, das Palästina und die al-Aqṣā-Moschee usurpiert hält, seine Freundschaft zu Erdogan und seinem Regime ohne Aufhebung der Blockade fortsetzen, obwohl die Türkei um eine Aufhebung gefleht hatte. Das Abkommen sieht sogar vor, dass - als Gegenleistung für eine Handvoll Dollars - das türkische Parlament ein Gesetz erlässt, durch das die jüdischen Soldaten, die die Schiffspassagiere ermordet haben, vor jeglicher strafrechtlichen Verfolgung geschützt sind.
Auf diese Weise sind Russland, das Syrien Tag und Nacht bombardiert, und die Türkei im „Krieg gegen den Terror“ zu Partnern geworden. Die Gespräche zwischen beiden werden „in einer äußerst freundschaftlichen Atmosphäre“ geführt. Der russische Außenminister verlangte sogar, dass die russische und die türkische Armee bezüglich der Lage in Syrien miteinander kommunizieren.
Zuallerletzt halten wir fest: Das Gesagte wurde nicht in der Hoffnung ausgesprochen, dass sich ein Vasall reuevoll abkehren könnte oder die Handlanger, Anhänger und Gefolgsleute von Ost oder West Palästina oder Syrien befreien würden. Vielmehr sagen wir es
﴿مَعْذِرَةً إِلَى رَبِّكُمْ وَلَعَلَّهُمْ يَتَّقُونَ﴾
als Entschuldigung vor eurem Herrn und vielleicht werden sie gottesfürchtig sein. (7:164) Wir sagen es auch als Aufklärung und Ermahnung
﴿لِمَنْ كَانَ لَهُ قَلْبٌ أَوْ أَلْقَى السَّمْعَ وَهُوَ شَهِيدٌ ﴾
für jemanden, der Herz hat oder hinhört und Zeuge ist. (50:37)
Palästina oder Syrien befreien werden hingegen
﴿رِجَالٌ لَا تُلْهِيهِمْ تِجَارَةٌ وَلَا بَيْعٌ عَنْ ذِكْرِ اللَّهِ﴾
Männer, die weder Handel noch Kaufgeschäft vom Gedenken Allahs ablenken. (24:37) Mit der Erlaubnis Allahs wird dies auch gelingen:
﴿وَلَتَعْلَمُنَّ نَبَأَهُ بَعْدَ حِينٍ﴾
Und ganz sicher werdet ihr dessen Kunde nach einer Zeit erfahren. (38:88)
9. Šauwāl 1437 n. H.
14/7/2016
Die zakāt auf Handelsware
- |
Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen
Antwort auf eine Frage
Die zakāt auf Handelsware
Frage
As-salāmu ʿalaikum wa raḥmatullāhi wa barakātuh. Unser ehrenwerter Scheich, ich habe einige dringende Fragen, die mit der zakāt auf Handelsware in Verbindung stehen. Nach Erfassung der reinen Handelsgüter, auf die zakāt zu entrichten ist, war es notwendig, diese einer Wertbemessung zu unterziehen. Nun stellt sich die Frage nach der Restware. Dabei handelt es sich um gekaufte Ware, die zwar zum Verkauf bestimmt war, aber bis zum Ablauf der Jahresfrist nicht verkauft wurde. Nach welchem Preis wird der Wert dieser Ware bemessen? Nach ihrem Einkaufspreis oder ihrem Marktpreis? D. h. nach dem Kauf- oder nach dem Verkaufspreis? Wenn wir den Kaufpreis heranziehen, dann ist die Sache klar. Wird jedoch der Verkaufspreis herangezogen, dann stellt sich die Frage, ob die Bemessung der Ware nach dem Einzelhandels- oder dem Großhandelspreis erfolgt. Die Ware kann auch bei Dritten, d. h. bei Vertretern, gehalten werden. Wird die Bewertung dann gemäß dem Warenpreis im Land des zakāt-Entrichters durchgeführt oder gemäß dem Preis im Land, in dem sich die Ware befindet? Und bezüglich der unverkäuflichen Ware, die seit Jahren vorhanden ist, ohne verkauft worden zu sein: Ist darauf eine besondere zakāt zu entrichten, auch wenn sie ihren Markt- und Tauschwert verloren hat? Ich entschuldige mich für die Länge der Frage. Möge Allah es dir vergelten!
Antwort
As-salāmu ʿalaikum wa raḥmatullāhi wa barakātuh!
Handelsware sind alle Güter außer Geld, die man bei Handelstätigkeit in Kauf- und Verkaufsgeschäften zum Zwecke der Gewinnschöpfung einsetzt. Dazu zählen Nahrungsmittel, Kleidungsartikel, Industrieprodukte, Tiere, Metalle, Ländereien, Gebäude und andere Dinge, die gekauft und verkauft werden.
Auf Waren, die zu Handelszwecken gehalten werden, ist zakāt zu entrichten. Von Samura ibn Ğundub wird berichtet, der sprach:
«أما بعد، فإن رسول الله كان يأمرنا أن نخرج الصدقة من الذي نعد للبيع»
Des Weiteren: Wahrlich, der Gesandte Allahs (s) pflegte uns zu befehlen, die ṣadaqa (zakāt) auf das zu entrichten, was wir zum Verkauf bereitstellen. (Bei Abū Dāwūd tradiert) Und von Abū Ḏarr wird berichtet, dass der Prophet (s) sprach:
«وفي البَزِّ صدقته»
Und auf Kleidungsstücke (bazz) ist die ṣadaqa zu entrichten. (Bei ad-Dāraquṭnī und al-Baihaqī tradiert) Als bazz bezeichnet man Gewänder und Stoffe, mit denen Handel getrieben wird. Ebenso berichtet Abū ʿUbaid von AbūʿAmra ibn Ḥamās und dieser von seinem Vater, der sagte:
«مرّ بي عمر بن الخطاب، فقال: يا حماس، أدّ زكاة مالك، فقلت: ما لي مال إلاّ جعاب، وأدم. فقال: قوّمها قيمة، ثمّ أدّ زكاتها»
ʿUmar ibn al-Ḫaṭṭāb kam bei mir vorbei und sprach: „O Ḥamās, entrichte die zakāt auf dein Vermögen!“ Ich antwortete: „Ich habe kein Vermögen außer Taschen und Leder.“ Da sagte er: „Bemesse ihren Wert und entrichte dann ihre zakāt.“ Und von ʿAbd ar-Raḥmān ibn ʿAbd al-Qārī wird berichtet, der sagte:
«كنت على بيت المال، زمن عمر بن الخطاب، فكان إذا خرج العطاء جمع أموال التجار، ثمّ حسبها، شاهدها وغائبها، ثمّ أخذ الزكاة من شاهد المال على الشاهد والغائب»
In der Zeit ʿUmars war ich mit dem Schatzhaus betraut. Wenn die Abgabe zu leisten war, sammelte er das Vermögen der Händler und rechnete es zusammen - was davon präsent und nicht präsent war. Dann nahm er die zakāt vom präsenten Vermögen für das Präsente und nicht Präsente. (Bei Abū ʿUbaid tradiert)
Aḥmad berichtet in seinem „Musnad“ über Mālik ibn Aus ibn al-Ḥadaṯān an-Naṣrī von Abū Ḏarr, der sprach: Ich hörte den Gesandten Allahs (s) sagen:
«فِي الْإِبِلِ صَدَقَتُهَا، وَفِي الْغَنَمِ صَدَقَتُهَا، وَفِي الْبَقَرِ صَدَقَتُهَا، وَفِي الْبَزِّ صَدَقَتُهُ»
Auf Kamele ist die zakāt zu entrichten, und auf Ziegen und Schafe ist die zakāt zu entrichten, und auf Rinder ist die zakāt zu entrichten, und auf Kleidungsartikel (bazz) ist die zakāt zu entrichten. Bazz sind Kleidungsstücke, die zum Verkauf gedacht sind.
Im Werk „al-Mağmūʿ šarḥ al-muhaḏḏab“ führt Imam an-Nawawī aus:
Die zakāt ist auf Handelsware zu entrichten. So berichtet Abū Ḏarr (r), dass der Prophet (s) sprach:
«في الإبل صدقتها وفي البقر صدقتها وفي البز صدقته»
Auf Kamele ist die zakāt zu entrichten, und auf Rinder ist die zakāt zu entrichten, und auf Kleidungsartikel (bazz) ist die zakāt zu entrichten. Auch bezweckt man mit der Handelstätigkeit die Vermehrung des Vermögens. So ist die zakāt daran geknüpft worden, wie sie an die Weidehaltung von Tieren geknüpft worden ist.Die Aussage des Gesandten und auf bazz ist die zakāt zu entrichten: bazz wird dabei mit einer a-Vokalisation und mit z ausgesprochen. So wird es von allen Tradenten berichtet. Ad-Dāraquṭnī und al-Baihaqī erwähnen dies explizit. Sämtliche alte und neue Aussagen aš-Šāfiʿīs bestätigen sich darin, dass die zakāt auf Handelsware verpflichtend ist. […] Unter allen Anhängern ist der Konsens bekannt, dass sie in der Rechtsschule aš-Šāfiʿīs eine Pflicht darstellt.
Und ibn Qudāma führt in seinem Werk „al-Muġnī“ aus:
Die zakāt auf den Wert von Handelsware ist nach Aussage der meisten Gelehrten verpflichtend.Ibn al-Munḏir erklärte:„Die Gelehrten stimmen darin überein, dass auf Ware, die für den Handel gedacht ist, zakāt anfällt, sobald die Jahresfrist verstrichen ist. (...) Als Beleg kann uns der bei Abū Dāwūd in vollem Strang tradierte Bericht von Samura ibn Ğundub dienen, der sagte:
«كَانَ رَسُولُ اللَّهِ يَأْمُرُنَا أَنْ نُخْرِجَ الزَّكَاةَ مِمَّا نُعِدُّهُ لِلْبَيْعِ»
Der Gesandte Allahs (s) pflegte uns zu befehlen, zakāt auf das zu entrichten, was wir zum Verkauf bereitstellen.Auch berichtet ad-Dāraquṭnī von Abū Ḏarr, der sprach: „Ich hörte den Gesandten Allahs (s) sagen:
«فِي الْإِبِلِ صَدَقَتُهَا، وَفِي الْغَنَمِ صَدَقَتُهَا، وَفِي الْبَزِّ صَدَقَتُهُ»
Auf Kamele ist die zakāt zu entrichten, und auf Ziegen und Schafe ist die zakāt zu entrichten, und auf Kleidungsartikel (bazz) ist die zakāt zu entrichten.Es herrscht Einigkeit darüber, dass sie nicht aus der Ware selbst entrichtet werden muss. Vielmehr steht fest, dass sie auf den Warenwert anfällt.Auch berichtet Abū ʿAmr ibn Ḥamās von seinem Vater, der sagte:
«أَمَرَنِي عُمَرُ، فَقَالَ: أَدِّ زَكَاةَ مَالِكَ. فَقُلْت: مَا لِي مَالٌ إلَّا جِعَابٌ وَأَدْمٌ. فَقَالَ: قَوِّمْهَا ثُمَّ أَدِّ زَكَاتَهَا»
„ʿUmar befahl mir und sprach:„Entrichte die zakāt auf dein Vermögen!“Ich antwortete:„Ich habe kein Vermögen außer Taschen und Leder.“ Da sagte er: „Bemesse ihren Wert und entrichte dann ihre zakāt.““Bei Imam Aḥmad und Abū ʿUbaid tradiert. Ende des Zitats
Auch berichtet al-Baihaqī in „as-Sunan al-kubrā“ in voller Kette:
Aḥmad ibn Muḥammad ibn al-Ḥāriṯ al-Faqīh berichtet uns über ʿAlī ibn ʿUmar al-Ḥāfiẓ über Abū Bakr an-Naisābūrī über Aḥmad ibn Manṣūr über Abū ʿĀṣim über Mūsā ibn ʿUbaida über ʿImrān ibn Abī Anas über Mālik ibn Aus ibn al-Ḥadaṯān, der sagte:Als ich bei ʿUṯmān saß, kam Abū Ḏarr zu ihm. Mālik berichtet weiter: Sie sagten:„O Abū Ḏarr, berichte uns vom Gesandten Allahs (s)!“ Da sprach er:„Ich hörte den Gesandten Allahs (s) sagen:
«فِي الْإِبِلِ صَدَقَتُهَا وَفِي الْغَنَمِ صَدَقَتُهَا وَفِي الْبَقَرِ صَدَقَتُهَا وَفِي الْبَزِّ صَدَقَتُهُ»
Auf Kamele ist zakāt zu entrichten, und auf Ziegen und Schafe ist zakāt zu entrichten, und auf Rinder ist zakāt zu entrichten und auf Kleidungsartikel (bazz) ist zakāt zu entrichten.Er sprach bazz mit „z“ aus. Ende des Zitats
Die zakāt auf Handelsware wird fällig, wenn deren Wert die Eigentumsschwelle (niṣāb) von Gold oder die von Silber erreicht hat und die Jahresfrist darauf verstrichen ist.
Beginnt der Händler seine Handelstätigkeit mit Waren, die weniger als den niṣāb ausmachen, und erreichen diese am Ende des Jahres den niṣāb, so hat er darauf noch keine zakāt zu entrichten, da auf das Erreichen des niṣābs keine Jahresfrist verstrichen ist. Die zakāt wird für ihn auf den Betrag dieses niṣābs erst dann fällig, wenn die Jahresfrist darauf verstrichen ist.
Beginnt der Händler seinen Handel mit einem Warenwert, der den niṣāb übersteigt - mit einem Wert von Tausend Dinar zum Beispiel -, wächst sein Handel bis zum Jahresablauf an, wirft Gewinn ab und umfasst dann einen Warenwert von dreitausend Dinar, so muss er auf dreitausend Dinar die zakāt entrichten, nicht auf die Tausend, mit denen er begonnen hat, weil sich die Steigerung aus dem Ursprungsbetrag ergeben hat. Die Jahresfrist für den Gewinn, den er daraus schöpfte, ist in diesem Falle mit der Jahresfrist des Ursprungsvermögens ident. Gleiches gilt ja für Zicklein und Lämmer. Sie werden den Muttertieren zugerechnet und die zakāt auf die Gesamtzahl der Weidetiere entrichtet. Denn ihre Jahresfrist ist die ihrer Mütter. Ebenso wird beim Vermögensgewinn verfahren. Seine Jahresfrist ist die des Ursprungsvermögens, das ihn hervorgebracht hat. Ist die Jahresfrist verstrichen, muss der Händler den Wert seiner Handelsware bemessen, und zwar ungeachtet des Umstandes, ob die zakāt aus der Ware selbst zu entrichten ist, wie bei Kamelen, Rindern, Schafen und Ziegen, oder auf ihren Gegenwert anfällt, wie bei Kleidungsartikeln, Industrieprodukten, Ländereien oder Gebäuden. In diesem Falle muss er den Wert der gesamten Ware in Gold oder Silber bemessen und daraus das Viertel vom Zehntel - also 2,5% - entrichten, sobald der Wert die niṣāb-Schwelle von Gold oder von Silber erreicht hat. Den Pflichtbetrag der zakāt kann er dann in der gängigen Landeswährung bezahlen. Es steht ihm auch zu, wenn es ihm leichter fällt, die anfallende zakāt aus der Ware selbst abzuführen. Beispiel dafür wäre jemand, der mit Ziegen, Schafen, Rindern oder Kleidung handelt und der Wert der von ihm zu entrichtenden zakāt ein Schaf, eine Kuh oder ein Kleidungsstück ausmacht. Er kann ihren Gegenwert in Geld bezahlen oder aber ein Schaf, eine Kuh oder ein Kleidungsstück abführen. Dabei kann er nach Belieben verfahren.
Bei Handelswaren, bei denen die zakāt auf die Ware selbst anfällt, wie bei Kamelen, Rindern, Schafen und Ziegen, wird die für Handelsware geltende zakāt entrichtet und nicht jene für Viezucht. Denn Zweck der Haltung ist der Handel und nicht die Zucht.
Nach Verstehen dieses islamrechtlichen Sachverhalts lautet die Antwort auf deine Frage wie folgt:
a) Der Wert der Handelsware wird nach ihrem Marktpreis bemessen, d. h. nach ihrem Verkaufspreis bei Fälligkeit der zakāt. Dies ist nämlich ihr tatsächlicher Wert. Sie wird nicht nach ihrem Kaufpreis bemessen, da dieser niedriger oder höher sein kann als ihr Marktpreis, der ja ihr wahres Preisniveau widerspiegelt. Maßgebend ist also der Marktpreis.
b) Ist der Händler ein Großhändler, dann bemisst er den Wert seiner Ware nach dem Großhandelspreis. Verkauft er sie im Einzelhandel, dann bewertet er sie nach dem Einzelhandelspreis. Verkauft er sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel, so zieht er das Verhältnis der beiden Handelsvolumina als Kriterium heran. Verkauft er zum Beispiel die Hälfte der Ware im Großhandel und die andere Hälfte im Einzelhandel, dann bemisst er die Hälfte der Ware nach dem Großhandels- und die andere Hälfte nach dem Einzelhandelspreis. So muss er vorgehen. Denn auf diese Weise wird der tatsächliche Warenwert am ehesten ausgedrückt.
c) Die Waren werden nach dem Marktpreis des Landes bemessen, in dem sie sich tatsächlich befinden, nicht nach dem Marktpreis im Land des Händlers. Denn ihr Marktpreis im Land, in dem sie sich tatsächlich befinden, kommt ihrem wahren Wert am nächsten.
d) Bei der Absicht, die zakāt zu entrichten, wird die gesamte vorhandene Ware bemessen, und zwar ungeachtet dessen, ob sie verkäuflich oder unverkäuflich ist. Denn die Waren stellen im Grunde Vermögenswerte dar. Die nicht- oder schwerverkäuflichen Waren werden nach ihrem realen Markwert bei Fälligkeit der zakāt bemessen. In diesem Falle ist ihr Wert natürlich niedriger als vor dem Rückgang der Nachfrage. Diese Bewertung muss jedes Jahr stattfinden, da es sich eigentlich um Geld in Form von Waren handelt. Die zakāt wird darauf wie bei Geld jedes Jahr fällig.
e) Die zakāt auf Handelsware wird in Geld entrichtet. Sie kann aber auch aus der Ware selbst geleistet werden. Ist z. B. ein Betrag von 2000 an zakāt zu bezahlen, wobei der Wert eines Warenartikels 500 beträgt, so kann der Händler 4 Warenartikel als zakāt auf seine Handelsware entrichten. Dies kann ein passender Ausweg für die un- bzw. schwerverkäufliche Ware sein, sodass die zakāt darauf nicht in Geld, sondern in Waren entrichtet wird. Auf diese Weise wird das Interesse des Händlers berücksichtigt.
So sieht meine überwiegende Meinung in dieser Frage aus, und Allah ist wissender und weiser.
24/6/1437 n. H.
