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 Antwort auf eine Frage

Die jüngsten politischen Entwicklungen in Libyen

Frage:

Am 04.11.2017 titelte die Zeitung „Al-Sharq al-Awsat“: Abschluss der Kairoer Gespräche mit einer Einigung zur Einheit der libyschen Militärinstitution. Libysche Militärvertreter sind am 30.10.2017 in Kairo zusammengekommen, um eine Neustrukturierung der libyschen nationalen Armee zu verkünden. Man weiß, dass Ghassan Salamé, UN-Sondergesandter für Libyen, seit dem 21.09.2017 damit begonnen hatte, innerlibysche Gespräche zwischen der Regierung al-Sarradschs und dem Repräsentantenhaus (HoR) in Tobruk zu leiten. Dabei ging es um einen Fahrplan zur Lösung, den er aufgestellt hatte. Diese Gespräche wurden allerdings nach nicht einmal einem Monat auf Eis gelegt, was an dem Dilemma um Artikel 8 des am 17.12.2015 unterzeichneten Skhirat-Abkommens lag. Die Frage lautet hier: Bedeutet der Beginn von Militärtreffen, dass politische Gespräche gescheitert sind? Mit anderen Worten: Dienen die militärischen Unterredungen der Hervorbringung einer militärischen Lösung für Artikel 8, nachdem Verhandlungen politischer Art fehlgeschlagen sind? Und schließlich: Was ist in diesen zwei Jahren nach dem Skhirat-Abkommen Neues geschehen, dass beide Seiten diesem zunächst zustimmten und nun darüber streiten? Danke!

Antwort:

Nein, es hat sich nichts Neues getan. Das Abkommen von Skhirat haben beide Parteien unterzeichnet, als der Keim der Differenzen bereits vorhanden war. Allerdings erfolgte die Unterzeichnung von beiden Seiten zu unterschiedlichen Zwecken und mit jeweils anderem Motiv. Zum besseren Verständnis seien folgende Punkte genannt:

1) In der Herrschaftszeit Gaddafis galt die Loyalität des etablierten politischen Establishments den Briten, während ein effektiver amerikanischer Einfluss in jener Ära nicht vorhanden war. Nachdem Gaddafis Herrschaft beendet war, trat das alte politische Establishment, dessen Wurzeln noch immer vorhanden waren, wieder an die Oberfläche. Daher war innerhalb der politischen Schicht noch immer der britische Einfluss dominant, während amerikafreundliche Politiker effektiv nicht präsent waren. Deswegen legte Europa seinen Fokus besonders auf die Wahlen, um so rasch wie möglich eine Regierung und ein Parlament zu installieren. Denn die Wahlen ließen auf Ergebnisse hoffen, die dank Einfluss des alten politischen Establishments in europäischem Interesse gelegen hätten. Amerika dagegen legte seinen Fokus darauf, jegliche Wahl zu blockieren, bis es ein neues politisches Establishment aufbaut, das der alten pro-britischen Politkaste entgegentritt. Anders ausgedrückt, war Europa an einer schnellen politischen Lösung interessiert, während sich Amerika darauf konzentrierte, Lösungen hinauszuschieben, bis es einen neuen politischen Zirkel herstellt. Für diesen Entstehungsprozess bestand aus Sicht Amerikas keine andere Alternative, als auf dessen gewohnten Weg der militärischen Willkür zurückzugreifen.

