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H.  28 Jumada I 1442 No: 78
M.  Dienstag, 12 Januar 2021

Presseverlautbarung

Stellungnahme zur Ankündigung des „Anti-Terror-Pakets“ in Österreich

Die geplante Gesetzesänderung der Kurz-Regierung verletzt einmal mehr den Leitgedanken des Minderheiten-Prinzips, welches kulturübergreifend als deontologische oder weltanschaulich-religiöse Konvention gewürdigt wird und den Fortbestand unterschiedlicher Identitäten gewährleisten soll. Der türkisgrüne Vorstoß gefährdet auf diese Weise die korrelative Basis für das Zusammensein von Muslimen und Nichtmuslimen in Österreich und leistet der gefährlichen Logik eines innergesellschaftlichen Kulturkampfes Vorschub.

Am 16. Dezember informierten Innenminister Karl Nehammer, Justizministerin Alma Zadić und Integrationsministerin Susanne Raab über den Beschluss des Ministerrats zur Einführung des „Anti-Terror-Pakets“, welches dem Nationalrat zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Neben Gesetzesänderungen im Justiz- und Exekutivbereich befasst sich das Paket insbesondere mit jenem Raum, der den Nährboden darstellt, auf dem sich radikales Gedankengut ausbreitet. Der Schwerpunkt liege beim Kampf gegen den politischen Islam und überall dort, wo eine antiwestliche Ideologie verbreitet wird, die sich gegen unsere Grundwerte der Demokratie und des Rechtsstaats richtet, so Ministerin Raab. Darunter fallen die geplante Einführung eines Imame-Verzeichnisses, die Reformierung des 2015 eingeführten Auslandsfinanzierungsverbots, die Erweiterung des Symbol- & Vereinsgesetzes sowie die Einführung des §247b StGB, der auf religiös motivierte extremistische Verbindungen abstellt. Insgesamt sollen die in dem Paket enthaltenen Maßnahmen der Verbreitung extremistischer Ideologien entgegenwirken, welche die Integration von Menschen in Österreich erschweren und dadurch zu Terror und Gewalt führen würden.

Die inhaltliche Ausgestaltung des „Anti-Terror-Paketes“ belegt, dass die türkisgrüne Regierung den Anschlag vom 2. November als willkommenen Anlass begreift, um ihre repressive Integrationsagenda voranzutreiben, die auf die vollständige Assimilierung der in Österreich lebenden Muslime abzielt. Obwohl der Begriff „Politischer Islam“ expressis verbis nicht mehr vorkommt und durch die allgemein gefasste Formulierung religiös motivierter Extremismus ersetzt wurde, offenbaren die Ausführungen Susanne Raabs den tatsächlichen Adressaten des §247b StGB. So bestehe das zentrale Ziel des Gesetzes in der Bekämpfung des politischen Islam bzw. von islamistischen und radikalen Moscheen, die unter dem Deckmantel der Grundrechte gefährliches Gedankengut verbreiten. Die Umbenennung des Straftatbestands ist daher nichts weiter als ein juristischer Winkelzug, um dessen diskriminierenden Charakter formal zu verdecken und einer erneuten Niederlage vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) vorzubeugen. So konstatierte der VfGH am 11.12.2020 in seinem Urteil zum Kopftuchverbot an österreichischen Volksschulen: Das Abstellen auf eine bestimmte Religion oder Weltanschauung […] ist mit dem Neutralitätsgebot nicht vereinbar. Neben den expliziten Äußerungen der Integrationsministerin geht jedoch auch aus dem Erläuterungsdokument des Ministerialentwurfs klar hervor, dass der Zweck des Gesetzes spezifisch in der Bekämpfung muslimischer Akteure besteht. So sei das Phänomen des religiös motivierten Extremismus häufig im Bereich des Islamismus (z. B. politischer Islam) festzustellen, der im Kern auf der Überzeugung basiert, dass der Islam nicht nur eine persönliche, private „Angelegenheit“ ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung bestimmt oder zumindest teilweise regelt. Die Ausführungen belegen, dass durch die Einführung des §247b StGB ein Gesinnungsstrafrecht etabliert werden soll, dass all jene kriminalisiert, die ein „Aufgehen“ (Assimilation) von Muslimen in dieser Gesellschaft zu verhindern versuchen (BVT-Bericht 2018).

Diese radikale und unilateralistische Vorgehensweise der Kurz-Regierung ist ein tiefer Einschnitt in das kongruente Verhältnis zwischen der muslimischen Minderheit, die sich rechtmäßig in Österreich aufhält, und dem österreichischen Staat, der ihnen Schutz gewährt. Sie missachtet die fundamentalen Kristallisationspunkte des Minderheiten-Prinzips: Den Schutz des Lebens, den Schutz des Eigentums, den Schutz der familiären Ehre und die Unverletzlichkeit identitätsstiftender Überzeugungen und Glaubensinhalte. Die Integrität dieser Güter ist die zwingende Voraussetzung für die Existenz und das Fortbestehen weltanschaulich-religiöser Minderheiten und bildet damit die unverhandelbare Basis für das gesellschaftliche Zusammensein. Die aggressive Assimilationspolitik Österreichs jedoch untergräbt systematisch die korrelative Basis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen, indem sie insbesondere weltanschaulich-religiöse Vorschriften kriminalisiert und nun dazu übergeht, identitätsstiftende Überzeugungen zu verfolgen und unter Strafe zu stellen. Die Einführung des Gesinnungsparagraphen 247b StGB stellt daher nichts Geringeres als einen Zivilisationsbruch und eine Schande für die österreichische Republik dar.  

Um einen innergesellschaftlichen Kulturkampf zu verhindern, fordert Hizb-ut-Tahrir das Ende der Assimilationsagenda und die Rückkehr zu einer Politik des Interessenausgleichs, die den Bedürfnissen aller sozialer Gruppen Rechnung trägt. Obwohl Hizb-ut-Tahrir durch das geplante „Anti-Terror-Paket“ bzw. durch die Erweiterung des Symbol- & Vereinsgesetzes explizit betroffen ist, stehen wir aufgrund unserer weltanschaulich-religiösen Überzeugung für das Minderheiten-Prinzip vorbehaltlos ein. Als Muslime, die sich rechtmäßig in Österreich aufhalten, verpflichten wir uns zur Unverletzlichkeit des Lebens, des Vermögens, der familiären Ehre und der Glaubensinhalte unserer nichtmuslimischen Mitbürger und der Gesellschaft insgesamt. Da sich die Wirkung des Minderheiten-Prinzips jedoch nur in einem kongruenten Verhältnis entfalten kann, hängt es letztlich von der Entscheidung der österreichischen Politik ab, ob die Zukunft der Alpenrepublik durch Polarisierung, Konflikte und Zersetzungsprozesse oder durch Verständigung und gesellschaftlichen Frieden geprägt sein wird.

Allah (swt) sagt:

(وَأَوْفُوا بِالْعَهْدِ ۖ إِنَّ الْعَهْدَ كَانَ مَسْئُولًا)

Und haltet die Verträge ein. Wahrlich, über die Verträge wird dereinst Rechenschaft abgelegt werden. (17:34)

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