3/4/2016
Das US-russisch-iranische Dilemma in Syrien
- |
Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen
Antwort auf eine Frage
Das US-russisch-iranische Dilemma in Syrien
Frage
Der russische Generalstabschef Walerij Gerassimow erklärte: „Bezüglich der Geschehnisse in Syrien ist die Geduld Russlands am Ende und nicht die der USA.“ (aljazeera.net, 21/6/2016) Dies war eine Anspielung auf die Aussage Kerrys, dass die Geduld der USA am Ende sei. So hatte Kerry erklärt: „Russland muss verstehen, dass die Geduld der USA bezüglich der Einhaltung des Waffenstillstands sehr begrenzt ist.“ (aljazeera.net) Auch der russische Außenminister Lawrow hatte am Donnerstag, dem 16/6/2016, während seiner Teilnahme am Internationalen St. Petersburger Forum auf die Aussage Kerrys mit den Worten geantwortet: „Ich habe vom amerikanischen Außenministerium eine Erläuterung zu den Aussagen Kerrys gelesen. Sie müssen sich in größerer Geduld üben.“ (Russia Today, 16/6/2016) Dies zum einen. Zum anderen kam es davor, und zwar am 9/6/2016, auf Wunsch des Irans zu einem Treffen der Verteidigungsminister Russlands, Syriens und des Irans in Teheran, um die militärischen Handlungen in Syrien zu koordinieren. Die Frage ist nun die: Bedeutet dies, dass ein amerikanisch-russisch-iranisches Dilemma hinsichtlich der amerikanischen Pläne existiert (Verhandlungen, Genf, Riyader Delegation), die der Lösung vorausgehen? Wenn es sich so verhält, ist dann eine Militärintervention mit Bodentruppen möglich geworden und steht diese kurz bevor? Möge Allah es euch vergelten!
Antwort:
Dass ein amerikanisch-russisch-iranisches Dilemma in Syrien existiert, ist richtig. Richtig ist auch, dass es sich vor allem um ein amerikanisches Dilemma handelt, denn Russland und der Iran sind ja bloß unterstützende Elemente für die amerikanische Politik in Syrien. Ob das nun bedeutet, dass eine Militärintervention mit Bodentruppen bereits bevorsteht, bleibt hingegen abzuwarten und hängt davon ab, in welche Richtung sich die Ereignisse entwickeln werden. Um die Wahrheit dessen, was sich abspielt, zu begreifen, muss auf folgende Punkte hingewiesen werden:
1. Die letzte Genfer Verhandlungsrunde endete am 22/4/2016 mit dem Rückzug der Opposition. Diese begründete ihren Rückzug mit der Nichtseriosität der Verhandlungen. So hieß es: Dann trat Chefverhandler Muhammad Allusch von seinem Posten zurück. (Quelle: alarabiyya.net) Auch De Mistura nahm von seiner Ankündigung Abstand, eine neue Verhandlungsrunde abzuhalten. So hatte es zuvor noch geheißen: Der UNO-Sonderbeauftragte für Syrien Staffan de Mistura erklärte, dass der Termin für den Beginn einer neuen Syrien-Verhandlungsrunde am Donnerstag, dem 26/5/2016, nach Beratungen mit dem UN-Sicherheitsrat zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben werde. Dies, obwohl die Gewalthandlungen am Boden weitergehen. (al-wasat-Portal, 26/5/2016) Danach, am 9/6/2016, hieß es aber: Der UNO-Sonderbeauftragte für Syrien Staffan de Mistura erklärte am Donnerstag, dass die internationale Gemeinschaft keine neue Runde syrischer Friedensverhandlungen abhalten werde, bis sich die Verantwortlichen aller Seiten auf die Kriterien für die Vereinbarung eines politischen Übergangs einigen, dessen Einigungsfrist am 1. August abläuft.De Mistura erklärte vor den Journalisten: „Die Zeit für eine offizielle dritte Runde syrischer Verhandlungen ist noch nicht gekommen.“ (Baladi-news, 9/6/2016)
2. Entgegen aller bisherigen Norm erklärten die USA, dass sie ein Bombardement innerhalb Syriens vom Mittelmeer aus beginnen würden. Es ist das erste Mal seit der Besetzung des Iraks 2003, dass die USA ein derartiges Bombardement in der Region vom Mittelmeer aus starten. So zitierte die Nachrichtenseite „Russia Today“ am 9/6/2016 einen Bericht der amerikanischen Zeitung „Wall Street Journal“, dass der amerikanische Flugzeugträger „Harry Truman“ vergangene Woche eine plötzliche Kursänderung durchführte. Vom Persischen Golf aus nahm er Kurs auf das Mittelmeer. Gemäß der Zeitung sei der Zweck hinter diesem Kursmanöver militärische Stärke gegenüber Russland zu demonstrieren. (...)
3. 51 Verantwortliche im amerikanischen Außenministerium unterschrieben ein Dokument, das Präsident Obama überreicht wurde und ihn dazu auffordert, in Syrien militärisch zu intervenieren. In ihrer Ausgabe vom Donnerstag, dem 16/6/2016, schreibt das „Wall Street Journal“, dass 51 Beamte im amerikanischen Außenministerium einen Brief unterschrieben hätten, in dem sie Obama auffordern, eine militärische Operation in Syrien durchzuführen. (Russia Today, 17/6/2016)
4. Schlussendlich ist auch der Besuch des saudischen Vizethronfolgers Muḥammad bin Salmān zu erwähnen und sein Treffen mit US-Präsident Obama am 17/6/2016 im Weißen Haus. Für Personen, die keine Staatsoberhäupter sind, ist das eine äußerst seltene Vorgehensweise. Zudem kam es zum Besuch des saudischen Außenministers al-Ğubair in den Vereinigten Staaten, wo mit den amerikanischen Verantwortlichen insbesondere die Syrienkrise erörtert wurde.
5. Bei genauer Untersuchung all dieser Besuche, Zusammenkünfte und Erklärungen wird Folgendes klar:
a) Die USA verspüren ein großes Versagen in Syrien. So haben die Verhandlungen ihren Schwung verloren und einige der prominenten Verhandlungsführer sind weggefallen. Auch haben die USA keinen Ersatz für Assad gefunden. Zudem hat die syrische Revolution ihre Vitalität nicht verloren und übt einen starken Druck gegen die Verhandler aus. Bei Untersuchung dessen, was die USA auf der syrischen Bühne für Fortschritte erzielt hat, wird klar, dass ihr wichtigster Erfolg darin bestand, kämpfende Verbände in den politischen Prozess einzubinden (Riyader Delegation, Genf). Die Erklärung vom 27/2/2016 über die Einstellung der feindlichen Handlungen stellte die große amerikanische Hoffnung dar, um die syrische Revolution in die Labyrinthe und Verstrickungen eines politischen Prozesses zu steuern, der einen Ersatz für Assad hervorbringt, ohne dass ein Druck vom Schauplatz der Revolution her aufkäme. Innerhalb jener bewaffneten Milizen, die an der Riyader Konferenz teilgenommen haben, wurden nun bedeutende Stimmen laut, die sich gegen den politischen Verhandlungsprozess stellten. Diese übten Druck auf die bewaffneten Milizen und die anderen Verbände aus. Zudem hat sich bei den Menschen ein Unmut darüber breit gemacht, dass sich manche Milizen dem politischen Prozess angeschlossen haben. Dies erzeugte eine öffentliche Meinung mit gewichtigem Druckfaktor. All das erzeugte intensive bewaffnete Kampfaktivitäten gegen das Regime, sei es aus ehrlichen Beweggründen oder nur vorübergehend, um das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Dies führte in mehreren Phasen zu einer Rückeroberung strategisch wichtiger Gebiete im Süden Aleppos (die Kämpfe um al-ʿĪs, dann um Ḫān Ṭūmān und später auch an anderen Orten), was der amerikanisch-russischen Erklärung über die Einstellung der feindlichen Handlungen das Genick brach. Im Zuge der eskalierenden Situation im Inneren, die dem politischen Prozess fast den Todesstoß versetzte, hatte es nun keinen Sinn mehr, die Verhandlungen in Genf fortzusetzen. Somit befinden sich die USA tatsächlich in einem Dilemma.
b) Die Kämpfe im Süden Aleppos stellen aus militärischer Sicht eine große Niederlage für die iranischen Verbände und ihre Anhängerschaft dar. Der Iran war nun gefordert, zusätzliche Landstreitkräfte nach Syrien zu schicken. Jedoch sind die Verluste groß und der Erfolg bescheiden. Dazu kommen noch einige Hindernisse beim Abbau der Wirtschaftssanktionen nach Unterzeichnung des iranischen Atomabkommens in Genf, was die verfügbaren finanziellen Mittel für die iranischen Militäraktionen in Syrien weiter schmälerte. Dadurch könnte der Iran in seiner militärischen Hilfeleistung für Assad tatsächlich an die Grenze seiner Kapazitäten gelangt sein. Deswegen verlangte der Iran - nach amerikanischer Anregung - Schützenhilfe von Russland. Und so kam es zum Treffen der Verteidigungsminister in Teheran. Demzufolge befindet sich auch der Iran in einem Dilemma.
c) Was Russland anbelangt, so haben sich mehrere neue Umstände ergeben, die ihr die Fähigkeit bzw. den Willen raubten, den amerikanischen Forderungen in schmutziger Weise nachzukommen. So wollen die USA von Russland zusätzliche Militäraktionen, um die Aufständischen an den Grenzen ihrer heutigen Gebietskontrolle zu stoppen. Mit anderen Worten soll ihnen die Hoffnung auf ein militärisches Vorankommen genommen werden. Genau das hat Russland ja seit dem Beginn seiner Militärintervention in Syrien am 30/09/2015 und bis vor nicht allzu langer Zeit auch durchgeführt. So hatte der amerikanische Außenminister Kerry am 11/02/2016 beim Gipfel der syrischen Geberländer in London damit geprahlt, dass „Russland die bewaffneten Verbände innerhalb von drei Monaten mit der Wurzel ausreißen“ werde. Das war auch das Ziel, das die USA durch die russische Militärintervention anstrebten. Die neu aufgetretenen Umstände, die dazu führten, dass die russische Intervention keine Entscheidung in Syrien herbeiführen konnte, sind die folgenden:
- Zusätzlich zu seiner erbitterten Feindschaft gegenüber dem Islam und seiner großen Angst vor der islamischen Beschaffenheit der syrischen Revolution sah Russland seine Intervention in Syrien auch als Gelegenheit an, die verlorene russische Größe nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von Neuem zu demonstrieren. So war es darauf Bedacht, seine Luft- und Weltraumstärke, seine Kaliber-Raketen und seine Fähigkeit hervorzuheben, vom Kaspischen Meer sowie vom Mittelmeer aus Syrien zu bombardieren. Russland hatte sich erwartet, dass seine bestialischen Angriffe den amerikanischen Zweck erfüllen und die syrische Bevölkerung zwingen werden, sich mit dem Regime - gemäß den amerikanischen Bedingungen - an den Verhandlungstisch zu setzen. Doch es versagte.
- Russland war zudem bestrebt, die internationale Isolation und die gegen den russischen Staat verhängten Sanktionen aufzubrechen. Diese waren nach seiner Annexion der Krim und der Entfachung des Konflikts in der Ostukraine verfügt worden. Und das hat sich in keiner Weise erfüllt. Der Groll der Staaten auf Russland nahm sogar zu. So hat sich die Kluft zwischen ihm und der Europäischen Union gefährlich vergrößert. Unentwegt wird es seitens der EU, die sogar mit der Anrufung des Internationalen Strafgerichtshofs drohte, mit Anschuldigungen konfrontiert. Von allen europäischen Staaten war Großbritannien Russland gegenüber am unerbittlichsten. Gefolgt von Deutschland, das in seinem „Weißbuch“ Russland sogar als „Gegner“, also als Feind, einstufte. So lehnte es die deutsche Kanzlerin beim G7-Gipfel in Japan am 26/05/2016 ab, die Frage der Lockerung der Sanktionen gegen Russland auch nur zu untersuchen.
- Russland ist ein wirtschaftlich schwacher Staat, dem es nicht möglich ist, dauerhaft einen Krieg fernab seiner Grenzen zu finanzieren. Insbesondere, da es unter den westlichen Sanktionen leidet und der niedrige Ölpreis ihm erheblich zusetzt. Seine klaffenden Ausgaben in Syrien kann es deswegen nicht lange ertragen. Den russischen Ausgaben sind noch die späteren finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem russischen Kriegspersonal in Syrien, das nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums 25.000 Personen umfasst, hinzuzurechnen: Gemäß eines Gesetzes, das die russischen Parlamentarier am Dienstag zur Anerkennung des „Kriegsveteranenstatus“ für den Syrienkrieg verabschiedeten, nahmen seit September 2015 25.000 russische Militär- und Zivilpersonen an diesem Krieg teil. (Sky news arabic, 21.06.2016)
- Russland macht sich große Sorgen über die Zukunft seines Syrien-Deals mit den USA, wenn die US-Administration nach den Präsidentschaftswahlen im November 2016 wechselt. Deshalb hat es die Hoffnung, seine Militärmission in Syrien vor Abgang der Obama-Administration abzuschließen oder seine Intervention zumindest durch ein öffentliches Abkommen mit den USA zu decken. Deswegen verlangt Russland unentwegt, dass seine Koordination mit den USA in Syrien öffentlich gemacht wird. Ein Umstand, vor dem die USA widerwillig zurückschrecken. So hat es gemeinsame russisch-amerikanische Bombenangriffe gegen jene Verbände gefordert, welche „die Einstellung der feindlichen Handlungen“ verletzen. Doch lehnten die USA es ab.
- Was einen in Staunen versetzt, ist der russische Irrglaube, sich als Partner der USA zumindest in der Syrien-Frage zu betrachten. So will es die Treffen zwischen Lawrow und Kerry - also die Beschlüsse in der Syrien-Krise - in ein öffentliches Militärbündnis übersetzen. Russland versteht nicht, dass das Zweiergespann Lawrow-Kerry von den USA deswegen ins Leben gerufen wurde, um die Einmischung der europäischen Staaten in die Syrien-Krise zu verhindern. Es hat nicht begriffen, dass es lediglich eine Figur - wenn auch eine große - auf dem amerikanischen Schachbrett verkörpert. Um ihren Einfluss in Syrien zu wahren und dem Aufkommen des Islams in der syrischen Revolution entgegenzutreten, benützen die USA einmal den Iran und seine Anhänger und ein anderes Mal Russland. In seinem Wahn nach Größe glaubt Russland aber, dass es ein Partner der USA in Syrien sei. Dies erklärt Kerrys Aussage, dass Amerikas Geduld im Hinblick auf die russische Intervention in Syrien „sehr begrenzt“ sei. Mit anderen Worten verlangt er von Russland, schnell und entschlossen den insbesondere südlich von Aleppo zusammenbrechenden Assad-Truppen zu Hilfe zu eilen. Es erklärt auch Lawrows Verwunderung über die Aussage Kerrys und seine an die USA gerichtete Forderung, sich in Geduld zu üben. So sehen die USA Russland als Schachfigur in ihrer Hand, während Russland seine Intervention in Syrien als Muster für seine internationale Partnerschaft mit den USA betrachtet. Wegen all dieser Faktoren befindet sich auch Russland in einem Dilemma.
6. Demzufolge stehen sowohl die USA also auch Russland und der Iran vor einem Dilemma. Wie bereits erwähnt handelt es sich jedoch in erster Linie um ein amerikanisches Dilemma. Nach den schweren Verlusten der Assad-Truppen sowie des Irans und seiner Anhängerschaft stellt die Situation nun eine große Klemme für die Vereinigten Staaten dar. Die USA scheinen erkannt zu haben, dass die Kräfte des Irans in Syrien in nicht geringem Maße aufgezehrt wurden und dass die iranische Militärintervention, auch wenn sie das Leben des Regimes in Damaskus verlängert hat, eine Lösung in Syrien nicht mehr befördern kann. Auch Russland versagte dabei, eine Entscheidung in Syrien herbeizuführen. Trotz brutalem Bombardements und des Einsatzes von Fassbomben, um die syrische Bevölkerung zur Kapitulation vor dem Tyrannenregime zu zwingen, blieb es erfolglos. Im Zuge dieses kollektiven Versagens sind die amerikanischen Optionen in Syrien nun äußerst spärlich geworden. Und dies insbesondere deshalb, weil sich die USA im Wahlkampf befinden und die beiden Parteien - Republikaner und Demokraten - diese Zeit vor allem dafür nützen, sich gegenseitig bloßzustellen.
Zudem ist noch das Memorandum der Diplomaten zu erwähnen, die eine direkte Intervention der USA fordern. Deswegen zeigen die USA nach außen hin, dass sie darauf bedacht seien, eine Intervention in Betracht zu ziehen. So schickten sie den Flugzeugträger Harry Truman vom Golf ins Mittelmeer und bombardierten Syrien vom Mittelmeer aus. Sie riefen den saudischen Verteidigungsminister Muḥammad bin Salmān zu sich, der mit Präsident Barack Obama im Weißen Haus zusammentraf. Eine äußerst seltene Begebenheit für Personen, die keine Staatsoberhäupter sind. Dem Beobachter wird dadurch der Eindruck vermittelt, dass der Zweck exklusiv militärisch sei
7. Nichtsdestotrotz ist die Politik der jetzigen US-Administration - wie es den Erklärungen der Verantwortlichen zu entnehmen ist - darauf ausgerichtet, die Militärintervention in erster Linie dem Gefolge, den Anhängern und Vasallen zu überlassen. So erklärte Kirby, der Sprecher des amerikanischen Außenamtes, dass die USA ihre Politik bezüglich Syrien nicht geändert hätten. Eine mögliche Änderung der Washingtoner Politik in Syrien kommentierte er mit den Worten: „Wir glauben nach wie vor, dass eine politische Einigung in Syrien die beste Lösung ist.“ Zudem unterstrich Kirby, dass die Administration des derzeitigen amerikanischen Präsidenten Barack Obama bis zum Ende seiner Amtszeit auf eine politische Lösung der Syrienkrise fokussiert bleiben wird. (Russia Today, 17.06.2016) Was das Memorandum der Diplomaten anlangt, so wird die amerikanische Regierung das Thema wahrscheinlich politisch und nicht militärisch lösen. Aljazeera.net zitierte am 18.06.2016 aus der „Washington Times“ folgendes Kommentar: Das Weiße Haus kämpft damit, die Auswirkungen des Memorandums der Diplomaten einzudämmen. Die stellvertretende Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Friedman, wurde mit der Aussage zitiert, dass die Obama-Administration im Hinblick auf die Herausforderungen in Syrien für die unterschiedlichsten Ideen offen sei, jedoch sehe Präsident Obama keine militärische Lösung für die Syrienkrise.Die Zeitschrift fügte hinzu, dass das Memorandum den neuesten Ausdruck an Frustration verkörpert, die gegenwärtige und frühere amerikanische Verantwortliche - viele von ihnen arbeiteten innerhalb der Obama-Administration selbst - gegenüber der Politik Obamas in der Syrienkrise empfinden.