2) Und so schickten die USA den libyschen Ex-General Khalifa Haftar los, um im Dienste ihrer Interessen in Libyen tätig zu werden. Was dessen Loyalität zu den USA betrifft, spricht seine Biographie bereits Bände. So war er im März 1987 mit fast 300 libyschen Soldaten im Tschad in Gefangenschaft geraten. Amerika schaltete sich daraufhin als Vermittler ein, worauf der CIA 1990 um eine Freilassung Haftars verhandelte. An Bord eines US-Fliegers wurden er und seine Männer nach Zaire und anschließend in die Vereinigten Staaten gebracht, wo er politisches Asyl erhielt. Dort schloss er sich der libyschen Exil-Opposition an. Die beiden folgenden Jahrzehnte verbrachte er im US-Bundesstaat Virginia, wo er vom CIA im Guerillakampf ausgebildet wurde. Nach Libyen kehrte er erst nach der Revolution vom 17. Februar zurück. Die USA entsandten ihn dorthin, damit er versucht, eine militärische Macht aufzubauen. Das Ziel war, durch Gebietsgewinne und mithilfe militärischer „Siege“ ein neues Polit-Establishment zu schaffen. Die Versorgung mit Geld und Waffen sollte von Amerika direkt oder über den Umweg des US-Vasallen al-Sisi aus Ägypten laufen. Jedwede politische Lösung für Libyen wurde von Amerika blockiert, um in Erwartung eines Erfolges Haftars einen effektiven Einfluss herzustellen. Haftar konzentrierte sich besonders auf den Osten des Landes, da Tripolis belegt war vom politischen Establishment mit Nähe zu Europa, insbesondere zu Großbritannien. Und bis zu einem gewissen Grad gelang es ihm, eine Macht im libyschen Osten zu konsolidieren und die Kontrolle über das Parlament in Tobruk zu erlangen.

3) 2015 richtete Europa sein Augenmerk darauf, noch vor Ablauf des Jahres eine politische Lösung herbeizuführen, bevor sich die Verhältnisse im Hinblick auf die politische Kaste ändern. Die Europäer bemühten sich massiv darum, möglichst einen Europa nahestehenden Sondergesandten nach Libyen zu entsenden, um die notwendigen Schritte zu beschleunigen. Mit der Ernennung Bernardino Leóns ist ihnen dies gelungen. Europa begann nun, die Werbetrommel für eine politische Lösung zu rühren, und vermochte es, ein Klima zu schaffen, das den Sicherheitsrat unter Druck setzte und gleichzeitig die USA in eine missliche Lage bringen würde, wenn diese eine politische Lösung abgelehnt hätten. Amerika betrachtete die Angelegenheit indes aus einem anderen Winkel: Ein Veto gegen die politische Lösung, nachdem so dafür geworben wurde, hätte ihren Interessen entgegengewirkt. Gleichzeitig war ihre Strategie, dem Skhirat-Abkommen zuzustimmen, um die Hoheit darüber zu haben, damit sie es dann entweder umändern oder ganz außer Kraft setzen können. Und so ist es gekommen: Artikel 8 der Übereinkunft bezog sich auf die Kontrolle über die militärische Macht. Den Gefolgsleuten Europas war sehr wohl bewusst, dass Haftar Amerikas Vasall ist und die USA ihn als Befehlshaber der Armee sehen wollten. Aus diesem Grund haben sie diesen Artikel geschaffen, der besagt, dass die Armee dem Ministerpräsidenten untersteht, zumal Sarradsch ihr Mann ist. Eben dieser Artikel wurde zum Stolperstein, der für Amerika wie gerufen kam, um das Abkommen zu blockieren, bis es Haftar gelingen sollte, zur aktiven Kraft in der Armee und auf dem Boden aufzusteigen. Danach könnte eine neue aktive politische Schicht entstehen, die dem europanahen Politzirkel in Tripolis und Umgebung die Position streitig machen würde.

4) So sieht die derzeitige Realität aus. An ihr hat sich seit Unterzeichnung des Abkommens von Skhirat Ende 2015 nicht viel geändert. Weder zu den Zielen noch zu den politischen und militärischen Motiven beider Seiten ist Neues hinzugekommen. Wir haben seit dem Skhirat-Abkommen bereits mehrere Antworten auf Fragen rund um das Thema Libyen veröffentlicht. Diesen Sachverhalt haben wir jedem, der ein verständiges Herz hat, hinhört und zugegen ist, verdeutlicht:

