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بسم الله الرحمن الرحيم
Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen
Die Konfliktparteien in Libyen tasten sich zu den roten Linien vor
Autor: Ahmad al-Khatwani / Das gesegnete Land (Palästina)
Das massive türkische Engagement in Libyen hat ein gewisses militärisches Gleichgewicht unter den Konfliktparteien wiederhergestellt, die am Boden kämpfen. Und das, nachdem sich die Waagschale klar zugunsten der Truppen Haftars gesenkt hatte, der von internationalen Akteuren wie Russland und Frankreich und regional von Ägypten, Saudi-Arabien, den Emiraten und dem Sudan unterstützt wird. Zusätzliche Hilfe erhält Khalifa Haftar von weiteren Frankreich-treuen afrikanischen Staaten. Mit all dieser Unterstützung war es Haftars Einheiten gelungen, die Hauptstadt zu belagern.
Dass die internationalen und regionalen Akteure dem ehemaligen General auf so breiter Basis Unterstützung bieten, liegt allein daran, dass ihnen nur allzuklar ist, dass er ein williges Werkzeug der USA ist, ja mehr noch, ihr starker Mann in Libyen ist. Und das hat sie nicht lange zögern lassen, sich auf Haftars Seite zu positionieren. Denn diese Positionierung bedeutet, sich den USA anzunähern, in der Hoffnung, mit deren Zustimmung ein größeres Stück des deftigen libyschen Kuchens zu ergattern.
Allerdings scheinen die USA einem anderen Kalkül zu folgen, was die internationalen Akteure, speziell Frankreich und Russland, überrascht und auch schockiert haben mag, nämlich dann, als sich die USA augenscheinlich auf die Seite der von Fayez al-Sarraj geführten Einheitsregierung stellten. Der Vorwand: Diese Regierung sei die international anerkannte Regierung Libyens.
Die USA bedienten sich des beträchtlichen militärischen Gewichts der Türkei, um Haftars Truppen zurückzudrängen und sie aus der Hauptstadt Tripolis zu entfernen. Ihm und seinen Verbündeten wurde im Rekordtempo eine herbe Niederlage beigebracht. Gelungen ist dies mit der militärischen Übermacht der Türkei und der Präsenz syrischer Kämpfer, militärisch hochqualifizierter und kampferprobter Männer, die sich von der Türkei nach Libyen haben anwerben lassen. Sie spielten eine Schlüsselrolle bei der Zurückdrängung der Streitkräfte Haftars sowie der russischen und anderer ausländischer Söldner.
Das türkische Engagement in Libyen wäre ohne ein klares grünes Licht der USA undenkbar gewesen. Denn weder die Türkei noch sonst ein Staat hätten ein solches Unterfangen in Libyen gewagt, ohne das vorherige okay der USA gehabt zu haben.
Von James Jeffrey, dem US-Sondergesandten für Syrien, lautete es: „Ankara und Washington verfolgen gemeinsame geostrategische Ziele in Syrien und Libyen.“ Und David Schenker, der stellvertretende Staatssekretär für Angelegenheiten des Nahen Ostens im US-Außenministerium, erläuterte: „Die türkische Intervention in Libyen hat das Vorrücken der Haftar-Truppen verlangsamt und ein Gleichgewicht geschaffen, das bessere Wege für Verhandlungen ebnet.“ Erdogan und Trump haben sich in ihrem letzten Telefonat am 8. Juni darauf verständigt, in der Libyen-Sache weiterhin an einem Strang zu ziehen. Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay präzisierte das und erklärte: „Die türkisch-amerikanische Kooperation in der Libyen-Angelegenheit hat an Tiefe gewonnen, die zu einer positiven Wende führen kann.“ Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu betonte am 11. Juni: „Die Vereinigten Staaten müssen eine aktivere Rolle in Libyen spielen. Türkische und amerikanische Verantwortliche werden die vorgesehenen Schritte diskutieren entsprechend dem, was Erdogan und Trump in ihrem Telefonat besprochen hatten.“ Er fügte hinzu: „Wir wurden zur gemeinsamen Arbeit in Libyen auf der Ebene des Außen- und Verteidigungsministeriums und des Nachrichtendienstes angewiesen.“ In diesen Aussagen steckt der deutlichste Beweis, dass das militärische Eingreifen der Türkei in Libyen in sämtlichen Ebenen mit den USA abgestimmt ist.