Zusammenfassend ist zu sagen:
1. Es stimmt, dass sich die USA in einem Dilemma befinden. Was eine mögliche amerikanische Intervention am Boden anlangt, so ist sie wahrscheinlich auf später verschoben worden, weil die heutige US-Administration darauf hinarbeitet, dass der Kampf am Boden vom Gefolge, von Vasallen und deren Anhängerschaft durchgeführt wird. Dies könnte sich bis zum Ende der Amtszeit Obamas hinziehen. Es sei denn, dass sich neue, unerwartete Dinge ergeben.
2. Bemerkenswert ist jedoch die Tatsache, dass die USA und ihr Gefolge es bis heute nicht geschafft haben, das syrische Volk in die Knie zu zwingen und die amerikanischen Pläne durchzusetzen, sodass die Herrschaft mit dem Tyrannenregime geteilt wird. Dies, obwohl in Syrien kein internationaler Hegemonialkampf wie in Libyen oder im Jemen stattfindet, sondern der einzige „Hegemonialkämpfer“ die USA sind, welche Russland, den Iran, das Regime, deren Gefolgsleute und Anhängerschaft mit ihren diversen bestialischen Verbrechen instrumentalisieren. Und dies, obwohl der Gegner, mit dem es die USA zu tun haben, allein das syrische Volk mit seinen begrenzten materiellen Möglichkeiten ist, die in keiner Weise mit den Möglichkeiten dieser Staaten zu vergleichen sind. Trotzdem konnte die Gier dieser Staaten, ihres Gefolges und ihrer Anhängerschaft das Volk aš-Šāms nicht beugen! Die Ursache dafür liegt im mächtigen Islam, der das Volk aš-Šāms dazu antreibt, sich dem Unglauben und dessen Volke sowie dem Unrecht und dessen Beisteher entgegenzustellen. Es ist der mächtige Islam, mit dem die Herzen der Ehrlichen und Aufrichtigen erfüllt sind. Auch wenn sich der Islam in den Herzen mancher Menschen emotional bewegt, ohne von einem adäquaten Intellekt begleitet zu werden..., auch wenn er sich in den Herzen anderer aus unredlichen Motiven bewegt..., so ist dennoch die Atmosphäre überwiegend von islamischen Gefühlen geprägt. Und die islamischen Ideen werden von vielen offen ausgesprochen! Das ist bis heute die Ursache für das amerikanische Versagen: Es ist das Licht des Islams in aš-Šām, der Levante. Dies, obwohl der Islam sich noch nicht in einem Staat, der die Umma vereint, etabliert hat. Was wäre, wenn es diesen Staat gäbe? Jedenfalls wird diese Angelegenheit noch weitere Entwicklungen sehen.
﴿وَسَيَعْلَمُ الَّذِينَ ظَلَمُوا أَيَّ مُنْقَلَبٍ يَنْقَلِبُونَ﴾
Und jene, die ungerecht waren, werden wohl erkennen, welche Einkehr sie nehmen werden.
22. Ramaḍān 1437 n. H.
27/06/2016
Die Beziehung Großbritanniens zur Europäischen Union
- |
Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen
Antwort auf eine Frage
Die Beziehung Großbritanniens zur Europäischen Union
Frage:
Am 23.6.2016 wird im Vereinigten Königreich eine Volksabstimmung über den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union abgehalten. Diese Volksabstimmung findet in einer für die EU, die noch immer unter den Folgen der Wirtschaftskrise von 2008 leidet, heiklen Phase statt. Nun wird die Frage aufgeworfen, ob die EU im Falle eines Austritts Großbritanniens bestehen bleibt und ob sie – ganz abgesehen vom Ergebnis der Abstimmung – überhaupt eine Zukunft hat. Auch werden innerhalb des Vereinigten Königreichs Fragen nach der Rolle Großbritanniens in der Welt gestellt, da die Abstimmung zahlreiche Folgen haben wird. Was ist also von dieser Abstimmung zu erwarten? Möge Allah dich reichlich belohnen!
Antwort:
Um abschätzen zu können, was geschehen wird, wollen wir zuerst einmal die Entstehungsgeschichte der Europäischen Union und den Standpunkt Großbritanniens ihr gegenüber darlegen.
-
Die Wurzeln für die Gründung der Europäischen Union liegen im Jahre 1945 nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Es war der Wunsch, Europa zu vereinen, damit nicht noch mehr Kriege den Kontinent erschüttern. So blickt der europäische Kontinent auf eine lange Geschichte blutiger Kriege zurück. Der damalige britische Premier Winston Churchill unterstützte diese Idee und schlug vor, dass Europa „eine Struktur erhalten soll, die es ihm ermöglicht, in Frieden, Sicherheit und Freiheit zu leben […] als eine Art Vereinigte Staaten von Europa.“ In dieser Zeit allerdings, nach all der Zerstörung, die der Zweite Weltkrieg hinterlassen hatte, nahm Großbritannien die Idee eines vereinten Europas nicht wirklich ernst. Es konnte sich eine Realisierung dieser Idee gar nicht vorstellen. Als im Jahre 1951 die Kohle-und-Stahl-Union gegründet und im Jahre 1957 der Vertrag von Rom unterzeichnet wurde, schloss sich Großbritannien nicht an, da es befürchtete, dass ein Vereintes Europa die britische Souveränität gefährden könnte. Deswegen nahm es einen beobachtenden und abwartenden Standpunkt ein, um zu sehen, ob diese Union überhaupt am Leben bleiben wird. Dies zum einen. Zum anderen führte die Nichtteilnahme Großbritanniens zu einer Schwächung der Union von Anfang an, da ein großer Staat in Europa nicht Teil der Gemeinschaft war. Der Franzose Jean Monet, einer der ursprünglichen Architekten der Union, meinte: „Ich habe nie begriffen, warum die Briten nicht teilgenommen haben. Und ich bin zum Schluss gekommen, dass der Grund dafür der ‚Preis des Sieges‘ gewesen sein muss: die Illusion, dass man das, was man hat, ohne Veränderung bewahren kann.“ (BBC 1/4/2014)
-
Mit Beginn des Jahres 1960 hatte sich die Europäische Gemeinschaft gefestigt. Die britischen Politiker erkannten nun, dass ihr Verbleib außerhalb der Gemeinschaft bedeutet, keinen Einfluss darauf zu haben. Ihnen wurde bewusst, dass sie am Führungspodium Europas Platz nehmen mussten, um Einfluss auf die Gemeinschaft ausüben zu können und um sicherzustellen, dass sie sich nicht zu einem Grade vereint, der Großbritannien schwach und unbedeutend werden lässt. Deswegen stellte es 1961 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Dieser wurde jedoch zweimal seitens des französischen Präsidenten Charles De Gaulle abgelehnt. De Gaulle versuchte nämlich, Großbritannien von Europa fernzuhalten, weil er erkannt hatte, dass die britische Strategie darauf ausgerichtet war, die Vereinigung Europas zu verhindern. So beschuldigte er Großbritannien, eine „tiefe Feindschaft“ gegen das europäische Gebilde zu hegen. Jedoch trat De Gaulle 1969 vom Präsidentenamt zurück und starb ein Jahr später. Sein Nachfolger George Pompidou kam 1971 mit dem britischen Premier Eduard Heath zusammen. Und nach langen Verhandlungen gewährte er Großbritannien die Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft.
-
Danach, in der Regierungszeit der konservativen Partei (Conservative Party), begann Großbritannien unverzüglich, eine Neuverhandlung der Bedingungen für die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Gemeinschaft zu fordern. Es war der Versuch, die Gemeinschaft aufzuspalten und zu zerstören. Als die Arbeitspartei (Labour Party) 1974 an die Macht kam, benutzte sie die Forderung nach Neuverhandlungen, um Druck auf die Führer der Europäischen Gemeinschaft auszuüben. So erklärte die britische Regierung, dass sie die Punkte, die neuverhandelt werden sollten, einer Volksabstimmung unterziehen wolle. Danach einigten sich der deutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt und der britische Premier Harold Wilson auf einen Kompromiss, der Großbritannien in der Gemeinschaft halten sollte. Schmidt machte einige Zugeständnisse, um der Öffentlichkeit zu zeigen, dass die britische Regierung ihr Ziel einer Neuverhandlung erreicht habe. Alle drei Hauptparteien in Großbritannien führten damals eine Kampagne für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Gemeinschaft.
Bei der Volksabstimmung im Jahre 1975 stimmten dann auch 67% der Wähler für einen Verbleib. Damals bestand die Gemeinschaft aber lediglich aus einer Freihandelszone. Als das Jahr 1980 anbrach, setzten die Verantwortlichen in der EG einen stärkeren Zusammenschluss der Gemeinschaft in den Fokus und begannen, auf ein vereinteres Europa hinzuarbeiten. Auch wurde das Ziel einer Gemeinschaftswährung formuliert. Nun begann sich die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft in Richtung einer politischen Union und einem Einheitsmarkt zu entwickeln. Dadurch aber würde Großbritannien zu einem integrierten Staat in Europa verkümmern - wie Belgien zum Beispiel. Es würde auch bedeuten, dass Großbritannien einiges von seiner Souveränität, seiner Macht und seiner parlamentarischen Gesetzgebungsbefugnis an das europäische Parlament in Brüssel abtreten müsste. Obwohl Margaret Thatcher Europa anfangs unterstützte, hielt sie in Brügge (Belgien) 1988 eine Rede, in der sie den britischen Standpunkt der Europäischen Gemeinschaft gegenüber darlegte. Darin lehnte sie „einen europäischen Großstaat, der von Brüssel aus neue Kontrolle ausübt,“ ab. Dies führte zu einer Spaltung in der konservativen Partei, die bis heute anhält, und letztlich auch zum Sturz von Margaret Thatcher.
Und so vermochte es Großbritannien nicht, die Spaltung der Europäische Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Letztlich unterschrieb es auch das Maastricht-Abkommen von 1992. Damit wurden umfangreiche Machtbefugnisse an die neue Europäische Union übertragen. Großbritannien behielt sich allerdings das Recht vor, einer Einheitswährung nicht beizutreten.
-
Während der Regierungszeit Margaret Thatchers (1979-1990) vertieften sich die Differenzen zwischen den Politikern der konservativen Partei und der politischen Kaste Großbritanniens erheblich. Mehrere Minister traten damals zurück, unter ihnen auch der Vizepremierminister Geoffrey Howe. Nachdem 1971 in Großbritannien noch keine Opposition gegen die Europäische Gemeinschaft vorhanden war, nahm diese nun zu, da einige Politiker der Ansicht waren, dass London viele seiner Machtbefugnisse an Europa abtreten musste. So erklärte Professor Bogdanor, Experte für britische Geschichte am King‘s College in London: „Europa war eine schmerzliche Angelegenheit in der britischen Politik. Nicht nur, weil es die Spaltung zwischen den beiden Lagern verursacht hat, sondern auch wegen den diesbezüglich tiefen Gräben innerhalb der (britischen) Parteien selbst. Manche könnten sogar der Ansicht sein, dass die fundamentale Auseinandersetzung in der britischen Politik nach dem Zweiten Weltkrieg nicht so sehr zwischen Links- und Rechtsgerichteten stattgefunden hat, als vielmehr zwischen denen, die der Meinung sind, dass die Zukunft Großbritanniens in Europa liege, und denen, die gegenteiliger Ansicht sind.“ (BBC; 1/4/2014)
-
Zwei Fragen haben die Politiker und einen großen Teil der britischen Öffentlichkeit entzweit: Die erste ist die Frage der Souveränität und die andere die der Nationalität. So bedeutet der Beitritt zur EU die Übertragung zahlreicher Befugnisse an die Institutionen der Union. Dies umfasst zahlreiche Gesetze, die nunmehr in Brüssel und nicht mehr im britischen Parlament beschlossen werden. Das widerspricht aber dem Prinzip, dass jeder Staat eine Nation verkörpert. Denn die Gesetzgebungsgewalt und das Bestimmen der eigenen Politik ist in den säkularen Staaten ein Zeichen von Unabhängigkeit. So hat das Vereinigte Königreich mit fortschreitendem Zusammenschluss der Europäischen Union noch mehr Befugnisse an Brüssel verloren. Das führte zu zahlreichen Differenzen in den Reihen der Politelite Großbritanniens. Darüber hinaus ist die Europäische Union eine transnationale Organisation. Ein Umstand, der die britische Identität und Geschichte als eigener englischer Staat herausfordert.
All das führte zu großen innerbritischen Zwistigkeiten, was für die aufeinanderfolgenden britischen Regierungen bei der Instrumentalisierung der Europäischen Union für die eigenen Interessen ein großes Problem darstellte. So hatte die Gründung der Unabhängigkeitspartei in Großbritannien (UKIP) zur Folge, dass viele Briten der Partei ihre Unterstützung gaben. Dies befeuerte die Spaltungen innerhalb der konservativen Partei und verstärkte eine öffentliche Meinung gegen die EU. Die UKIP erhielt Sitze im europäischen Parlament und benutzte ihre dortige Position, um die EU anzugreifen und zu destruieren. Die Popularität dieser Partei wurde bei den britischen Parlamentswahlen 2015 neuerlich unterstrichen, als sie den dritten Platz erreichte. Jedoch sieht das britische Wahlsystem vor, dass der Erstgereihte bei der Wahl die Regierungsmacht übernimmt, was letztlich dazu führte, dass die UKIP von der Regierungsverantwortung ausgeschlossen wurde.
-
Seit Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 hat es zwischen Großbritannien und der EU harte Auseinandersetzungen in zahlreichen Fragen gegeben. So kam es zu einem Schlagabtausch zwischen David Cameron und der EU im Hinblick auf die Bankensteuer und die Eingrenzung des Londoner Finanzsektors. Im März 2015 gewann das Vereinigte Königreich ein Klageverfahren gegen die Europäische Zentralbank vor dem Europäischen Gerichtshof. So hatte die Europäische Zentralbank versucht, die Verrechnungsaufsicht über die Transaktionen in der Eurozone in den Euroraum zu verlegen. So ein Schritt hätte London ins Abseits drängen und Orte wie Paris oder Frankfurt als Finanzzentren attraktiver machen können. Dies hätte wiederum die wirtschaftliche Position Großbritanniens geschwächt. Auf der anderen Seite benutzte David Cameron die Drohung mit dem EU-Austritt als Instrument, um bessere Bedingungen bei den Verhandlungen mit den EU-Verantwortlichen herauszuschlagen. Wenn er mit dieser Drohung keinen Erfolg hatte, drohte er ihnen mit einer Volksabstimmung über den EU-Austritt.
-
Aus der Sicht Großbritanniens bedroht eine vereinte Europäische Union die eigene britische Stärke. Deswegen war die Aufrechterhaltung einer Spaltung der EU das permanente Ziel der Briten. Einerseits möchte Großbritannien, dass die EU gespalten bleibt. Andererseits ist es aber bestrebt, die EU bei internationalen Fragen für die eigenen Interessen zu benutzen. Seit dem Moment seines Beitritts zur Europäischen Gemeinschaft arbeitet Großbritannien bei jeder Gelegenheit daran, die EU zu spalten. Im nächsten Schritt ruft es dann zu unverzüglichen Verhandlungen auf. Dies führte letztlich auch zur Abhaltung des Referendums. So rief es zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum in der Europäischen Gemeinschaft auf, stellte sich dann aber dagegen. Es kritisierte die Errichtung eines europäischen Großstaates, weil dies seine Souveränität beschneiden würde. Es rief mitunter zur Einheit Europas auf, zog sich aber dann von der Teilnahme an der Eurozone zurück. Auf diese Weise trachtet Großbritannien bei jeder Gelegenheit danach, die Europäische Gemeinschaft aufzubrechen und sie schwach zu halten. Jedoch hat es seit den Anfängen der EU erkannt, dass es Teil der Gemeinschaft sein musste, um Einfluss nehmen zu können. Politisch ist es also für Großbritannien notwendig, Teil der EU zu bleiben. Deshalb schloss es sich auch der Gemeinschaft an, nachdem es erkannt hatte, dass es von außen sein Ziel der Einflussnahme nicht erreichen konnte. De Gaulle hatte die Absicht der Briten erkannt und hielt sie deswegen von der Gemeinschaft auf Distanz. Schlussendlich erlaubte man ihnen aber, der Gemeinschaft beizutreten.
-
Auch wirtschaftlich profitiert Großbritannien von der Europäischen Union. Dies nützt vor allem seinen Unternehmen und seiner vermögenden Elite. So dominieren in der britischen Wirtschaft die Dienstleistungen, und den Hauptteil davon bilden Finanzdienstleistungen. Großbritannien exportiert wenig Güter. Sein Einkommen beruht hauptsächlich auf Finanzdienstleistungen, Kapital- und Fremdwährungshandel. Der vereinte Wirtschaftsraum der EU bedeutet, dass Großbritannien nach ganz Europa seine Leistungen ohne wirtschaftliche Schranken exportieren kann. Das wiederum nützt den Großfirmen und der reichen Elite. Durch einen Austritt aus der EU käme ihm diese Position abhanden, was zu politischen Problemen im Lande führen würde. Auch bedeutet ein Austritt, dass Großbritannien von der EU getroffene Beschlüsse und Gesetze nicht mehr (automatisch) übernehmen würde. Nachdem die EU der Haupthandelspartner Großbritanniens ist, würde ein EU-Austritt seine Position als europäischer Staat in Europa schwächen. Darüber hinaus müsste es in diesem Falle die EU von außen herausfordern, was ihren Einfluss auf die EU schwächen würde. Eine Einflussnahme als Mitglied von innen her ist hingegen stärker und effektiver.
-
Auf Basis des bisher Gesagten kann man die Beziehung Großbritanniens zur EU und das zu erwartende Ergebnis bei der Volksabstimmung wie folgt zusammenfassen:
-
Großbritannien war immer bestrebt, die EU zu schwächen. Innerhalb der EU hat es stets auf dieses Ziel hingearbeitet.
-
Gleichzeitig betrachtet Großbritannien die EU aus dem Blickwinkel seiner eigenen Interessen. Es trachtet danach, die EU zu seinen Gunsten abzuwandeln, was den Zorn Frankreichs und Deutschlands hervorruft.
-
Aus seiner Mitgliedschaft in der EU ergeben sich für Großbritannien auch einige Nachteile. So verliert es Souveränität und Machtbefugnisse. Doch werden diese Nachteile als Preis angesehen, den man bezahlen muss, um auf die EU weiter Einfluss nehmen zu können. Dies führte zu Spaltungen unter den Politikern und Eliten und ebenso im britischen Volk. Die britische Regierung sah sich deswegen veranlasst, die Rückgabe einiger dieser Befugnisse zu fordern, indem es mit der Abhaltung eines Referendums über einen EU-Austritt drohte.
-
Aus diesen Gründen ist nicht zu erwarten, dass Großbritannien die EU verlässt. Vielmehr ist wahrscheinlicher, dass die Briten zugunsten des jetzigen Status Quos abstimmen werden.