In der Antwort auf eine Frage vom 03.06.2014 wird ausgeführt: Den USA ist bewusst, dass die politische Schicht in Libyen ein britisches Fabrikat ist mit einigen französischen Abhebungen. Diese stärken die politische Schicht in Libyen, die Großbritannien zugewandt ist, zusätzlich. Das heißt, dass aus den nächsten Wahlen – abgesehen von einer unbedeutenden Anzahl ‚Unabhängiger‘ – Gefolgsleute Europas als Sieger hervorgehen würden. Sodann würde sich die Lage stabilisieren und die Gelüste Amerikas, in Libyen Fuß zu fassen, blieben unbefriedigt. Amerika wollte nämlich seinen militärischen Einfluss zur Beendigung der Herrschaft Gaddafis dazu nutzen, seinen Hegemonialanteil in Libyen zum größten und stärksten zu machen. Dies kann aber nicht durch das Abhalten von Wahlen in der jetzigen Atmosphäre erreicht werden, die ja nach wie vor eine europäische ist. So kam es, dass Amerika darüber nachsann, die Karten militärisch neu zu mischen und die Atmosphäre in Libyen aufzuwirbeln, um ein neues politisches Establishment mit Loyalität zu Amerika entstehen zu lassen, und erst dann für Wahlen zu sorgen. Der erste Schritt hierzu sollte sein, eine Person aus dem Militär mit dem Auftrag in Marsch zu setzen, putschartig den aktuellen Status quo, welcher vom Nationalkongress dominiert wird, zu erschüttern. Denn die Mehrheit im Nationalkongress besteht aus der Gefolgschaft Europas. Dadurch sollten die Karten neu gemischt und die Wahlen hinausgeschoben werden, bis die Verhältnisse für Amerika günstiger sind. Sollten die USA dann nicht alleine die Atmosphäre beherrschen, so doch zumindest in Teilhaberschaft mit Europa, sodass das Feld nicht alleine den Europäern überlassen bleibt. Und so setzte sich Khalifa Haftar in Bewegung, dessen Vita seine Loyalität zu Amerika manifestiert.

In der Antwort auf eine Frage vom 11.04.2015 heißt es: Den Europäern ist sehr wohl bewusst, dass die USA auf das Scheitern der Verhandlungen hinarbeiten. Daher entschieden sie sich für Bernardino León, einen Mann ihres Vertrauens als UN-Sondergesandter für Libyen. Dieser war ursprünglich Sonderbeauftragter der Europäischen Union. León begann eiligst, Schritte zur Umsetzung einer politischen Lösung vorzunehmen. Den Fokus legte er darauf, seine Mission im Zeitrahmen seines ersten Mandats zu erfüllen, welches eigentlich Ende März 2015 geendet hätte und aufgrund der UN-Resolution 2213 des Sicherheitsrates bis zum 15.11.2015 verlängert wurde. Er beeilte sich damit, seine Mission in der ersten Periode seiner Entsendung zu Ende zu bringen. Die ‚Verhandlungen‘ begannen in Genf, wurden dann nach Libyen, anschließend nach Algerien und dann nach Marokko verlegt. In der Verhandlungsrunde in Marokko forderten die Delegierten des Parlaments von Tobruk am 12.03.2015, die Wiederaufnahme der politischen Beratungsgespräche zwischen den libyschen Seiten um eine Woche, also auf den 19.03.2015, zu verschieben, und zwar um zusätzliche interne Beratungen vornehmen zu können. León legte den Schwerpunkt darauf, schnellstmöglich eine politische Lösung herbeizuführen. Auch wurde am 16.03.2016 ein gemeinsames Kommuniqué der EU veröffentlicht, in dem vor dem Scheitern der Verhandlungen gewarnt wird. „Sollte eine politische Einigung scheitern, wäre die Einheit Libyens in Gefahr (…) Sobald es eine Einigung über eine Regierung der Nationalen Einheit und Sicherheitsvorkehrungen gibt, steht die EU bereit, Libyen zusätzlich zu unterstützen“, heißt es in der Erklärung der EU-Außenminister. (dpa, 16.03.2015)