Nun stellt sich hier die wichtige Frage: Warum sind die USA bestrebt, die Einheitsregierung unter Ministerpräsident Faiz al-Sarraj über ihren verlängerten Arm Erdogan zu unterstützen, wo die Sarraj-Regierung bekanntlich von den Europäern gestützt wird, und zwar über das unter britischer und europäischer Schirmherrschaft geschlossene Abkommen von Skhirat?
Die Antwort darauf lautet: Mit der Unterstützung der Sarraj-Regierung durch die USA mittels der Türkei können die Amerikaner drei strategische Hauptziele verwirklichen. Diese sind:
1. Das mächtige politische Establishment in der Hauptstadt Tripolis und in Westlibyen, das den Briten, den Italienern und Europa treu ist, wird infiltriert. Die Männer aus diesem Kreis können mittels der Popularität Erdogans der ihnen den rettenden Anker zugeworfen hat, geködert und für den amerikanisch-Erdogan’schen Kreis gewonnen werden. Und man hätte sie von den Europäern entfernt.
2. Man würde Erdogans Türkei und Putins Russland daran beteiligen, den Libyenkonflikt auf Kosten der traditionellen europäischen Seiten lösen, ganz nach Art des Syrienkonflikts.
3. Libyen bleibt weiterhin zwischen zwei Kräften zerrieben: Auf der einen Seite die Kräfte Khalifa Hafters in Benghazi und in Ostlibyen, unterstützt von den US-Vasallen mit al-Sisi, der seine Truppen an der ägyptisch-libyschen Grenze in Stellung gebracht hat, an deren Spitze. Und auf der anderen Seite die Türkei und ihre Getreuen in Tripolis und in Westlibyen. Das Ziel hinter dieser Aufspaltung der beiden Kräften ist, den USA die Konsolodierung ihrer Hegemonie in Libyen zu vereinfachen, nämlich, indem sie einen Mann Amerikas in Benghazi installieren und einen anderen Mann Amerikas in Tripolis im Westen.
Was das Ganze belegt ist das viele Gerede von den roten Linien, was von russischen und ägyptischen Politikern derzeit ein häufig wiederholter Ausdruck ist. So bezeichnen sie die beiden Regionen Sirte und al-Dschufra als rote Linien, deren Übetretung sie keinesfalls zulassen würden. Und mit diesem Prozedere schaffen es die USA, zu einem Hauptakteur in Libyen aufzusteigen, nachdem sie bis dato eine Nebenrolle gespielt haben. Die Amerikaner sind es nun, die die roten Linien festlegen, während die Anderen sich zu diesen vortasten.
Diese Vormacht der USA und ebenso die der Briten, Franzosen und der Europäer hätte sich nicht so weit ausdehnen und verfestigen können, hätte es nicht die Vasallen-Herrscher gegeben und jene, die dem Kolonialismus verfallen sind. Warum zum Beispiel besteht die Türkei darauf, die Intervention in Libyen mit den USA zu koordinieren, wenn das Land nicht ein Satellitenstaat der USA wäre? Und warum ist die ägyptische Führung so besessen darauf, Haftar, den seit dreißig Jahren bekannten Vasallen der USA, zu Hilfe zu eilen und der türkischen Intervention rote Linien festzusetzen, wenn nicht al-Sisi selbst ein Vasall Amerikas wäre? Und dabei hat Ägypten unzählige andere und wichtigere Prioritäten als das Thema Libyen, wie etwa das Problem Zionistenstaat, das äthiopische Staudammprojekt, die intellektuelle Rückständigkeit, die grassierende Armut sowie die Unterentwicklung in den Bereichen Wirtschaft, Gesundheit und Bildung.
Es sind solche, den USA zu Füßen liegende Führer, die es den Amerikanern ermöglicht haben, sich in Libyen hegemonial breit zu machen. Das Problem sind also die Staaten, die sich den USA hingegeben haben, nicht die Völker selbst. Anders ausgedrückt, die Führungen, die an ihren eigenen Völkern Verrat begehen, sind das Problem, Führungen, die sich selbst an die USA verkauft und zu dauerhaften, unterwürfigen Gehilfen wurden.