So stellt sich in dieser Frage die präsumtive Meinung dar. Nichtsdestotrotz beherrscht Großbritannien die Kunst des Erpressens. Deshalb ist es nicht abwegig, dass Großbritannien das Abstimmungsdatum verschiebt, wenn sein Interesse dies erfordert, oder ein Ergebnis ohne klare Entscheidung bekannt gibt, um dadurch einen neuerlichen Verhandlungsspielraum zu gewinnen. Damit könnte es versuchen, der EU weitere Zugeständnisse abzupressen.
Zu erwarten ist, dass Großbritannien weiterhin versuchen wird, die EU zu täuschen, bis es in der EU jemanden gibt, der die Wahrheit Großbritanniens erkennt und es aus der Union hinauswirft, ohne sich vom Pochen auf etwaige Abstimmungstermine erpressen zu lassen.
25. Rağab 1437 n. H.
02.05.2016
Rechtssprüche bezüglich der zakāt
- |
Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen
Antwort auf eine Frage
Rechtssprüche bezüglich der zakāt
Erste Frage:
Unser ehrenwerter Scheich. Einen freundlichen, von Allah gesegneten Gruß. As-salāmu ʿalaikum. Meine Frage betrifft die Vermögensschwelle (niṣāb) für die Entrichtung der zakāt auf Handelsware. Im Buch „Finanzen im Staate des Kalifats“ wird auf Seite 195 (arab. Ausgabe) gesagt, dass die Vermögensschwelle (niṣāb) für die Entrichtung der zakāt bei 200 Dirham Silber liegt, also bei 595 Gramm, bzw. bei 20 Dinar Gold, was 85 Gramm entspricht. Welchen der beiden Werte sollen wir nun für unsere Berechnung der zakāt auf Handelsware heranziehen? Wohl gemerkt gibt es große Unterschiede zwischen dem Gold- und dem Silberpreis. So entspricht ein Golddinar ca. Hunderten von Silberdirhamen. Wenn wir beispielsweise fünf Golddinare berechnen, so übertrifft deren Wert bereits den niṣāb von Silber. Welchen der beiden Werte sollen wir heute also heranziehen? Möge Allah dich belohnen und uns aus deinem Wissen Nutzen ziehen lassen.
Zweite Frage
As-salāmu ʿalaikum wa raḥmatullāh. Ich habe einige Fragen bezüglich der zakāt:
1. Wie wird die zakāt berechnet?
2. Wenn ich mit meinem Besitz - z. B. 120g Gold - die Vermögensschwelle (nisāb) überschreite, wird die zakāt dann auf das berechnet, was über die 87,479g Gold hinausgeht, oder auf den gesamten Betrag, also auf 120g Gold? Wie steht es nun mit dem Reinheitsgrad von Gold, so gibt es Gold zu 24 Karat, 22 Karat und niedriger?
Wenn sich in einem Haus Gold mit einem Gesamtgewicht von 170g befindet, das sich jedoch auf mehrere Besitzer aufteilt, sodass z. B. eine Hälfte meiner Mutter und die andere meiner Frau gehört, muss dann dafür die zakāt: entrichtet werden, obwohl jeder der beiden Besitzer alleine den nisāb nicht erreicht, bei Summierung der beiden Anteile der nisāb jedoch überschritten wird?
Wenn ich das genaue hiğrī-Datum, an dem die Jahresfrist nach Erreichen des niṣābs begonnen hat, nicht kenne, wie und von welchem Datum an soll ich dann mit der zakāt-Berechnung beginnen?
Antwort:
Wa ʿalaikum as-salām wa raḥmatullāhi wa barakātuh!
Da sich beide Fragen um dasselbe Thema drehen, fassen wir sie in einer Antwort zusammen:
1. Der niṣāb bei Gold beträgt 20 Dinar, was 85g Gold entspricht und nicht 87,479g, wie in der Frage angeführt. Denn ein Dinar hat ein Gewicht von 4,25g Gold. Wenn wir dieses mit 20 Dinar multiplizieren, dann beträgt der niṣāb 85g Gold. 2. Der niṣāb bei Silber beträgt 200 Dirham, was 595g Silber entspricht, denn ein Dirham hat ein Gewicht von 2,975g Silber. Wenn wir dieses Gewicht mit 200 Dirham multiplizieren, dann beträgt der niṣāb für Silber 595g. Beweis dafür ist der bei Abū ʿUbaid in seinem Werk „al-Amwāl“ tradierte Bericht von ʿAbdullāh ibn ʿAmr (r), der sagte: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
«لَيْسَ فِي أَقَلَّ مِنْ عِشْرِينَ مِثْقَالا مِنَ الذَّهَبِ، وَلَا فِي أَقَلَّ مِنْ مِائَتَيْ دِرْهَمٍ صَدَقَةٌ»
Bei weniger als zwanzig miṯqāl an Gold und weniger als zweihundert Dirhamen fällt keine ṣadaqa (d. h. zakāt) an. Auch berichtet al-Buḫārī von Yaḥyā ibn ʿUmara ibn Abī al-Ḥasan, dass er Abū Saʿīd (r) sagen hörte: Es sprach der Prophet (s):
«لَيْسَ فِيمَا دُونَ خَمْسِ أَوَاقٍ صَدَقَةٌ»
Bei weniger als fünf ūqīya fällt keine ṣadaqa an. Gezählt ergibt dies zweihundert Dirham, denn eine ūqīya beträgt 40 Dirham.
2. Wenn der niṣāb bei Gold - d. h. 85g - und bei Silber - d. h. 595g - erreicht wird, so ist darauf noch keine zakāt zu entrichten, bis ein Jahr auf das Erreichen des niṣābs verstrichen ist. D. h. an dem Tage, an dem das Gold bzw. das Silber den niṣāb erreicht hat, beginnt die Jahresfrist zu laufen. Maßgebend ist hierbei das hiğrī-Jahr. Wird der niṣāb z. B. am 10. Muḥarram erreicht, so wird die zakāt auf dieses Vermögen am 10. Muḥarram des folgenden hiğrī-Jahres fällig. So berichtet at-Tirmiḏī von ibn ʿUmar, der sagte:
"مَنْ اسْتَفَادَ مَالًا فَلَا زَكَاةَ فِيهِ حَتَّى يَحُولَ عَلَيْهِ الحَوْلُ عِنْدَ رَبِّهِ"
Wer Vermögen lukriert, so ist dafür keine zakāt zu entrichten, bis im Eigentum ein Jahr darauf vergangen ist. Der Anteil an zakāt, der auf Gold und Silber zu entrichten ist, beträgt ein Viertel vom Zehntel. Beim Silber-niṣāb wären es also 5 Dirham, das sind 14,875g Silber, und beim Gold-niṣāb ein halber Dinar, was 2,125g Gold entspricht. So berichtet ibn Māğa über ʿAbdullāh ibn Wāqid von ibn ʿUmar und ʿĀʾiša,
«كَانَ يَأْخُذُ مِنْ كُلِّ عِشْرِينَ دِينَارًا فَصَاعِدًا نِصْفَ دِينَارٍ، وَمِنَ الْأَرْبَعِينَ دِينَارًا دِينَارًا»
dass der Prophet (s) von zwanzig Dinar und mehr einen halben Dinar und von vierzig Dinar einen Dinar erhob. Auch berichtet at-Tirmiḏī von ʿAlī, der sagte: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
«فَهَاتُوا صَدَقَةَ الرِّقَةِ: مِنْ كُلِّ أَرْبَعِينَ دِرْهَمًا دِرْهَمًا، وَلَيْسَ فِي تِسْعِينَ وَمِائَةٍ شَيْءٌ، فَإِذَا بَلَغَتْ مِائَتَيْنِ فَفِيهَا خَمْسَةُ دَرَاهِمَ»
So entrichtet die ṣadaqa auf Silber:Von jeweils vierzig Dirhamen einen, wobei auf 190 Dirham noch nichts anfällt. Wenn 200 erreicht sind, so sind darauf 5 Dirham zu entrichten.
3. Wie bereits erwähnt ist die zakāt auf Gold und Silber zu entrichten, wenn sie den niṣāb erreichen haben und ein Jahr auf das Erreichen des niṣābs verstrichen ist. Die zakāt muss auf den gesamten Betrag abgeführt werden, nicht nur auf jenen Teil davon, der über den niṣāb hinausgeht. Wer z. B. 170g Gold besitzt und ein Jahr darauf vergangen ist, der muss die zakāt auf die 170g entrichten, also ein Viertel vom Zehntel von 170g. Das wären: 4,25g Gold. D. h. er muss einen ganzen Dinar entrichten und nicht bloß die zakāt auf die 85g, die über den niṣāb hinausgehen. Anders ausgedrückt entrichtet er nicht nur 2,125g Gold, was einem halben Dinar entspräche. Gleiches gilt für Silber. Es muss darauf das Viertel vom Zehntel vom Gesamtbetrag entrichtet werden, sobald der niṣāb erreicht und ein Jahr darauf verstrichen ist.
4. Der Rechtsspruch bezüglich der zakāt gilt für das reine, 24-karätige Gold. Dasselbe gilt für die zakāt auf Silber. Wird das Gold bzw. das Silber mit anderen Metallen vermischt, werden diese anteilsmäßig vom Gewicht abgezogen, sodass die übrig gebliebene Menge nach Abzug des Mischanteils für die niṣāb-Berechnung herangezogen wird. Besitzt eine Person z. B. 85g 18-karätiges Gold, so hat sie die niṣāb-Schwelle noch nicht erreicht, weil das darin enthaltene reine Gold weniger als 85g ausmacht. Die zakāt auf einen 24-karätigen Goldbarren unterscheidet sich demnach von der zakāt auf einen 18-karätigen gleichen Gewichts. Für die niṣāb-Berechnung wird dabei der reine Goldanteil herangezogen. Der niṣāb bei 24-karätigem Gold beträgt somit 85g. Bei 18-karätigem Gold ist er höher, weil dieses zu einem Viertel mit anderen Materialien vermischt wurde. Anders ausgedrückt beinhaltet 18-karätiges Gold drei Viertel des Goldanteils von 24-karätigem. Demzufolge beträgt der niṣāb bei 18-karätigem Gold 11/3 des niṣābs bei reinem Gold, also 113,33g. Wer also 85g an reinem Gold besitzt (24 Karat), der hat den niṣāb erreicht. Ist darauf ein Jahr vergangen, zahlt er dafür 2,5% des Gesamtgewichts an zakāt. Wer aber 85g an 18-karätigem Gold besitzt, hat den niṣāb noch nicht erreicht, bis er 113,33g davon im Eigentum hält. Ist darauf die Jahresfrist verstrichen, zahlt er 2,5% zakāt vom Gesamtgewicht. Es ist also klar, dass bei der zakāt-Berechnung das reine Goldgewicht maßgebend ist.
5. Die zakāt ist ein individueller Gottesdienst (ʿibāda). Sie wird am Vermögen eines Muslims erst fällig, wenn es den niṣāb erreicht hat. Besitzt ein Mann z. B. 60g Gold und seine Frau ebenfalls 60g, so fällt weder für ihn noch für sie eine zakāt an, auch wenn die Summe dessen, was sie gemeinsam besitzen, den niṣāb überschreitet. Die zakāt wird erst fällig, wenn das Vermögen eines von ihnen alleine den niṣāb erreicht. Dann muss sie vom Vermögen dessen entrichtet werden, dessen Vermögenswert den niṣāb erreicht hat. Wenn das Vermögen des Mannes anwächst und beispielsweise 120g Gold erreicht, so muss die zakāt auf dieses Vermögen entrichtet werden, ohne das Vermögen der Frau - also die 60g Gold - hinzuzurechnen.
6. Handelt es sich beim Vermögen, auf das zakāt zu entrichten ist, um Fiatgeld (heutige Pflichtwährung) oder um Handelsware, so muss es nach einem der beiden niṣāb-Schwellen geschätzt werden, also entweder nach dem Gold- oder nach dem Silber-niṣāb. Unterscheiden sich beide niṣāb-Werte, wie es in unserer heutigen Zeit der Fall ist, sodass der Silber-niṣāb vom Wert her viel niedriger ausfällt als der Gold-niṣāb, so muss meiner Ansicht nach die Berechnung mit dem niedrigeren der beiden niṣāb-Schwellen, also mit dem Silber- und nicht mit dem Gold-niṣāb erfolgen. Der niedrigere der beiden niṣāb-Schwellen muss deshalb herangezogen werden, weil eine Person bei Erreichen des niedrigeren niṣābs bereits zakāt-pflichtig geworden ist. Es steht ihr nicht zu, diesen zu überschreiten und abzuwarten, bis sie den höheren erreicht hat. Vielmehr muss sie das Datum notieren, an dem sie zakāt-pflichtig geworden ist, und nach einem Jahr die zakāt darauf entrichten. Zudem ist die zakāt ein Anspruch der Armen und Mittellosen.
{إِنَّمَا الصَّدَقَاتُ لِلْفُقَرَاءِ وَالْمَسَاكِينِ...}
Die Almosen sind nur für die Armen und die Bedürftigen […]. (9:60)
{وَالَّذِينَ فِي أَمْوَالِهِمْ حَقٌّ مَعْلُومٌ * لِلسَّائِلِ وَالْمَحْرُومِ}
Und diejenigen, in deren Vermögen ein bekannter Anteil bestimmt ist, für den Bittenden und den Unbemittelten. (70:24-25) Auch sagte der Gesandte Allahs (s):
«فَأَعْلِمْهُمْ أَنَّ اللَّهَ افْتَرَضَ عَلَيْهِمْ صَدَقَةً فِي أَمْوَالِهِمْ تُؤْخَذُ مِنْ أَغْنِيَائِهِمْ وَتُرَدُّ عَلَى فُقَرَائِهِمْ»
So setze sie darüber in Kenntnis, dass Allah ihnen in ihrem Vermögen eine ṣadaqa (zakāt) auferlegt hat. Sie wird von ihren Reichen genommen und ihren Armen zurückgegeben. Bei al-Buḫārī tradiert. Demzufolge ist es das Interesse des Anspruchsberechtigten, das berücksichtigt werden muss. Daraus ergibt sich, dass der niṣāb nach dem niedrigeren Wert zu bemessen ist, also nach der Höhe des Silber-niṣābs.
7. Was die Methode der zakāt-Berechnung betrifft, so hat sie folgendermaßen zu erfolgen: Hat das Vermögen den niṣāb erreicht, dann beginnt dessen Jahresfrist zu laufen. Wenn es z. B. am 10. Muḥarram 1437 n. H. den niṣāb erreicht hat, so wird die zakāt darauf am 10. Muḥarram des folgenden hiğrī-Jahres, also 1438 n. H., fällig. Hat sich dieses Vermögen vermehrt, so wird die Vermehrung dem Ursprungsbetrag hinzugefügt und die Jahresfrist ist für beide dieselbe. Wenn eine Person beispielsweise am 10. Muḥarram 1437 n. H. 100g Gold besitzt, dieses dann in Handelstätigkeit investiert und bis zum 10. Muḥarram des Folgejahres - also 1438 n. H.- 150g Gold dazuverdient hat, so muss sie die zakāt für 250g entrichten, da das verdiente Vermögen aus dem ursprünglichen hervorgegangen ist und somit denselben Rechtsspruch erhält. Sollte neues Vermögen nach dem 10. Muḥarram 1437 n. H. entstehen, das sich nicht aus der Vermehrung des ursprünglichen Vermögens ergeben hat, wenn der Person z. B. Geld geschenkt wurde oder sie Geld geerbt hat, so hat dieses neue Vermögen seine eigene Jahresfrist. Hat die Person es z. B. am 10. Shaban 1437 n. H. erworben, so wird dessen zakāt am 10. Shaban 1438 n. H. fällig und nicht am 10. Muḥarram 1438 n. H., weil die Jahresfrist beider Beträge unterschiedlich ist.
8. Auch ist es erlaubt, die zakāt-Zahlung vorzuziehen, indem sie vor Ende der Jahresfrist entrichtet wird. So ist es zulässig, am 10. Muḥarram die zakāt sowohl für den ursprünglichen Betrag als auch für jenen zu entrichten, der durch Schenkung oder Erbschaft dazugekommen ist, anstatt für den dazugekommenen Betrag bis zum 10. Šaʿbān zu warten. Die Erlaubnis, die zakāt-Entrichtung vorzuziehen, geht aus mehreren Rechtsbelegen hervor. Dazu zählen:
Al-Baihaqī berichtet in „as-Sunan al-kubrā“ von ʿAlī,
«أَنَّ الْعَبَّاسَ رَضِيَ اللهُ عَنْهُ سَأَلَ رَسُولَ اللهِ ﷺ فِي تَعْجِيلِ صَدَقَتِهِ قَبْلَ أَنْ تَحِلَّ فَأَذِنَ لَهُ فِي ذَلِكَ»
dass al-ʿAbbās den Gesandten Allahs (s) fragte, ob er seine zakāt vorauszahlen könne, bevor diese fällig wurde, und er (s) erlaubte es ihm.
Ad-Dāraquṭnī tradiert in seinem Werk „as-Sunan“ über Ḥuğr al-ʿAdawī von ʿAlī, der sagte: Der Gesandte Allahs (s) sprach zu ʿUmar:
«إِنَّا قَدْ أَخَذْنَا مِنَ الْعَبَّاسِ زَكَاةَ الْعَامِ عَامِ الْأَوَّلِ»
Von al-ʿAbbās haben wir die Jahres-zakāt zum Jahresanfang erhalten.
Demzufolge kannst du bezüglich der zakāt auf dein Vermögen wie folgt vorgehen:
Trage das hiğrī-Datum ein, wenn dein Vermögen die niṣāb-Schwelle erreicht hat.
Nach einem vollen hiğrī-Jahr berechnest du alles, was an Vermögen bei dir vorhanden ist. Sei es der niṣāb-Betrag oder das, was darüber hinausgeht.
Dann entrichtest du die zakāt auf den gesamten Betrag, den du besitzt, und zwar nicht nur auf den Anteil, der (vor einem Jahr) den niṣāb erreicht hatte, sondern auf den Gesamtbetrag, d. h. auf den niṣāb und das, was darüber hinausgeht.
Von nun an berechnest du dein Vermögen jedes Jahr zu diesem Datum und entrichtest auf die Gesamtmenge die zakāt, sei es der niṣāb-Anteil davon oder das, was darüber hinausgeht.
9. Wenn man das Datum vergessen hat, an dem das Vermögen den niṣāb erreicht hat, so muss man es schätzen. Dabei ist das Interesse der zakāt-Berechtigten zu berücksichtigen, da ihr Anspruch am Vermögen gegenüber dem Anspruch des Vermögensbesitzers Vorrang hat. Schwankt z. B. die Schätzung der Jahresfrist zwischen den Monaten Muḥarram und Šaʿbān, so soll man den Monat Muḥarram - nicht Šaʿbān - als Beginn festlegen, da dies für den eigenen Glauben sicherer ist.