In der Antwort auf eine Frage vom 19.01.2016 sagten wir: Dass das politische Establishment bzw. der überwiegende Teil davon auf ihrer Seite stand, war den Briten bewusst. Daher war sich Großbritannien gewiss, dass die nach Vorschlägen Leóns zusammengesetzte Interimsregierung eine sein würde, die im Sinne Großbritanniens ist. Folglich war den Briten sehr daran gelegen, das Skhirat-Abkommen voranzutreiben und es in der Ära Leóns zu besiegeln. Nachdem das jedoch nicht gelungen war, Kobler die Nachfolge Leóns antrat und Korrekturen an dem Vertrag vorgenommen wurden, begriff Großbritannien, dass amerikanischer Druck auf Kobler hinter diesen Modifizierungen steckte. Es war einer von weiteren Schritten der USA, das Abkommen ganz zum Scheitern zu bringen und es unter eigener Federführung neu zu formulieren, und zwar nachdem eine neue politische Schicht hervorgebracht sein würde. Ebendies sollte als Konsequenz militärischer Handlungen, ausgeführt von Khalifa Haftar, parallel zu politischen Intrigen geschehen, die von Amerika dirigiert würden. Aus Sicht Großbritanniens war, was den Abschluss des Abkommens betrifft, deshalb Eile geboten, noch bevor Dinge eintreten, die Großbritannien nicht auf der Rechnung hat. Selbst ein Abkommen mit den Kobler-Modifizierungen bliebe für Großbritannien noch akzeptabel, und es beschleunigte die Angelegenheit. Daher machte sich Großbritannien dafür stark, den Abschluss des Vertrages am 17.12.2015 im marokkanischen Skhirat über die Bühne zu bringen. Um sich internationale Legitimität und Zustimmung zu verschaffen, schaltete man den Sicherheitsrat ein und legte den Resolutionsentwurf 2259 vor, damit die Beschlüsse des Abkommens abgesegnet werden. Denn was Großbritannien zur Eile antrieb, waren amerikanische Bewegungen zur Blockierung der Vereinbarung. Das geht aus den Worten des früheren Beraters des libyschen Parlamentspräsidenten Isa Abdulqayum hervor, der am 13.12.2015 auf Al-Ghad al-Arabi erklärte: „Die Statements von US-Außenminister Kerry haben deutlich gemacht, dass die Amerikaner nicht den notwendigen Enthusiasmus zur Lösung der Krise zeigen - im Gegensatz zu den Briten und Franzosen, die genau diesen Eifer an den Tag legen.“

In der Antwort auf eine Frage vom 12.03.2016 wurde ausgeführt: Der Grund für das Aufstellen von Hürden seitens der Amerikaner ist der, dass der Großteil des politischen Establishments in Libyen noch das Relikt aus Gaddafis Zeit und damit ‚europalastig‘ ist. Und dieses Format würde sich auf jede Zusammensetzung des Kabinetts übertragen, so, wie es in dem neuen bereits der Fall ist. Die USA hingegen bauen auf Haftar und auf einige Militärs aus seinem Umfeld. Daher untergraben sie mittels militärischer Intervention, sei es durch eigenes Eingreifen, durch Haftar oder durch andere US-Getreue, eine politische Lösung, und zwar in dem größten ihnen möglichen Maße, bis es ihnen gelingt, eine Herrschaft sicherzustellen, an der ihnen der Löwenanteil garantiert ist. Umgekehrt setzt Europa alles daran, dem Abkommen zum Erfolg zu verhelfen und eine stabile Regierung aufzustellen, solange es noch das Zepter über die politische Schicht in der Hand hat. Belege dafür gibt es viele. So reiste Großbritanniens (damaliger) Außenminister Philip Hammond am 19.02.2016 nach Algerien und traf dort mit seinem Amtskollegen Ramtane Lamamra zusammen. Er betonte, dass eine militärische Intervention in Libyen nicht die geeignetste Lösung sei, die Krise, die das Land durchmache, beizulegen. Er plädiere daher für eine politische Lösung. (Algerian News, 19.02.2016)

5) Jedem mit Augen im Kopf war daher klar, dass seit Unterzeichnung des Skhirat-Abkommens – und selbst noch davor - Europa auf eine Lösung drängte, da die Loyalität des politischen Establishments den Europäern galt. Die USA hingegen sabotieren an der Lösung herum, bis ihnen mithilfe Haftars, ihres willigen Werkzeugs, die militärische Kontrolle in die Hände fällt und anschließend eine neue politische Macht geschaffen werden kann. Aus diesem Grund wechselten die mal näheren, mal ferneren Orte der Verhandlungen. Und nicht einmal einen Monat nach Beginn der Verhandlungen zog sich die Tobruk-Delegation zurück. Anschließend wurden die Gespräche ausgesetzt. Ghassan Salamé (aktueller UN-Sondergesandter für Libyen) setzte sich mal mit den einen, mal mit den anderen zusammen und machte den einen oder anderen Vorschlag. Er rechtfertigte den Rückzug und dann die Wiederkehr aus Tunesien nach Libyen damit, dass die Parteien sich zur Beratung zurückziehen wollten. Wahrscheinlich wird er gewusst haben, dass das Abkommen über eine finale Lösung zwischen den beiden Lagern der Zustimmung der internationalen Mächte, die jeweils dahinter stecken, bedurfte. Und das lag nicht in Ghassan Salamés Hand und schon gar nicht in der beider Kontrahenten. Es geht erst über eine Einigung derer, die jeweils im Hintergrund stehen. Und so kam es zum Rückzug, zum Abbruch und zur Rückkehr aus Tunesien nach Libyen mit dem Vorwand, Rücksprache mit den Entscheidungsträgern halten zu müssen:

- Die Delegation des libyschen Repräsentantenhauses habe sich, ohne Gründe zu nennen, aus den Verhandlungen mit dem Obersten Rat des Staates zurückgezogen, so der Korrespondent des Senders Al Jazeera. Dies sei nach zwei Gesprächsrunden in Tunesien geschehen, um Korrekturen an dem Skhirat-Abkommen vorzunehmen. Die Gründe, so der Korrespondent weiter, hingen möglicherweise mit dem Wortlaut von Artikel 8 zusammen, um den am Morgen eine heftige Debatte entbrannt sei, in der es um den Ministerialrat und die Regierung ging. (Al Jazeera, 16.10.2017) Laut einer Quelle finde eine Sitzung im Hauptquartier der UN-Mission in Tunesien zwischen dem UN-Sondergesandten für Libyen Ghassan Salamé und den Chefs der beiden Verhandlungsdelegationen Mousa Faraj und Abdussalam Nasiya statt, um die Unterbrechung der Sitzungen zwischen den beiden Delegationen am Vortag zu bewerten. (Al Jazeera, 17.10.2017) Auch der al-Jazeera-Korrespondent in Tunesien berichtete, dass die UN-Mission in Libyen beiden libyschen Gesprächsparteien ein Papier mit den aufgelisteten Punkten von Übereinstimmungen und Differenzen ausgehändigt hätte, um sie während der heutigen Treffen zu diskutieren und sie separat voneinander zu kommentieren. (Al Jazeera, 18.10.2017) In einer Pressekonferenz vom 21.10.2017 in Tunesien wies Salamé darauf hin, dass es Felder der Verständigung und der Einigung zwischen den lybischen Verhandlungsdelegationen des Obersten Rates des Staates und des Repräsentantenhauses gebe. Dies erfordere, dass sie am Sonntag nach Libyen zurückkehren, um dort mit den politischen Führern Gespräche zu führen. Er machte darauf aufmerksam, dass es strittige Punkte gebe, darunter Artikel 8, wobei die UN-Mission sich bemühen werde, diese zu beseitigen. (Al Jazeera, 24.10.2017)