Euer Bruder ʿAṭāʾ ibn Ḫalīl Abū ar-Rašta
2. Ṣafar 1437 n. H.
14/11/2015
Und worüber Er schwieg, davon wurde abgesehen
- |
Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen
Antwort auf eine Frage
Und worüber Er schwieg, davon wurde abgesehen
Frage:
Im Buch „Die islamische Persönlichkeit 3. Teil“ - autorisierte Ausgabe - wird auf Seite 46 Zeile 6 u. 7 Folgendes erwähnt: […] Worüber das islamische Recht schwieg, das wurde von ihm nicht verboten, also gestattet. Darunter fällt die Pflicht (wāğib), das Wünschenswerte (mandūb), das Erlaubte (mubāḥ) und das Unerwünschte (makrūh).
Dazu habe ich folgende Fragen:
1. Im Hadith heißt es: Er schwieg über (...). Wenn wir nun annehmen würden, dass dies die Pflicht, das Wünschenswerte und das Unerwünschte umfasst, so würde das bedeuten, dass der Gesetzgeber dort, wo es notwendig wäre, keine nähere Erläuterung gegeben hat.
2. Im Hadith heißt es weiter: […] über Dinge. Er sagte nicht: „über Taten“. Bei Dingen ist aber nur das Attribut „erlaubt“ und „verboten“ vorstellbar, nicht aber „verpflichtend“, „erwünscht“ oder „unerwünscht“. Dies gilt insbesondere deshalb, da der Hadith im Zuge der Frage nach dem Rechtsspruch betreffend Schmalz, Käse und Felle ergangen ist, was ja Dinge und keine Handlungen sind.
3. Des Weiteren wird im Hadith ausgeführt: […] als Erleichterung (ruḫṣa). Wie kann es sich denn um eine Erleichterung handeln, wenn das Schweigen (des Gesetzgebers) auch als Pflicht interpretiert werden kann?
4. Ebenso erwähnt der Hadith: [...] davon wurde abgesehen (ʿafw). Wie kann von etwas abgesehen werden, wenn man das Schweigen (des Gesetzgebers) auch als Pflicht interpretieren kann?
5. Im Hadith heißt es weiter: […], so sucht nicht danach. Er untersagt also die Untersuchung dieser Angelegenheiten. Wenn sie aber die Möglichkeit der Verpflichtung, der Empfehlung oder des Abratens beinhalten, dann hätte er deren Untersuchung doch nicht untersagen können.
Ich bitte um Darlegung. Möge Allah dich reichlich belohnen!
Antwort:
1. Die relevanten Hadithe sind die folgenden:
a) At-Tirmiḏī berichtet von Salmān al-Fārisī, der sagte:
سئل رسول الله صلى الله عليه وسلم عن السمن، والجبن، والفراء، فقال: «الْحَلاَلُ مَا أَحَلَّ اللَّهُ فِي كِتَابِهِ، وَالْحَرَامُ مَا حَرَّمَ اللَّهُ فِي كِتَابِهِ، وَمَا سَكَتَ عَنْهُ فَهُوَ مِمَّا عَفَا عَنْهُ«...
Der Gesandte Allahs (s) wurde nach dem Schmalz, dem Käse und den Fellen gefragt. Er antwortete: „Statthaft ist, was Allah in Seinem Buch für statthaft erklärt hat. Und verboten ist, was Allah in Seinem Buch verboten hat. Und worüber er schwieg, zählt zu dem, was Er verziehen (afa anhu) hat. In einer Tradierung bei Abū Dāwūd von ibn ʿAbbās heißt es:
»فَبَعَثَ اللَّهُ تَعَالَى نَبِيَّهُ، صَلَّى اللهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ وَأَنْزَلَ كِتَابَهُ، وَأَحَلَّ حَلَالَهُ، وَحَرَّمَ حَرَامَهُ، فَمَا أَحَلَّ فَهُوَ حَلَالٌ، وَمَا حَرَّمَ فَهُوَ حَرَامٌ، وَمَا سَكَتَ عَنْهُ فَهُوَ عَفْوٌ«
Da entsandte Allah (t) Seinen Propheten (s) und sandte Sein Buch herab. Er hat das, was darin statthaft ist, für statthaft erklärt, und das was darin verboten ist, für verboten erklärt. Was er für statthaft erklärt hat, ist statthaft, und was er für verboten erklärt hat, ist verboten. Und worüber er schwieg, das ist verziehen (ʿafw).
b) In den „as-Sunan al-kubrā“ von al-Baihaqī wird von Abū Ṯaʿlaba (r) berichtet, der sprach:
»إِنَّ اللهَ فَرَضَ فَرَائِضَ، فَلَا تُضَيِّعُوهَا، وَحَّدَ حُدُودًا، فَلَا تَعْتَدُوهَا، وَنَهَى عَنْ أَشْيَاءَ، فَلَا تَنْتَهِكُوهَا، وَسَكَتَ عَنْ أَشْيَاءَ رُخْصَةً لَكُمْ، لَيْسَ بِنِسْيَانٍ، فَلَا تَبْحَثُوا عَنْهَا«
Allah hat Pflichten erlassen, so missachtet sie nicht. Er hat Grenzen festgelegt, so übertretet sie nicht. Er hat Dinge untersagt, so vergeht euch daran nicht, und zu Dingen geschwiegen - als Erleichterung für euch, nicht aus Vergessenheit -, so forscht darüber nicht nach!
c) Der bei at-Tirmiḏī und ad-Dāraquṭnī von ʿAlī tradierte Hadith, wo er sagt:
لَمَّا نَزَلَتْ هَذِهِ الْآيَةُ ﴿وَلِلَّهِ عَلَى النَّاسِ حِجُّ الْبَيْتِ مَنِ اسْتَطاعَ إِلَيْهِ سَبِيلًا﴾ قَالُوا: يَا رَسُولَ اللَّهِ أَفِي كُلِّ عَامٍ؟ فَسَكَتَ، فَقَالُوا: َفِي كُلِّ عَامٍ؟ قَالَ: «لَا وَلَوْ قُلْتُ نَعَمْ لَوَجَبَتْ»، فَأَنْزَلَ اللَّهُ تَعَالَى: ﴿يا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا لا تَسْئَلُوا عَنْ أَشْياءَ إِنْ تُبْدَ لَكُمْ تَسُؤْكُمْ﴾ إِلَى آخِرِ الْآيَةِ.
Als der Vers Und die Pilgerfahrt zum Haus ist den Menschen eine Pflicht vor Allah herabgesandt wurde,fragten sie:„O Gesandter Allahs, ist sie jedes Jahr zu erfüllen?“ Da schwieg er. Doch sie fragten:„Jedes Jahr?“ Da antwortete er: „Nein, wenn ich ja sagen würde, wäre es verpflichtend.“ Da offenbarte Allah den Vers: Ihr, die ihr glaubt. Fragt nicht nach Dingen, die, würden sie euch enthüllt werden, euch unangenehm wären (...). (5:101)
In einer weiteren Tradierung dazu bei ad-Dāraquṭnī wird von Abū Huraira berichtet, der sagte: Es sprach der Gesandte Allahs:
«يَا أَيُّهَا النَّاسُ كُتِبَ عَلَيْكُمُ الْحَجُّ» فَقَامَ رَجُلٌ فَقَالَ: فِي كُلِّ عَامٍ يَا رَسُولَ اللَّهِ؟ فَأَعْرَضَ عَنْهُ، ثُمَّ عَادَ فَقَالَ: فِي كُلِّ عَامٍ يَا رَسُولَ اللَّهِ؟ فَقَالَ: «وَمَنِ الْقَائِلُ»؟ قَالُوا: فُلَانٌ، قَالَ: «وَالَّذِي نَفْسِي بِيَدِهِ لَوْ قُلْتُ نَعَمْ لَوَجَبَتْ وَلَوْ وَجَبَتْ مَا أَطَقْتُمُوهَا وَلَوْ لَمْ تُطِيقُوهَا لَكَفَرْتُمْ» فَأَنْزَلَ اللَّهُ تَعَالَى: ﴿يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا لا تَسْئَلُوا عَنْ أَشْياءَ إِنْ تُبْدَ لَكُمْ تَسُؤْكُم﴾
„Ihr Menschen, die Pilgerfahrt ist euch vorgeschrieben worden.“ Da erhob sich ein Mann und fragte:„Jedes Jahr, o Gesandter Allahs?“ Doch der Gesandte wandte sich ab von ihm. Der Mann fragte erneut:„Jedes Jahr, o Gesandter Allahs?“ Da sprach der Gesandte: „Und wer fragt?“ Sie antworteten:„Jener hier“. Da sprach er: „Bei Dem, in Dessen Hand meine Seele liegt. Wenn ich ja sagen würde, wäre es verpflichtend. Und wenn es verpflichtend wäre, würdet ihr es nicht vermögen. Und wenn ihr es nicht vermögt, würdet ihr ungläubig werden.“ Da sandte der Erhabene herab: Ihr, die ihr glaubt. Fragt nicht nach Dingen, die, würden sie euch enthüllt, euch unangenehm wären. (5:101)
2. Bevor wir die Bedeutung dieser Hadithe analysieren, wäre es gut, auf einige notwendige Punkte hinzuweisen:
a) Die Unterscheidung zwischen einem „Ding“, also einer Sache (šaiʾ), und einer „Handlung“ (fiʿl) ist eine juristische im Bereich der Untersuchungen der islamischen Rechtsgrundlagen (uṣūl) und keine sprachliche. Denn sprachlich umfasst der Ausdruck šaiʾ (Sache) auch Handlungen. Gleiches gilt für die Unterteilung des islamischen Rechtsspruchs in far
und wāğib (Pflicht), mandūb (erwünscht), mubāḥ (erlaubt), makrūh (unerwünscht), ḥarām und maḥẓūr (verboten) bzw. in ruḫṣa (Erleichterung), ʿazīma (grundsätzliche Anordnung), šarṭ (Bedingung), sabab (Auslöser), māniʿ (Hinderungsgrund), ṣaḥīḥ (richtig), fāsid (mangelhaft), bāṭil (ungültig) usw. Es handelt sich also um juristische Fachausdrücke in den Rechtsgrundlagen. Wenn du ein Sprachwörterbuch aufschlägst und nach der Bedeutung dieser Ausdrücke suchst, wirst du ihre juristische Bedeutung nicht finden.
Diese Fachbegriffe wurden erst nach der Zeit des Gesandten Allahs (s) und der Rechtgeleiteten Kalifen festgelegt, was im Übrigen ebenso auf die grammatikalischen Fachtermini fāʿil (Subjekt), mafʿūl (Objekt) etc. zutrifft. Schlägst du auch diese Ausdrücke im Wörterbuch nach, wirst du sehen, dass ihre Bedeutungen von ihrer konventionell-grammatikalischen abweichen.
b) Somit gilt: Wenn du einen Hadith des Gesandten (s) oder eines seiner Gefährten, möge Allah mit ihnen Wohlgefallen haben, liest und den Ausdruck šaiʾ (Sache) oder fāʿil (Handelnder) findest, so heißt das nicht, dass sie in ihrer konventionellen Bedeutung ergangen sind. Vielmehr musst du die Aussage studieren, um zu erkennen, was mit den Ausdrücken wirklich gemeint ist: Ist es die sprachliche Bedeutung (ḥaqīqa luġawīya), eine Bedeutung in der allgemeinen Konvention der Araber (ḥaqīqa ʿurfīya ʿāmma) bzw. in ihrer spezifischen Konvention (ḥaqīqa ʿurfīya ḫāṣṣa) oder hat der Ausdruck eine islamrechtliche Bedeutung (ḥaqīqa šarʿīya).
c) Wenn die (an den Propheten gerichtete) Frage in spezifischen Ausdrücken formuliert wurde, die Antwort (des Propheten) aber unabhängig von der Frage in allgemeiner Formulierung ergangen ist, so gilt sie allgemein zum ganzen Thema der behandelten Frage. Sie gilt dann nicht mehr allein für die in der Frage verwendeten Ausdrücke, d. h. für das in der Frage erwähnte Detail. Zum Beispiel heißt es in einem ḥadīṯ ṣaḥīḥ, den at-Tirmiḏī von Abū Saʿīd al-Ḫudrī in vollem Strang berichtet: Man fragte:
قِيلَ: يَا رَسُولَ اللَّهِ، أَتَتَوَضَّأُ مِنْ بِئْرِ بُضَاعَةَ...؟ فَقَالَ رَسُولُ اللَّهِ صَلَّى اللَّهُ عَلَيْهِ وَسَلَّمَ: «إِنَّ المَاءَ طَهُورٌ لَا يُنَجِّسُهُ شَيْءٌ»
„O Gesandter Allahs, sollen wir vom Bu
āʿa-Brunnen die rituelle Reinigung vollziehen?“ Da antwortete der Gesandte (s): „Wahrlich, Wasser ist sauber und wird durch nichts verunreinigt.“
Hier wurde der Gesandte (s) nach dem Bu
āʿa-Brunnen gefragt. Die Antwort wurde aber unabhängig vom Bu
āʿa-Brunnen formuliert. So hat er auf den Bu
āʿa-Brunnen in seiner Antwort keinen Bezug genommen. Vielmehr sagte er: Wahrlich, Wasser ist sauber und wird durch nichts verunreinigt. Die Aussage gilt also allgemein für die Reinigung mit Wasser, sei es vom Bu
āʿa-Brunnen oder von irgendeiner anderen Wasserstelle. Hier kann nicht behauptet werden, dass Thema der allgemeinen Aussage sei der Bu
āʿa-Brunnen gewesen. Die Antwort des Propheten (s) ist nämlich allgemein ergangen, und zwar zum Thema, das von der Antwort – nicht von der Frage – angesprochen wurde. Das Thema muss also der Antwort entnommen werden und nicht der Frage. Das heißt, das Thema wird der Aussage Wahrlich, Wasser ist sauber und wird durch nichts verunreinigt entnommen und nicht dem Ausdruck „Bu
āʿa-Brunnen“ aus der Frage. Thema der Antwort ist also die Reinigung mit Wasser und nicht der Bu
āʿa-Brunnen.
3. Nun kommen wir zur Antwort auf deine Frage:
a) Der Hadith bei at-Tirmiḏī lautet:
«الْحَلاَلُ مَا أَحَلَّ اللَّهُ فِي كِتَابِهِ، وَالْحَرَامُ مَا حَرَّمَ اللَّهُ فِي كِتَابِهِ، وَمَا سَكَتَ عَنْهُ فَهُوَ مِمَّا عَفَا عَنْهُ»
Der Gesandte Allahs (s) wurde nach dem Schmalz, dem Käse und den Fellen gefragt. Er antwortete: „Statthaft ist, was Allah in Seinem Buch für statthaft erklärt hat. Und verboten ist, was Allah in Seinem Buch verboten hat. Und worüber er schwieg, zählt zu dem, was Er verziehen hat (ʿafā ʿanhu). In der Tradierung bei Abū Dāwūd heißt es:
«...وَمَا سَكَتَ عَنْهُ فَهُوَ عَفْوٌ»
[...] und worüber er schwieg, das ist verziehen (d. h. davon wird abgesehen).
Der angereihte Satz und worüber er schwieg bezieht sich auf den nächstgelegenen Satz mit der Aussage: Verboten ist, was Allah in Seinem Buch verboten hat. D. h. worüber er schwieg, davon wird vom Verbot abgesehen. Mit anderen Worten ist es das Statthafte (ḥalāl).
Die Allgemeingültigkeit der Aussage ist hier auf das Thema bezogen. Weil die Antwort aber allgemeiner als die Frage und unabhängig von dieser ausgefallen ist, muss das Thema der Antwort und nicht der Frage entnommen werden. Demzufolge umfasst es alles, worauf der Rechtsspruch des Statthaften (ḥalāl) oder des Verbotenen (ḥarām) anzuwenden ist, sei es auf Schmalz, Käse und Fellen oder auf irgendeine Angelegenheit, die in den Bereich des Statthaften oder Verbotenen fällt. Das trifft auf alles zu, was unter den Ausdrücken šaiʾ (Sache) und fiʿl (Handlung) in ihrer konventionellen Bedeutung zu verstehen ist. Wendet man die Aussage auf eine Sache (šaiʾ) an, dann ist mit ḥalāl (statthaft) die Erlaubnis gemeint. Wendet man sie auf eine Handlung an, so umfasst der Begriff ḥalāl alles, was nicht zum Verbotenen zählt, nämlich die Pflicht, das Erwünschte, das Erlaubte und das Unerwünschte.
b) Der bei al-Baihaqī tradierte Hadith von Abū Ṯaʿlaba, wo er sagt:
«... وَنَهَى عَنْ أَشْيَاءَ، فَلَا تَنْتَهِكُوهَا، وَسَكَتَ عَنْ أَشْيَاءَ رُخْصَةً لَكُمْ، لَيْسَ بِنِسْيَانٍ، فَلَا تَبْحَثُوا عَنْهَا»
[...] Er hat Dinge untersagt, so vergeht euch daran nicht, und zu Dingen geschwiegen - als Erleichterung für euch, nicht aus Vergessenheit -, so forscht darüber nicht nach!
Bei diesem Hadith sind drei Punkte zu beachten:
Erstens: Der Ausdruck „Dinge“ in der Aussage zu Dingen geschwiegen ist hier nicht in seiner konventionellen Bedeutung zu verstehen, d. h. nicht als Sache im Gegensatz zu Handlung. Vielmehr umfasst er Handlungen gleichermaßen. So heißt es beispielsweise im erhabenen Koran: Ihr, die ihr glaubt! Fragt nicht nach Dingen, die, würden sie euch enthüllt, euch unangenehm wären; und wenn ihr danach fragt zur Zeit, da der Koran niedergesandt wird, werden sie euch klar. Allah hat davon abgesehen; und Allah ist allverzeihend, nachsichtig. (5:101) Gefragt wurde nämlich nach der „Handlung der Pilgerfahrt“. Dazu wird im tafsīr-Werk von al-Qurṭubī ausgeführt (6/330):
At-Tirmiḏī und ad-Daraquṭnī tradieren einen Hadith von ʿAlī (r), der sagte:
لَمَّا نَزَلَتْ هَذِهِ الْآيَةُ ﴿وَلِلَّهِ عَلَى النَّاسِ حِجُّ الْبَيْتِ مَنِ اسْتَطاعَ إِلَيْهِ سَبِيلًا﴾. قَالُوا: يَا رَسُولَ اللَّهِ أَفِي كُلِّ عَامٍ؟ فَسَكَتَ، فَقَالُوا: أَفِي كُلِّ عَامٍ؟ قَالَ: «لَا وَلَوْ قُلْتُ نَعَمْ لَوَجَبَتْ»، فَأَنْزَلَ اللَّهُ تَعَالَى: ﴿يا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا لا تَسْئَلُوا عَنْ أَشْياءَ إِنْ تُبْدَ لَكُمْ تَسُؤْكُمْ﴾ إِلَى آخِرِ الْآيَةِ
Als der Vers Und die Pilgerfahrt zum Haus ist den Menschen eine Pflicht vor Allah herabgesandt wurde,sagten sie:„O Gesandter Allahs, ist sie jedes Jahr zu erfüllen?“ Er schwieg. Sie fragten:„Jedes Jahr?“ Da sagte er: „Nein, wenn ich ja sagen würde, wäre es verpflichtend.“ Sodann offenbarte Allah den Vers: Ihr, die ihr glaubt. Fragt nicht nach Dingen, die, würden sie euch offengelegt werden, euch unangenehm wären [...]. (5:101)
In einer weiteren Tradierung dazu bei ad-Dāraquṭnī wird von Abū Huraira berichtet, der sagte:
قَالَ رَسُولُ اللَّهِ صلى الله عليه وسلم: «يَا أَيُّهَا النَّاسُ كُتِبَ عَلَيْكُمُ الْحَجُّ» فَقَامَ رَجُلٌ فَقَالَ: فِي كُلِّ عَامٍ يَا رَسُولَ اللَّهِ؟ فَأَعْرَضَ عَنْهُ، ثُمَّ عَادَ فَقَالَ: فِي كُلِّ عَامٍ يَا رَسُولَ اللَّهِ؟ فَقَالَ: «وَمَنِ الْقَائِلُ»؟ قَالُوا: فُلَانٌ، قَالَ: «وَالَّذِي نَفْسِي بِيَدِهِ لَوْ قُلْتُ نَعَمْ لَوَجَبَتْ وَلَوْ وَجَبَتْ مَا أَطَقْتُمُوهَا وَلَوْ لَمْ تُطِيقُوهَا لَكَفَرْتُمْ» فَأَنْزَلَ اللَّهُ تَعَالَى: ﴿يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا لا تَسْئَلُوا عَنْ أَشْياءَ إِنْ تُبْدَ لَكُمْ تَسُؤْكُم﴾ الْآيَةَ
Es sprach der Gesandte Allahs: „Ihr Menschen, die Pilgerfahrt ist euch vorgeschrieben worden.“ Da erhob sich ein Mann und fragte:„Jedes Jahr, o Gesandter Allahs?“ Doch der Gesandte wandte sich ab von ihm. Der Mann fragte erneut:„Jedes Jahr, o Gesandter Allahs?“ Da sprach der Gesandte: „Und wer fragt?“ Sie antworteten:„Jener hier“. Da sprach er: „Bei Dem, in dessen Hand meine Seele liegt. Wenn ich ja sagen würde, wäre es verpflichtend. Und wenn es verpflichtend wäre, würdet ihr es nicht vermögen. Und wenn ihr es nicht vermögt, würdet ihr ungläubig werden. Da sandte der Erhabene herab: Ihr, die ihr glaubt. Fragt nicht nach Dingen, die, würden sie euch offengelegt werden, euch unangenehm wären. (5:101) Ende des Zitats.
Daraus wird klar, dass es um die Frage der Pilgerfahrt ging. Die Pilgerfahrt ist bekanntlich eine Handlung (fiʿl). Trotzdem hat sie Allah in der āya als „Ding“ (šaiʾ) bezeichnet.
Zweitens: Und Er schwieg zu Dingen als Erleichterung für euch [...]. Dieser angereihte Satz Und Er schwieg [...] bezieht sich auf die nächstgelegene Aussage im Text, nämlich: und Er untersagte Dinge, so vergeht euch daran nicht. Die Erleichterung bezieht sich also auf die apodiktische Untersagung, d. h. auf das Verbotene (ḥarām). Beleg dafür ist die Aussage so vergeht euch daran nicht (lā tantahikūhā). Worüber Er geschwiegen hat, ist somit die Erleichterung vom Verbotenen, also das Statthafte (ḥalāl). Das kann sich auf die Frage nach einer Sache (šaiʾ) im konventionellen Sinne beziehen, dann bedeutet ḥalāl die Erlaubnis, oder auf die Frage nach einer Handlung (fil) im konventionellen Sinne, dann bedeutet ḥalāl das, was nicht verboten wurde. Mit anderen Worten umfasst es in diesem Falle die Pflicht, das Wünschenswerte, das Erlaubte und das Unerwünschte.
Drittens: So forscht darüber nicht nach. Dieser Satz ist mit der Aussage und Er schwieg zu Dingen verbunden, die ihrerseits der Aussage und Er untersagte Dinge, so vergeht euch daran nicht angehängt ist. Damit ist ebenso das Statthafte gemeint. Die Aussage bedeutet also: So forscht nicht nach deren Verbot. Sie bedeutet nicht: So forscht nicht nach deren Rechtssprüchen, ob sie nun verpflichtend, erwünscht etc. sind. Der Hadith bedeutet, dass das, worüber geschwiegen wurde, statthaft (ḥalāl) ist. So forscht nicht über ein Verbot nach, damit es nicht wegen eurer Nachfrage verboten wird. In einem Hadith bei al-Buḫārī heißt es: Von Saʿd ibn Abī Waqqās wird berichtet, dass der Prophet (s) sprach:
«إِنَّ أَعْظَمَ المُسْلِمِينَ جُرْمًا، مَنْ سَأَلَ عَنْ شَيْءٍ لَمْ يُحَرَّمْ، فَحُرِّمَ مِنْ أَجْلِ مَسْأَلَتِهِ»
Der Schlimmste an Sündhaftigkeit unter den Muslimen ist derjenige, der nach einer Sache fragt, die nicht verboten wurde und die wegen seiner Nachfrage verboten wird.
4. Demzufolge ist zu den Ausführungen in deinem Schreiben Folgendes zu sagen:
Deine Aussage: „Wenn wir nun annehmen würden, dass dies die Pflicht, das Wünschenswerte und das Unerwünschte umfasst, so würde das bedeuten, dass der Gesetzgeber dort, wo es notwendig wäre, keine nähere Erläuterung gegeben hat (...).“
Die Frage im Hadith stellt sich zwischen Verbotenem und Statthaftem. Es wurde bereits dargelegt, dass das, worüber geschwiegen wurde, das Statthafte (ḥalāl) darstellt. Das Thema des Hadithes ist somit vollständig dargelegt worden. Was nun die Untersuchung über die Art des Statthaften anlangt - ob es sich um eine Pflicht, etwas Wünschenswertes, Erlaubtes oder Unerwünschtes handelt -, und zwar für den Fall, dass sich die Frage auf eine Handlung im juristisch-konventionellen Sinne bezieht, so muss dies anderen Hadithen entnommen werden. Denn die islamischen Rechtssprüche in ihrer Gesamtheit werden nicht bloß aus einem Hadith abgeleitet. Dies ist gemäß den Rechtsgrundlagen (uṣūl) unter den Rechtswissenschaftlern hinlänglich bekannt.
Der Ausdruck „Dinge“: Wir haben bereits dargelegt, dass dieser Ausdruck auch die Handlungen umfasst. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass das Thema der Frage Schmalz, Käse und Felle gewesen ist. Denn die Antwort ist allgemeingültiger formuliert worden als die Frage. So kann nach einer Sache (šaiʾ) im konventionellen Sinne gefragt werden, wie es im Hadith über Schmalz, Käse etc. der Fall ist, oder nach einer Handlung, wie sie der Hadith über die Pilgerfahrt erwähnt. Der Koranvers hat die Frage bezüglich der Handlung der Pilgerfahrt unter den Ausdruck „Dinge“ - ašyāʾ - gefasst, so sagt der Erhabene:
﴿يَا أَيُّهَا الَّذِينَ آمَنُوا لَا تَسْأَلُوا عَنْ أَشْيَاءَ إِنْ تُبْدَ لَكُمْ تَسُؤْكُمْ وَإِنْ تَسْأَلُوا عَنْهَا حِينَ يُنَزَّلُ الْقُرْآنُ تُبْدَ لَكُمْ عَفَا اللَّهُ عَنْهَا وَاللَّهُ غَفُورٌ حَلِيمٌ﴾
Ihr, die ihr glaubt. Fragt nicht nach Dingen, die, würden sie euch offengelegt werden, euch unangenehm wären; und wenn ihr danach fragt zur Zeit, da der Koran niedergesandt wird, werden sie euch klar. Allah hat davon abgesehen; und Allah ist allverzeihend, nachsichtig. (5:101)
Der Ausdruck „Erleichterung“ (ruḫṣa): Damit ist die Erleichterung von Verbotenem gemeint, also das Statthafte (ḥalāl).
Der Ausdruck „davon abgesehen“ (ʿafw): D. h. vom Verbot abgesehen, was ebenso bedeutet, dass es statthaft ist.
Die Aussage: „So forscht darüber nicht nach.“ D. h. forscht nicht über ein Verbot nach, sodass die Angelegenheit eurer Frage wegen verboten wird. Die Aussage bedeutet nicht, dass man über Anderes, was nicht das Verbot betrifft, nicht nachforschen darf. Das Thema ist nämlich, keine Frage zu stellen, die während der Herabsendung der Offenbarung zum Verbot führt. So ist das Fragen des Fragens willen verboten, wie aus dem ob erwähnten Hadith hervorgeht:
«إِنَّ أَعْظَمَ المُسْلِمِينَ جُرْمًا، مَنْ سَأَلَ عَنْ شَيْءٍ لَمْ يُحَرَّمْ، فَحُرِّمَ مِنْ أَجْلِ مَسْأَلَتِهِ»
Der Schlimmste an Sündhaftigkeit unter den Muslimen ist derjenige, der nach einer Sache fragt, die nicht verboten wurde und die wegen seiner Nachfrage verboten wird. Fragen in einem anderen Zusammenhang zu stellen, um den islamischen Rechtsspruch zu erfahren, ist hingegen gefordert. Dies geht aus dem folgenden bei Abū Dāwūd tradierten Hadith von Ğābir hervor: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
[...] Hätten sie doch gefragt, wenn sie es nicht wissen. Die Heilung des Unvermögenden liegt doch im Fragen.
Ich hoffe, dass die Antwort klargeworden ist.
25. Ğumādā aṯ-Ṯānī 1434 n. H.
05/05/2013
Das Einführen der ḥudūd ohne das Kalifat
- |
Antwort auf eine Frage
Das Einführen der ḥudūd ohne das Kalifat
Ist es islamrechtlich erlaubt, eine Grenzstrafe Allahs (ḥadd) seitens Personen
oder jihadistischer Gruppen auf Erden zu vollziehen?
Beantwortet von Scheich ʿAṭāʾ ibn Ḫalīl Abū ar-Rašta
Frage:
Assalamu Alaikum wa Rahmatullahi wa Barakatuhu
Ist es jihadistischen Gruppen oder Individuen erlaubt, eine der ḥudūd-Strafen Allahs auf Erden in Abwesenheit des Islamischen Kalifatsstaates zu vollziehen? Möge Allah dich segnen und unterstützen!
Von Noor Abulfilat
Antwort:
Wa Alaikum Assalam wa Rahmatullahi wa Barakatuhu.
Der Vollzug einer Strafe ist die Konsequenz eines Gerichtsurteils, nachdem die islamrechtlichen Beweise für seine Rechtmäßigkeit feststehen. Und ein Gerichtsurteil ist die Mitteilung des Richtspruches in zwingender Weise. Dieser zwingende Charakter erfordert die Existenz einer Gewalt, die die Streitparteien zur Einhaltung des Richtspruches verpflichtet. Und diese Gewalt ist die Herrschaftsmacht, das heißt der Herrscher, der die Gesetze Allahs anwendet und die Muslime dazu verpflichtet, sich an diese Gesetze zu halten. Somit werden die Strafen ausschließlich durch den Herrscher ausgeübt, der Allahs Gesetze einführt bzw. etabliert.
Die Beweise hierfür sind die folgenden:
1. Allgemein gehaltene Beweise (muğmal), dazu zählen:
Der Erhabene sagt:
﴿الزَّانِيَةُ وَالزَّانِي فَاجْلِدُوا كُلَّ وَاحِدٍ مِنْهُمَا مِائَةَ جَلْدَةٍ...﴾
Peitscht die Unzüchtige und den Unzüchtigen mit jeweils hundert Peitschenhieben aus. (24:2)
Auch sagt Er:
﴿وَالسَّارِقُ وَالسَّارِقَةُ فَاقْطَعُوا أَيْدِيَهُمَا جَزَاءً بِمَا كَسَبَا نَكَالًا مِنَ اللَّهِ وَاللَّهُ عَزِيزٌ حَكِيمٌ﴾
Dem Dieb und der Diebin schneidet ihr die Hände ab, als Vergeltung für das, was sie begangen haben, und als abschreckende Strafe von Allah. Und Allah ist Allmächtig, Allweise. (5:38)
Und Er (t) sagt:
﴿وَالَّذِينَ يَرْمُونَ الْمُحْصَنَاتِ ثُمَّ لَمْ يَأْتُوا بِأَرْبَعَةِ شُهَدَاءَ فَاجْلِدُوهُمْ ثَمَانِينَ جَلْدَةً...﴾
Und denjenigen, die ehrbaren Frauen (Unkeuschheit) vorwerfen, jedoch nicht vier Zeugen (dafür) beibringen, verabreicht achtzig Peitschenhiebe. (24:4)
Al-Buḫārī überliefert von ibn ʿAbbās, dass der Gesandte (s) sprach:
«مَنْ بَدَّلَ دِينَهُ فَاقْتُلُوهُ»
Wer immer seinen Glauben ändert (den Islam verlässt), so tötet ihn.
Muslim überliefert von ʿUbāda ibn aṣ-Ṣāmit, der berichtet: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
«خُذُوا عَنِّي، خُذُوا عَنِّي، قَدْ جَعَلَ اللهُ لَهُنَّ سَبِيلًا، الْبِكْرُ بِالْبِكْرِ جَلْدُ مِائَةٍ وَنَفْيُ سَنَةٍ، وَالثَّيِّبُ بِالثَّيِّبِ جَلْدُ مِائَةٍ، وَالرَّجْمُ»
Empfangt von mir (diese Offenbarung), empfangt von mir (diese Offenbarung). Allah gibt denjenigen Frauen (unverheiratete Frauen, die Unzucht begangen haben) einen Ausweg. Wenn ein unverheirateter Mann Unzucht mit einer unverheirateten Frau begeht, sollen sie einhundert Peitschenhiebe erhalten und für ein Jahr verbannt werden. Wenn sie (Unzucht begangen haben, während sie) verheiratet waren, sollen sie einhundert Peitschenhiebe erhalten und zu Tode gesteinigt werden.
At-Tirmiḏī überliefert in seinen „Sunan“ über Abū Ṣāliḥ von Muʿāwiya, der sagte: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
«مَنْ شَرِبَ الخَمْرَ فَاجْلِدُوهُ...»
Wer auch immer Berauschendes trinkt, so peitscht ihn aus…
Dies sind Belege in zusammengefasster, gebündelter Formulierung (muğmal), die zur Durchführung der ḥudūd und zum Vollzug der Strafen verpflichten („peitscht aus“, „schneidet ab“, „tötet“, „einhundert Peitschenhiebe und zu Tode steinigen“ [...]), aber sie konkretisieren nicht, wer die Strafe vollziehen soll und wie sie vollzogen werden sollte. Allgemeine Beweise, wie es in den islamischen Rechtsgrundlagen (uṣūl) erwähnt wird, erfordern eine Erläuterung bzw. Konkretisierung (bayān). Und ihre Einhaltung muss gemäß dieser Erläuterung (Konkretisierung) erfolgen. In seinen edlen Hadithen hat der Gesandte (s) diese allgemein gehaltenen Aussagen erläutert. Auch der Konsens der Gefährten des Propheten (möge Allah mit ihnen zufrieden sein) in der Epoche der rechtgeleiteten Kalifen hat sie erläutert. So wurde in deutlicher Weise dargelegt, dass die Strafen durch den Herrscher ausgeführt werden müssen. Ebenso wurde die Art und Weise der Durchführung in den islamrechtlichen Texten in klarer Form erklärt. Zu diesen erläuternden Texten für die allgemein gehaltenen zählen:
-
Der Erhabene sagt:
﴿وَأَنِ احْكُمْ بَيْنَهُمْ بِمَا أَنْزَلَ اللَّهُ وَلَا تَتَّبِعْ أَهْوَاءَهُمْ وَاحْذَرْهُمْ أَنْ يَفْتِنُوكَ عَنْ بَعْضِ مَا أَنْزَلَ اللَّهُ إِلَيْكَ فَإِنْ تَوَلَّوْا فَاعْلَمْ أَنَّمَا يُرِيدُ اللَّهُ أَنْ يُصِيبَهُمْ بِبَعْضِ ذُنُوبِهِمْ وَإِنَّ كَثِيرًا مِنَ النَّاسِ لَفَاسِقُونَ﴾
Und richte unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat; und folge nicht ihren Neigungen. Und sei vor ihnen auf der Hut, dass sie dich nicht bedrängen und von einem Teil dessen abbringen, was Allah zu dir herabgesandt hat. Wenden sie sich jedoch ab, so wisse, dass Allah sie für etliche ihrer Sünden zu treffen gedenkt. Und wahrlich, viele der Menschen sind Frevler. (5:49)
Dieser edle Vers und zahlreiche weitere Verse zu dieser Thematik weisen darauf hin, dass der Gesandte (s) dazu bestimmt war, die Gesetze auszuführen. Die bezüglich der Herrschaft an den Gesandten (s) gerichtete Ansprache ist eine Ansprache an jeden Herrscher, der nach ihm kommt und nach dem Islam regiert. Dies gemäß dem islamischen Rechtsprinzip, das besagt, dass die Ansprache an den Gesandten (s) eine Ansprache an seine Umma ist, die in derselben Form (ʿalā wağhih) ergeht. Wenn sie das Thema Herrschaft betrifft, so ist sie an die nach ihm folgenden Kalifen gerichtet (die in ihrer Eigenschaft als Herrscher gleich dem Propheten für die Anwendung des gesamten Islam zuständig sind). Sie gilt allgemein für alle Kalifen, solange kein weiterer Spezifizierungsbeleg (dalīl taḥṣīṣ) in den Offenbarungstexten existiert. Dieser existiert hier aber nicht. Folglich ist derjenige, der die Gesetze ausführt, (je)der Herrscher, der nach dem Islam regiert.
b) Es gibt Überlieferungen vom Gesandten (s), die aufzeigen, dass die schuldige Person, die bestraft werden sollte, zum Gesandten Allahs (s) gebracht wurde, damit er die Strafe über sie vollstreckt. Muslim berichtet von Anas ibn Mālik:
«أَنَّ النَّبِيَّ صلى الله عليه وسلم أُتِيَ بِرَجُلٍ قَدْ شَرِبَ الْخَمْرَ، فَجَلَدَهُ بِجَرِيدَتَيْنِ نَحْوَ أَرْبَعِينَ، قَالَ: وَفَعَلَهُ أَبُو بَكْرٍ، فَلَمَّا كَانَ عُمَرُ اسْتَشَارَ النَّاسَ، فَقَالَ عَبْدُ الرَّحْمَنِ: أَخَفَّ الْحُدُودِ ثَمَانِينَ، فَأَمَرَ بِهِ عُمَرُ»
Eine Person, die Berauschendes getrunken hatte, wurde zum Propheten (s)gebracht. Sie bekam 40 Peitschenhiebe mit zwei Peitschen. Abū Bakr tat es ebenso. Als ʿUmar das Kalifat übertragen wurde, zog er die Menschen zu Rate. ʿAbd ar-Raḥmān sprach: "Die mildeste der ḥadd-Strafen sind 80 (Peitschenhiebe)." Und ʿUmar wandte dieses Strafmaß an.