6) Haftar konzentriert sich – was ohnehin kein Geheimnis ist – auf Handlungen der militärischen Art. Vielmehr noch, seine bewaffneten Unternehmungen und seine Äußerungen tätigte er noch während der laufenden Verhandlungen, die zwischen dem Präsidentialrat und dem Tobruk-Parlament unter Leitung Ghassan Salamés seit dem 21.09.2017 geführt wurden. Er legte also den Schwerpunkt auf bewaffnete Aktionen und stellte in seinen Äußerungen den Sinn dieser Verhandlungen in Frage. Der Sender Al Jazeera berichtete am 14.10.2017: Ex-General Khalifah Haftar stellt die Option einer Lösung für die Krise in Libyen auf dem unter UNO-Aufsicht laufenden Pfad der Verhandlungen in Zweifel. In einer Rede vor der ersten Sicherheitskonferenz in Bengasi sagte er, es gebe keinerlei Signale, die dem Volk versichern, dass die laufenden Gespräche die einzige Lösung für die derzeitige politische Krise seien. Er verwies dabei auf andere Alternativen als den politischen Dialog, darunter auf das Militär und auf sämtliche Sicherheitsdienste, „die sich den Wünschen des Volkes beugen werden“. Mitte August 2017 machte Haftar deutlich: „Wir sind fest entschlossen, den Kampf weiterzuführen, bis die Armee die Kontrolle über den gesamten libyschen Boden erlangt hat.“ (Middle East, 15.10.2017)

Die militärische Lösung als Vorläufer der politischen Lösung; das ist der Kern des Unterfangens in Libyen, auf den sich die USA konzentrieren. Sie sabotieren die politische Lösung so lange, bis Haftar den Radius der militärischen Kontrolle erweitert hat, um anschließend eine Lösung folgen zu lassen, die stärker unter Amerikas Einfluss steht als unter dem Europas. Das heißt, Amerika legt den Fokus auf eine militärische Lösung, der die politische folgen soll. Und dazu wird jede Gelegenheit genutzt, die sich bietet. Als die USA es etwa als Chance ansahen, in Kairo ein Militärtreffen abzuhalten, um einen tatsächlichen Einfluss Haftars in der Armee sicherzustellen, erteilten sie ihm diese Order für das Datum des 30.10.2017. So fand in Kairo ein Treffen mit den verschiedenen bewaffneten Fraktionen Libyens statt, die alle entweder hinter Haftar stehen oder aber nicht seine Gegner sind. Abgeschlossen wurde das Treffen am 02.11.2017. Dazu hieß es: Die „Middle East“ erfuhr, dass die dritte Runde der Verhandlungen für die Einheit der libyschen Militärinstitution in Kairo zwischen libyschen Offizieren abgehalten wurde, die ihre Arbeit am gestrigen Abend beendet haben, und dass dort Punkte der Einigung erreicht wurden, die als fast endgültig bezeichnet werden können. Dabei geht es um die Einheit der libyschen Armee und ihre Beziehung zur Zivilregierung in Libyen, das seit 2011 unter einem militärischen und einem Sicherheits-Chaos leidet. (Middle East, 04.11.2017). Das beweist, dass den USA und ihren Lakaien – Haftar und Ägypten – ein relativer Fortschritt gelungen ist. Haftar ist zu einer nicht zu unterschätzenden Figur aufgestiegen mit Kontrolle über weite Teile libyschen Territoriums, besonders im Osten und im sogenannten „Öl-Halbmond“, im Unterschied zu den eher mäßigen Gewinnen Europas (Großbritanniens und teilweise Frankreichs und Italiens). Dennoch bedeutet es nicht, dass die Auseinandersetzung vorbei ist. Europa ist mit seinen Kräften in Libyen ebenso präsent, und es ist überdies gewiefter in politischen Manövern als Amerika. Daher ist zu erwarten, dass sich der multinationale Konflikt um Libyen zwischen Amerika und seinen Handlangern auf der einen Seite und Europa und seinen Handlangern auf der anderen Seite weiter fortsetzen wird. Der Leidtragende in diesem Konflikt ist das libysche Volk!