Nach den Gelehrten unter den Gefährten des Gesandten Allahs (s) und anderen ist demgemäß zu handeln. Al-Baihaqī berichtet von Abū Huraira und Zaid ibn Ḫālid:
«أن رَجُلًا ذَكَرَ أَنَّ ابْنَهُ زَنَا بِامْرَأَةِ رَجُلٍ، فَقَالَ رَسُولُ اللَّهِ : «لَأَقْضِيَنَّ بَيْنَكُمَا بِكِتَابِ اللَّهِ»، فَجَلَدَ ابْنَهُ مِائَةً وَغَرَّبَهُ عَامًا، وَأَمَرَ أُنَيْسًا أَنْ يَغْدُوَ عَلَى امْرَأَةِ الْآخَرِ، فَإِنِ اعْتَرَفَتْ رَجَمَهَا، فَاعْتَرَفَتْ، فَرَجَمَهَا»
Ein Mann erwähnte, dass sein Sohn Unzucht mit der Frau eines anderen Mannes begangen habe. Da sprach der Gesandte Allahs (s): "Ich werde über euch mit dem Buche Allahs richten.“ Er ließ dessen Sohn mit hundert Hieben auspeitschen und verbannte ihn für ein Jahr. Auch befahl er Unais, die Frau des anderen Mannes zu fragen. Wenn sie es zugibt, soll sie gesteinigt werden. Sie gab es zu und er ließ sie steinigen. Ebenso berichtet al-Baihaqī in seinem Werk "as-Sunan aṣ-Ṣaġīr" von Abu az-Zubair und dieser von Ğābir,
«أَنَّ رَجُلًا، زَنَا بِامْرَأَةٍ، فَلَمْ يُعْلَمْ بِإِحْصَانِهِ، فَجُلِدَ، ثُمَّ عُلِمَ بِإِحْصَانِهِ، فَرُجِمَ»
dass ein Mann mit einer Frau Unzucht beging. Es war nicht bekannt, dass er verheiratet war. So wurde er ausgepeitscht. Als dann bekannt wurde, dass er verheiratet war, wurde er zu Tode gesteinigt. Auch berichtet an-Nasāʾī einen ähnlichen Hadith. Abū Dāwūd berichtet in seinen "Sunan" von Ṣafwān ibn Umaiya, der sagte:
كُنْتُ نَائِمًا فِي الْمَسْجِدِ عَلَيَّ خَمِيصَةٌ لِي ثَمَنُ ثَلَاثِينَ دِرْهَمًا، فَجَاءَ رَجُلٌ فَاخْتَلَسَهَا مِنِّي، فَأُخِذَ الرَّجُلُ، فَأُتِيَ بِهِ رَسُولُ اللَّهِ ، فَأَمَرَ بِهِ لِيُقْطَعَ، قَالَ: فَأَتَيْتُهُ، فَقُلْتُ: أَتَقْطَعُهُ مِنْ أَجْلِ ثَلَاثِينَ دِرْهَمًا، أَنَا أَبِيعُهُ وَأُنْسِئُهُ ثَمَنَهَا؟ قَالَ: «فَهَلَّا كَانَ هَذَا قَبْلَ أَنْ تَأْتِيَنِي بِهِ»
Ich schlief in der Moschee, bedeckt mit einem bestickten Mantel im Wert von 30 Dirham. Ein Mann kam und entriss ihn mir. Der Mann wurde ergriffen und zum Gesandten Allahs (s) gebracht. Er veranlasste, dass seine Hand abgehackt werden sollte. Ich kam zu ihm und sagte: „Lässt du seine Hand für 30 Dirham abhacken? Ich verkaufe ihm den Mantel und leihe ihm den Kaufbetrag.“ Er sagte: „Hättest du es doch bloß so gemacht, bevor du ihn zu mir brachtest!“ Und im Bericht bei ad-Dāraquṭnī von ʿAmr ibn Šuʿaib von seinem Vater sprach der Gesandte Allahs (s):
«اشْفَعُوا مَا لَمْ يَتَّصِلْ إِلَى الْوَالِي، فَإِذَا أُوصِلَ إِلَى الْوَالِي فَعَفَا فَلَا عَفَا اللَّهُ عَنْهُ، ثُمَّ أَمَرَ بِقَطْعِهِ مِنَ الْمِفْصَلِ»
„Vergebt, solange es den Statthalter nicht erreicht hat. Wenn es vor den Statthalter gebracht wird und er vergibt, so soll Allah ihm nicht vergeben!“ Dann befahl er die Amputation vom Handgelenk.
c) Es gab Fälle im Zeitalter der rechtgeleiteten Kalifen, in denen der Straftäter, für den eine ḥadd-Strafe gilt, zum Kalifen oder seinem Stellvertreter gebracht wurde, um die ḥadd-Strafe an ihm zu vollziehen. Zu diesen Fällen gehören:
Abū Dāwūd aṭ-Ṭayālisī berichtet in seinem „Musnad“ von Ḥu
ain Abū Sāsān ar-Raqāšī, der sagte:
حَضَرْتُ عُثْمَانَ بْنَ عَفَّانَ رَضِيَ اللَّهُ عَنْهُ وَأُتِيَ بِالْوَلِيدِ بْنِ عُقْبَةَ قَدْ شَرِبَ الْخَمْرَ وَشَهِدَ عَلَيْهِ حُمْرَانُ بْنُ أَبَانَ وَرَجُلٌ آخَرُ فَقَالَ عُثْمَانُ لِعَلِيٍّ: «أَقِمْ عَلَيْهِ الْحَدَّ… »
Ich war anwesend bei ʿUṯmān ibn ʿAffān (r). Al Walīd ibn ʿUqba wurde vorgeführt, nachdem er Berauschendes getrunken hatte. Ḥumrān ibn Abān und ein weiterer Mann bezeugten es. Da sagte ʿUṯmān zu ʿAli: „Vollziehe die ḥadd-Strafe über ihn […].“ Auch berichtet Aḥmad in seinem „Musnad“ von ʿAbdullāh ibn Qais („Abū Mūsā al-Ašʿarī“),
«أن رسول الله بَعَثَهُ عَلَى الْيَمَنِ، ثُمَّ أَتْبَعَهُ مُعَاذَ بْنَ جَبَلٍ، فَلَمَّا قَدِمَ عَلَيْهِ قَالَ: انْزِلْ وَأَلْقَى لَهُ وِسَادَةً، فَإِذَا رَجُلٌ عِنْدَهُ مُوثَقٌ قَالَ: مَا هَذَا؟ قَالَ: كَانَ يَهُودِيًّا فَأَسْلَمَ، ثُمَّ رَاجَعَ دِينَهُ دِينَ السَّوْءِ فَتَهَوَّدَ. قَالَ: لَا أَجْلِسُ حَتَّى يُقْتَلَ قَضَاءُ اللهِ وَرَسُولِهِ ثَلَاثَ مِرَارٍ، فَأَمَرَ بِهِ فَقُتِلَ»
dass der Gesandte Allahs (s) ihn in den Jemen entsandte, daraufhin schickte er Muʿāḏ ibn Ğabal hinterher. Als dieser ankam, sagte ihm Abū Mūsa, er solle absteigen und gab ihm ein Kissen um sich hinzusetzen. Ein gefesselter Mann war bei ihm. Muʿāḏ fragte: „Was ist mit ihm?“ Er antwortete: „Er war ein Jude, dann wurde er Muslim, danach kehrte er zu seinem Glauben, dem Glauben der Schlechtigkeit, zurück und wurde wieder Jude.“ Da sagte Muʿāḏ: „Ich werde mich nicht eher setzen, bis er getötet wird; das ist das Urteil Allahs und Seines Gesandten.“ Er wiederholte es dreimal. Er (Abū Mūsā) befahl, ihn zu töten, und er wurde getötet.
Abū Bakr bekämpfte die Apostaten, als sie die zakāt verweigerten. Ibn Ḥibbān berichtet in seinem „Ṣaḥīḥ“ von Abū Huraira, der sagte:
«لَمَّا تُوُفِّيَ رَسُولُ اللَّهِ وَاسْتُخْلِفَ أَبُو بَكْرٍ رضي الله تعالى عَنْهُ وَكَفَرَ مَنْ كَفَرَ مِنَ الْعَرَبِ، قاتلهم أبو بكر وقَالَ: وَاللَّهِ لَأُقَاتِلَنَّ مَنْ فَرَّقَ بَيْنَ الصَّلَاةِ وَالزَّكَاةِ فَإِنَّ الزَّكَاةَ حَقُّ الْمَالِ وَاللَّهِ لَوْ مَنَعُونِي عِقَالًا كَانُوا يُؤَدُّونَهُ إِلَى رَسُولِ اللَّهِ لَقَاتَلْتُهُمْ عَلَى مَنْعِهِ»
Als der Gesandte Allahs (s) starb, Abū Bakr nach ihm die Herrschaft übernahm und einige Araber zum Unglauben zurückkehrten, bekämpfte sie Abū Bakr und sprach: „Ich werde jeden bekämpfen, der zwischen dem Gebet und der zakāt unterscheidet. Die zakāt ist der pflichtmäßige Anteil vom Vermögen. Bei Allah, wenn sie mir auch nur ein Halfter verwehren, das sie dem Gesandten Allahs (s) zu entrichten pflegten, so werde ich sie für dessen Verwehrung bekämpfen.“
Daraus ergibt sich folgende Schlussfolgerung: Genauso wie das Spezifische (ḫāṣ) das Allgemeingültige (ʿām) festlegt (und die Allgemeingültigkeit aufhebt) und das näher Bestimmte (muqaiyad) das Unbestimmte (muṭlaq) festlegt (und die Unbestimmtheit aufhebt), legt gemäß den Regeln der Rechtsgrundlagen (uṣūl) auch das Erläuternde (mubaiyan) das zusammengefasst Erwähnte (muğmal) fest (und hebt die Bündelung auf). Also ist derjenige, der die ḥudūd-Strafen vollzieht, der Herrscher, der mit dem Islam regiert, d. h. der Imam. Das ist ein feststehender Sachverhalt, der im Einklang mit den Handlungen des Gesandten Allahs (s) steht und dem die Rechtgeleiteten Kalifen gefolgt sind, wie wir es zuvor dargelegt haben. Diese Angelegenheit war zu Zeiten des Islamischen Kalifats wohlbekannt. Auch sind Zitate von geschätzten Gelehrten hierzu vorhanden:
Ibn Taimīya: Allah (t) hat sich an die Gläubigen mit Strafen und Rechten in einer uneingeschränkten Ansprache gewendet, in dem Er z. B. sagte:
﴿وَالسَّارِقُ وَالسَّارِقَةُ فَاقْطَعُوا أَيْدِيَهُمَا﴾
Dem Dieb und der Diebin schneidet ihr die Hände ab […] (5: 38)
Jedoch wusste Er, dass diejenigen, an die sich diese Handlungsanweisung richtet, auch in der Lage sein müssen, sie zu vollziehen. Für die Unvermögenden kann sie nicht verpflichtend sein. Das Vermögen ist die Herrschaft. Deshalb ist der Vollzug der ḥadd-Strafen die Pflicht der Herrscher und ihrer Stellvertreter.
Imam ʿAlāʾ ad-Dīn al-Kāsānī: Die Bedingung für die Erlaubnis zur Durchführung der ḥudūd […] ist das Imamat (Kalifat).
Al-Qurṭubī: Es besteht keine Uneinigkeit darüber, dass die Adressaten dieser Angelegenheit - der ḥudūd - der Imam und seine Stellvertreter sind.
Imam aš-Šāfiʿī: Niemand darf eine Strafe über freie Menschen vollziehen außer dem Imam und jenem, den er bevollmächtigt hat.
Ibn Qudāma: Es ist niemandem erlaubt, Strafen zu vollziehen, außer mit dem Imam oder seinem Stellvertreter.
3. Im Falle, dass kein Herrscher existiert, der nach dem Gesetz Allahs richtet, wird es für alle Muslime zur Pflicht, aufrichtig und unablässig für die Aufstellung des Herrschers, der nach dem Islam richtet, zu arbeiten. Diese unabdingbare Pflicht (far
) geht aus zahlreichen Texten im Koran, in der Sunna und ebenso aus dem Konsens der Gefährten (iğmāʿ aṣ-ṣaḥāba) klar hervor.
Hinsichtlich des Koran sagt Allah (t), in dem er sich an den Gesandten (s) wendet, Folgendes:
﴿فَاحْكُمْ بَيْنَهُمْ بِمَا أَنْزَلَ اللَّهُ وَلَا تَتَّبِعْ أَهْوَاءَهُمْ عَمَّا جَاءَكَ مِنَ الْحَقِّ﴾
So richte zwischen ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat, und folge nicht ihren Neigungen entgegen dem, was an Wahrheit zu dir gekommen ist. (5:48)
Auch sagt Er:
﴿وَأَنِ احْكُم بَيْنَهُم بِمَا أَنزَلَ اللَّهُ وَلَا تَتَّبِعْ أَهْوَاءَهُمْ وَاحْذَرْهُمْ أَن يَفْتِنُوكَ عَن بَعْضِ مَا أَنزَلَ اللَّهُ إِلَيْكَ ۖ﴾
Und richte unter ihnen nach dem, was Allah herabgesandt hat; und folge nicht ihren Neigungen. Und sei vor ihnen auf der Hut, dass sie dich nicht bedrängen und von einem Teil dessen abbringen, was Allah zu dir herabgesandt hat. (5:49)
Die Ansprache an den Gesandten (s), unter ihnen nach dem zu richten, was Allah herabgesandt hat, ist eine Ansprache an seine (s) Umma, und die sich aus ihrem Sinngehalt (mafhūm) ergebende Schlussfolgerung ist, dass die Muslime einen Herrscher nach dem Gesandten Allahs (s) aufstellen müssen, der unter ihnen nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat. Auch hat die Befehlsform in der Ansprache einen apodiktischen (d. h. zwingenden) Charakter, denn das Thema der Ansprache stellt eine Pflicht (far
) dar. Und dies ist gemäß den Regeln der Rechtsgrundlagen (uṣūl) ein Indiz (qarīna) für den Pflichtcharakter (der sich aus der Ansprache ergebenden Anweisung über die Aufstellung eines Herrschers). Der Herrscher, der unter den Muslimen nach dem Gesandten Allahs (s) nach dem richtet, was Allah herabgesandt hat, ist der Kalif. Das Regierungssystem ist demzufolge das System des Kalifats.
Darüber hinaus ist die Einführung der Strafen und aller anderer Gesetze verpflichtend, und dies kann ohne den Herrscher nicht durchgeführt werden. Hier gilt das islamische Rechtsprinzip: Was zu Erfüllung einer Pflicht unerlässlich ist, ist ebenfalls verpflichtend. Das bedeutet, dass die Aufstellung des Herrschers, der das islamische Recht anwendet gleichermaßen eine Pflicht verkörpert. Und der Herrscher von diesem Aspekt her ist der Kalif. Folglich ist das Regierungssystem im Islam das System des Kalifats.
Was die Sunna anlangt, so wird von Nāfiʿ berichtet, der sagte: ʿAbdullāh ibn ʿUmar sprach zu mir: „Ich hörte den Gesandten Allahs (s) sagen:
«من خلع يداً من طاعة لقي الله يوم القيامة لا حجة له، ومن مات وليس في عنقه بيعة مات ميتة جاهلية»
Wer eine Hand aus dem Gehorsam zieht, der trifft auf Allah am Tage der Auferstehung ohne eine Rechtfertigung für sich zu haben, und wer stirbt und in seinem Nacken keine baiʿa (Treueeid) trägt, der stirbt einen Tod der ğāhilīya.“ (Bei Muslim tradiert)
Der Prophet (s) machte es zur Pflicht, dass jeder Muslim „im Nacken“ eine baiʿa – d. h. einen Treueeid – trägt (mit anderen Worten soll jeder Muslim im Schutz und im Bann einer baiʿa stehen). Er beschrieb denjenigen, der stirbt, ohne „im Nacken“ diesen Treueeid zu tragen, als jemanden, der einen Tod der ğāhilīya – d. h. der vorislamischen Zeit des Heidentums und der Unwissenheit – stirbt. Nach dem Gesandten Allahs (s) wird die baiʿa ausschließlich dem Kalifen geleistet. Der Hadith erhebt es also zur Pflicht, dass „im Nacken“ jedes Muslims eine baiʿa existiert. Anders ausgedrückt muss ein Kalif existieren, der mit seiner Existenz „im Nacken“ jedes Muslims eine baiʿa verdient. Muslim berichtet von al-Aʿrağ und dieser von Abū Huraira, dass der Prophet (s) sprach:
«إنما الإمام جُنة يُقاتَل من ورائه ويُتقى به»
Der Imam ist ein Schirm; man kämpft hinter ihm und schützt sich durch ihn. Auch tradiert Muslim von Abū Ḥāzim, der sagte: Ich begleitete Abū Huraira fünf Jahre lang und hörte ihn vom Propheten (s) berichten, der sprach:
«كانت بنو إسرائيل تسوسهم الأنبياء، كلما هلك نبي خلفه نبي، وإنه لا نبي بعدي، وستكون خلفاء فتكثر، قالوا فما تأمرنا؟ قال: فُوا ببيعة الأول فالأول، وأعطوهم حقهم، فإن الله سائلهم عما استرعاهم»
„Das Volk Israel wurde von Propheten betreut. Immer wenn ein Prophet starb, folgte ihm ein anderer. Nach mir wird aber kein Prophet mehr sein. Es werden jedoch Kalifen kommen, und deren Zahl wird groß sein.“ Man fragte ihn: „Und was befiehlst du uns?“ Er antwortete: „Erfüllt die baiʿa des jeweils Ersteren und gebt ihnen ihr Recht, denn Allah wird sie über das ausfragen, was Er ihnen in ihre Obhut gelegt hat.“
In diesen Hadithen wird der Kalif als „Schirm“ (ğunna), d. h. als ein Schutz, beschrieben. Die Beschreibung des Kalifen als Schirm impliziert das Lob für die Anwesenheit eines Imams, somit handelt es sich um eine Aufforderung (ṭalab). Setzt Allah (t) oder Sein Gesandter (s) uns nämlich über etwas in Kenntnis, was einen Tadel enthält, so wird es als eine Unterlassungsaufforderung verstanden bzw. als Aufforderung, sich dessen zu enthalten. Ähnlich ist es, wenn der Text Lob für eine Handlung enthält. Dies wird als eine Handlungsaufforderung verstanden bzw. als Aufforderung, diese Handlung zu vollziehen. Wenn sich aus dem Vollzug der anbefohlenen Handlung die Implementierung des göttlichen Rechts ergibt und aus deren Vernachlässigung dessen Verlust, so ist die Aufforderung von apodiktischem Charakter.