7) Die Angelegenheiten der Muslime, und das muss hervorgehoben werden, dürfen nur durch die Muslime selbst und nicht durch ihre Feinde gelöst werden. Die Lösung ist einfach für den, dem Allah es einfach gemacht hat: Seine Waffe besteht schlicht aus seiner Loyalität zu Allah, im Offenen wie im Verborgenen, und aus seiner Ehrlichkeit gegenüber dem Gesandten Allahs in Wort und Tat. Dann erst werden die Verhandelnden bemerken, dass sie sich im Angesicht eines altehrbaren islamischen Landes befinden mit tiefen islamischen Wurzeln. Und das seit seiner islamischen Eröffnung in der Zeit des rechtgeleiteten Kalifen ʿUmar ibn al-Ḫaṭṭāb. Alle Bewohner dieses Landes sind Muslime. Die Lösung ihrer Angelegenheiten birgt das Buch Allahs und die Sunna Seines Gesandten, ohne dass es eine Verbindung zu den ungläubigen Kolonialisten gibt.

﴿وَلَا تَرْكَنُوا إِلَى الَّذِينَ ظَلَمُوا فَتَمَسَّكُمُ النَّارُ وَمَا لَكُمْ مِنْ دُونِ اللَّهِ مِنْ أَوْلِيَاءَ ثُمَّ لَا تُنْصَرُونَ﴾

Und sucht nicht eine Stütze bei denen, die Unrecht tun, sonst berührt euch das Höllenfeuer; ihr habt außer Allah keinen Schutzherren. Dann wird euch keine Hilfe zuteilwerden. (11:113)

Zum Schluss möchten wir noch einmal betonen: Es ist schmerzhaft, dass die muslimischen Länder, die Ausgangspunkt der Eröffnungen und der Verbreitung des Islam gewesen sind, welcher Gerechtigkeit und Wohl in alle Teile der Erde hineingetragen hat, zu einer Kampfarena geworden sind, in der die ungläubigen Kolonialisten darum wetteifern, uns zu töten und unsere Reichtümer zu plündern. Sie lachen über jeden Tropfen Blut, den wir nicht nur durch ihre Hand, sondern auch durch die Hand ihrer Vasallen, die aus unserer Mitte stammen, verlieren.

Die ungläubigen Kolonialisten sind unsere erklärten Feinde. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie große Anstrengung aufwenden, um uns zu töten. Eine gewaltige Sünde ist es jedoch, wenn sich libysche Gruppen in ihre Reihen stellen, von denen sich einige den Amerikanern und andere den Europäern zuwenden, und beide sich anschließend gegenseitig bekämpfen. Ein Kampf, der nicht für den Islam und nicht für die Erhöhung des göttlichen Wortes geführt wird, sondern im Interesse der ungläubigen Kolonialisten. Der Bruderkampf unter den Muslimen ist ein großes Verbrechen im Islam. Es sprach der Gesandte Allahs (s):

«كُلُّ الْمُسْلِمِ عَلَى الْمُسْلِمِ حَرَامٌ، دَمُهُ، وَمَالُهُ، وَعِرْضُهُ»

Der ganze Muslim ist für den Muslim verboten: Sein Blut, sein Vermögen und seine Familienehre. (Von Abū Huraira bei Muslim überliefert)

Auch sagte er (s):

«لَزَوَالُ الدُّنْيَا أَهْوَنُ عِنْدَ اللَّهِ مِنْ قَتْلِ رَجُلٍ مُسْلِمٍ»

Wahrlich, der Untergang des Diesseits wiegt leichter bei Allah, als dass ein Muslim getötet wird. (Von ʿAbdullāh ibn ʿAmr bei an-Nasāʾī tradiert)

﴿إِنَّ فِي ذَٰلِكَ لَذِكْرَىٰ لِمَن كَانَ لَهُ قَلْبٌ أَوْ أَلْقَى السَّمْعَ وَهُوَ شَهِيدٌ

Darin ist wahrlich eine Ermahnung für den, der Verstand besitzt oder hinhört und Zeuge ist. (50:37)

17. Ṣafar 1439 n. H.

06.11.2016

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