Diese Hadithe informieren uns ebenfalls darüber, dass diejenigen, die sich um die Angelegenheiten der Muslime kümmern, die Kalifen sind, was auf den Befehl hindeutet, sie einsetzen zu müssen. Darüber hinaus befahl der Gesandte Allahs (s) den Muslimen, den Kalifen Gehorsam zu leisten und diejenigen zu bekämpfen, die ihnen ihre Herrschaft streitig machen. Dies bedeutet implizit den Befehl, einen Kalifen aufzustellen und sein Kalifat zu schützen, da man denjenigen bekämpfen soll, der ihm seine Herrschaft streitig macht.
Muslim berichtet, dass der Gesandte Allahs (s) sprach:
«ومن بايع إماماً فأعطاه صفقة يده، وثمره قلبه، فليطعه إن استطاع. فإن جاء آخر ينازعه، فاضربوا عنق الآخر»
Wer einem Imam die baiʿa leistet, ihm seinen Handschlag und die Frucht seines Herzens gibt, der soll ihm gehorchen, so er dazu im Stande ist. Wenn ein anderer kommt und es ihm streitig macht, so schlagt dem anderen den Kopf ab
So ist der Befehl, dem Imam zu gehorchen, ein Befehl, ihn zu ernennen. Des Weiteren ist der Befehl, diejeingen zu bekämpfen, die ihm seine Macht streitig machen, ein apodiktisches Indiz dafür, die Existenz eines einzigen Kalifen aufrechtzuerhalten.
Was den Konsens der Prophetengefährten (iğmāʿ aṣ-ṣaḥāba) betrifft, so waren sich alle Gefährten über die Notwendigkeit einig, einen Nachfolger (d. h. Kalifen) für den Propheten (s) nach dessen Tod aufzustellen. Sie waren sich auch darüber einig, einen Nachfolger für Abū Bakr, dann für ʿUmar und schließlich für ʿUṯmān zu ernennen, nachdem diese gestorben waren.
Was die Sicherheit des Gefährten-Konsenses zur Aufstellung eines Kalifen zusätzlich untermauert, ist die Tatsache, dass die ṣaḥāba die Bestattung des Gesandten Allahs (s) nach dessen Tod verzögerten und sich mit der Aufstellung eines Kalifen beschäftigten, obwohl die Bestattung eines Toten eine Pflicht darstellt. Von den Gefährten aber - die sich eigentlich um die Bestattung bzw. Beerdigung des Propheten kümmern mussten - war ein Teil damit beschäftigt, einen Kalifen aufzustellen, statt den Propheten zu begraben. Der andere Teil von ihnen duldete dies und beteiligte sich an der Verzögerung des Begräbnisses zwei ganze Nächte lang, obwohl er im Stande war, dies anzuprangern oder selbst den Propheten (s) zu begraben. So verstarb der Gesandte Allahs (s) am Montagvormittag. Er blieb bis in die Nacht auf Dienstag und den Dienstag tagsüber aufgebahrt, ohne begraben zu werden. Währenddessen wurde Abū Bakr (r) die baiʿa geleistet. Danach wurde der Prophet (s) mitten in der Nacht – der Nacht auf Mittwoch – begraben. Das bedeutet, dass die Beerdigung des Propheten (s) zwei Nächte lang verzögert wurde, wobei Abū Bakr die baiʿa vor dessen Beerdigung geleistet wurde. Somit ist der Konsens der Prophetengefährten (iğmāʿ aṣ-ṣaḥāba) darüber erfolgt, dass die Beschäftigung mit der Aufstellung eines Kalifen dem Begraben eines Toten vorzuziehen ist. Dies kann aber nur dann legitim sein, wenn die Aufstellung eines Kalifen eine höhere Pflicht darstellt als das Bestatten eines Toten.
Außerdem sind alle Gefährten des Propheten Zeit ihres Lebens darin übereingekommen, einen Kalifen verpflichtend aufzustellen. Obwohl sie über die jeweilige Person, die zum Kalifen gewählt werden soll, uneins waren, so waren sie niemals über die Tatsache uneinig, dass ein Kalif aufgestellt werden muss – weder nach dem Tode des Gesandten Allahs (s) noch nach dem Tode irgendeines der rechtgeleiteten Kalifen. Der Konsens der Prophetengefährten (iğmāʿ aṣ-ṣaḥāba) stellt somit einen klaren und starken Beweis für die Pflicht dar, einen Kalifen aufzustellen.
Aufgrund dessen ist es die Pflicht der Muslime, wenn es keinen Herrscher – d. h. Kalifen – gibt, der nach dem Islam regiert, sich nach Kräften für seine Realisierung einzusetzen.
Die Existenz des Kalifen ist eine Pflicht – und was für eine! Denn er ist es, der die vom Herrn der Welten verpflichtend erlassenen ḥudūd-Strafen durchführt. Und es gilt das Rechtsprinzip: Was zur Erfüllung einer Pflicht unerlässlich ist, wird ebenfalls zur Pflicht. Insbesondere, da die Durchführung der ḥudūd eine gewaltige Pflicht verkörpert, durch die die Rechtschaffenheit und Lauterkeit der Umma gewährleistet wird. So berichtet ibn Māğa in seinen „Sunan“ von Abū Huraira, der sagte: Es sprach der Gesandte Allahs:
«حَدٌّ يُعْمَلُ بِهِ فِي الْأَرْضِ، خَيْرٌ لِأَهْلِ الْأَرْضِ مِنْ أَنْ يُمْطَرُوا أَرْبَعِينَ صَبَاحًا»
Ein ḥadd, den man auf Erden durchführt, ist besser für die Erdbewohner, als wenn ihnen morgens vierzig Tage lang Regen beschert wird.
Schließlich möchte ich die Muslime in den Kampfgebieten, in denen weder eine stabile Regierung noch ein Staat vorhanden sind, auf die Pflicht aufmerksam machen, die Probleme unter den Muslimen einvernehmlich zu lösen und es nicht zuzulassen, dass sich diese Probleme zwischen den Menschen verschlimmern. Vielmehr soll man sie im Einvernehmen lösen, indem Gelehrte, Vernunft bedachte Menschen und Personen von Autorität sich erheben, um zwischen den Menschen Frieden zu stiften, ihre Probleme zu lösen, die Bedürfnisse der Armen unter ihnen zu stillen und den Unterdrückten dabei zu helfen, ihr Recht von den Unterdrückern zurückzubekommen. Dies aufgrund der Allgemeingültigkeit der Texte (ʿumūm), die dazu und zum Friedenstiften unter den Menschen aufrufen. Diese Texte sind nicht mit dem Vorhandensein eines Herrschers spezifiziert worden. Ebenso sind uneingeschränkt formulierte Texte (muṭlaq) mit der Aufforderung zum Friedenstiften ergangen, die nicht an die Existenz des Herrschers geknüpft worden sind. Zu diesen Texten zählen:
﴿لَا خَيْرَ فِي كَثِيرٍ مِنْ نَجْوَاهُمْ إِلَّا مَنْ أَمَرَ بِصَدَقَةٍ أَوْ مَعْرُوفٍ أَوْ إِصْلَاحٍ بَيْنَ النَّاسِ وَمَنْ يَفْعَلْ ذَلِكَ ابْتِغَاءَ مَرْضَاتِ اللَّهِ فَسَوْفَ نُؤْتِيهِ أَجْرًا عَظِيمًا﴾
Nichts Gutes steckt in vielen ihrer heimlichen Besprechungen, es sei denn in solchen, die zur Mildtätigkeit oder zur Güte oder zum Friedenstiften unter den Menschen ermahnen. Und wer das im Trachten nach Allahs Wohlgefallen tut, dem werden Wir einen großen Lohn bescheren. (4:114)
﴿وَإِنِ امْرَأَةٌ خَافَتْ مِنْ بَعْلِهَا نُشُوزًا أَوْ إِعْرَاضًا فَلَا جُنَاحَ عَلَيْهِمَا أَنْ يُصْلِحَا بَيْنَهُمَا صُلْحًا وَالصُّلْحُ خَيْرٌ وَأُحْضِرَتِ الْأَنْفُسُ الشُّحَّ وَإِنْ تُحْسِنُوا وَتَتَّقُوا فَإِنَّ اللَّهَ كَانَ بِمَا تَعْمَلُونَ خَبِيرًا﴾
Und wenn eine Frau von ihrem Ehemann Herablassung oder Abwendung fürchtet, so soll es keine Sünde für beide sein, wenn sie sich auf geziemende Art miteinander versöhnen; denn die Versöhnung ist besser. Und die Menschen sind auf Habsucht eingestellt. Tut ihr jedoch Gutes und seid gottesfürchtig, so ist Allah eures Tuns kundig. (4:128)
﴿إِنَّمَا الْمُؤْمِنُونَ إِخْوَةٌ فَأَصْلِحُوا بَيْنَ أَخَوَيْكُمْ وَاتَّقُوا اللَّهَ لَعَلَّكُمْ تُرْحَمُونَ﴾
Wahrlich, die Gläubigen sind Brüder. So stiftet Frieden zwischen euren Brüdern und fürchtet Allah, auf dass euch Barmherzigkeit erwiesen werde. (49: 10)
﴿وَجَزَاءُ سَيِّئَةٍ سَيِّئَةٌ مِثْلُهَا فَمَنْ عَفَا وَأَصْلَحَ فَأَجْرُهُ عَلَى اللَّهِ إِنَّهُ لَا يُحِبُّ الظَّالِمِينَ﴾
Die Vergeltung für eine Übeltat soll ein Übel gleichen Ausmaßes sein; dessen Lohn aber, der vergibt und Besserung bewirkt, ruht sicher bei Allah. Wahrlich, Er liebt die Ungerechten nicht. (42:40) Und Aḥmad berichtet in seinem „Musnad“ von Um ad-Dardāʾ und diese von Abū ad- Dardāʾ, der sagte: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
«أَلَا أُخْبِرُكُمْ بِأَفْضَلَ مِنْ دَرَجَةِ الصَّلَاةِ، وَالصِّيَامِ، وَالصَّدَقَةِ؟ قَالُوا: بَلَى قَالَ: إِصْلَاحُ ذَاتِ الْبَيْنِ قَالَ: وَفَسَادُ ذَاتِ الْبَيْنِ هِيَ الْحَالِقَةُ»
„Soll ich euch nicht von etwas Vorzüglicherem als Gebet, Fasten und Almosen berichten?“ Die Leute antworteten: „Doch!“ Er sagte: „Das Friedenstiften zwischen den Menschen. Denn die Zwietracht unter ihnen ist das Verderben!“ Der Hadith wird auch bei Abū Dāwūd in seinem Werk „as-Sunan“ in voller Kette über Um ad-Dardāʾ von Abū ad-Dardāʾ tradiert. Ibn Ḥibbān erklärte ihn für richtig. Dort erging er in folgendem Wortlaut: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
«أَلَا أُخْبِرُكُمْ، بِأَفْضَلَ مِنْ دَرَجَةِ الصِّيَامِ، وَالْقِيَامِ؟، قَالُوا: بَلَى يَا رَسُولَ اللَّهِ، قَالَ: إِصْلَاحُ ذَاتِ الْبَيْنِ، وَفَسَادُ ذَاتِ الْبَيْنِ هِيَ الْحَالِقَةُ»
„Soll ich euch nicht von etwas Vorzüglicherem als das Fasten und das Gebet in der Nacht berichten?“ Die Leute antworteten: „Doch, o Gesandter Allahs!“ Er sagte: „Das Friedenstiften zwischen den Menschen. Denn die Zwietracht unter ihnen ist das Verderben!“
Demzufolge sollte die Problemlösung in Konfliktregionen, wo es keinen Staat gibt, im Friedenstiften liegen. Jedoch unter der Bedingung, dass diese Friedensstiftung weder das Verbotene für statthaft erklärt noch das Statthafte für verboten. Dies gemäß den dazu ergangen islamrechtlichen Texten. Dazu zählen:
Der Bericht bei Abū Dāwūd in seinen „Sunan“ von Abū Huraira, der sagte: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
«الصُّلْحُ جَائِزٌ بَيْنَ الْمُسْلِمِين. زَادَ أَحْمَدُ: إِلاَّ صُلْحًا أَحَلَّ حَرَامًا أَوْ حَرَّمَ حَلاَلاً. وَزَادَ سُلَيْمَانُ بْنُ دَاوُدَ وَقَالَ رَسُولُ اللَّهِ : الْمُسْلِمُونَ عَلَى شُرُوطِهِمْ»
„Die Versöhnung zwischen den Muslimen ist zulässig.“ In Aḥmads Überlieferung fügte der Prophet hinzu: „Außer einer Versöhnung, die etwas Verbotenes für statthaft oder etwas Statthaftes für verboten erklärt." Sulaimān ibn Dāwūd fügte hinzu: Der Gesandte Allahs (s) sagte: Die Muslime sind an ihre Bedingungen gebunden.
At-Tirmiḏī berichtet in seinen „Sunan“ in voller Kette von Kaṯīr ibn ʿAbdillāh ibn ʿAmr ibn ʿAuf al-Muzanī über seinen Vater und seinem Großvater, dass der Gesandte Allahs (s) sprach:
«الصُّلْحُ جَائِزٌ بَيْنَ المُسْلِمِينَ، إِلَّا صُلْحًا حَرَّمَ حَلَالًا، أَوْ أَحَلَّ حَرَامًا، وَالمُسْلِمُونَ عَلَى شُرُوطِهِمْ، إِلَّا شَرْطًا حَرَّمَ حَلَالًا، أَوْ أَحَلَّ حَرَامًا»
Die Versöhnung zwischen den Muslimen ist zulässig, außer einer Versöhnung, die etwas Statthaftes für verboten oder etwas Verbotenes für statthaft erklärt. Und die Muslime sind an ihre Bedingungen gebunden, außer einer Bedingung, die etwas Statthaftes für verboten oder etwas Verbotenes für statthaft erklärt. Dieser Hadith ist ḥasan-ṣaḥīḥ. Auch ibn Ḥibbān tradiert diesen Hadith in seinem ṣaḥīḥ-Werk in folgendem Wortlaut: Es sprach der Gesandte Allahs (s):
«الصُّلْحُ جَائِزٌ بَيْنَ الْمُسْلِمِينَ إِلَّا صُلْحًا أَحَلَّ حَرَامًا أَوْ حَرَّمَ حَلَالًا»
Die Versöhnung unter den Muslimen ist zulässig, außer einer Versöhnung, die etwas Verbotenes für statthaft oder etwas Statthaftes für verboten erklärt.
Das Schlichten zwischen den Menschen ist also gefordert, ob ein Herrscher existiert oder nicht. Das ist der islamische Rechtsspruch, den ich in dieser Angelegenheit sehe. Doch Allah, der Erhabene, ist wissender und weiser.
Schlussfolgernd gilt:
1. Die „Grenzstrafen“ Allahs (ḥudūd) werden durch den Herrscher implementiert, der mit dem Islam regiert. Dadurch wird die Sünde, welche die Strafe erforderlich gemacht hat, gesühnt. Das bedeutet, dass der Schuldige im Jenseits für die Sünde nicht mehr bestraft wird, für die er im Diesseits mit dem ḥadd bestraft wurde. So berichtet al-Buḫārī in seinem „Ṣaḥīḥ“ von ʿUbāda ibn aṣ-Ṣāmit, der an der Schlacht von Badr teilnahm und einer der Stammesvertreter in der Nacht der baiʿa von ʿAqaba war, dass der Gesandte Allahs (s), als er sich inmitten einer Gruppe seiner Gefährten befand, sagte:
«بَايِعُونِي عَلَى أَنْ لاَ تُشْرِكُوا بِاللَّهِ شَيْئًا، وَلاَ تَسْرِقُوا، وَلاَ تَزْنُوا، وَلاَ تَقْتُلُوا أَوْلاَدَكُمْ، وَلاَ تَأْتُوا بِبُهْتَانٍ تَفْتَرُونَهُ بَيْنَ أَيْدِيكُمْ وَأَرْجُلِكُمْ، وَلاَ تَعْصُوا فِي مَعْرُوفٍ، فَمَنْ وَفَى مِنْكُمْ فَأَجْرُهُ عَلَى اللَّهِ، وَمَنْ أَصَابَ مِنْ ذَلِكَ شَيْئًا فَعُوقِبَ فِي الدُّنْيَا فَهُوَ كَفَّارَةٌ لَهُ، وَمَنْ أَصَابَ مِنْ ذَلِكَ شَيْئًا ثُمَّ سَتَرَهُ اللَّهُ فَهُوَ إِلَى اللَّهِ، إِنْ شَاءَ عَفَا عَنْهُ وَإِنْ شَاءَ عَاقَبَهُ. فَبَايَعْنَاهُ عَلَى ذَلِكَ»
Gebt mir den Treueschwur (baiʿa), dass ihr Allah nichts beigesellt, nicht stiehlt, keine Unzucht begeht, nicht eure Kinder tötet, keine verlogene Schändlichkeit zu euren Händen oder Beinen begeht und nicht ungehorsam seid bei einer Sache, die rechtens ist. Wer auch immer von euch dies erfüllt, wird von Allah den Lohn erhalten. Und wer etwas davon begeht und im Diesseits die Strafe dafür erhält, so ist es gesühnt. Und wer etwas davon begeht und Allah seine Sünde verborgen hält, so liegt es bei Allah. Wenn Er möchte, vergibt Er ihm, und wenn Er möchte, bestraft Er ihn. ʿUbāda ibn aṣ-Ṣāmit fügte hinzu: So schworen wir ihm darauf die Treue.
2. In Konfliktregionen, in denen weder ein Staat noch eine stabile Regierung existiert, sollte man nicht zulassen, dass Probleme sich verschlimmern. Sie sollten vielmehr durch Friedensstiftung gelöst werden, indem Leute mit Autorität, Gelehrte und Personen, die einflussreichen Respekt genießen, vermitteln und ehrlich und aufrichtig an einer Lösung arbeiten. Möge Allah, der Erhabene, ihr Beistand sein.
Das ist meiner überwiegenden Meinung nach die Antwort auf deine Frage in Bezug auf die Einführung der ḥudūd-Strafen. Ich habe die islamrechtlichen Beweise dafür angeführt sowie den Beweisaspekt und dann den Rechtsspruch abgeleitet. Aber Allah (t) ist wissender und weiser.
Euer Bruder
ʿAṭāʾ ibn Ḫalīl Abū ar-Rašta
30. Muḥarram 1435 n. H.
03.12.2013 n.Chr.